Hamburg. Ärzte wenden eine neue Methode an, durch die Sportler mit schwerer Knieverletzung das Gelenk nach sechs Monaten voll belasten können.

Das Knie mit seinen Knorpelflächen und Bändern ist ein kompliziertes Gelenk und besonders bei bestimmten Sportarten sehr anfällig für Verletzungen. Nicht selten ist dabei eines der beiden Kreuzbänder betroffen, meistens das vordere. „Einer von 1000 Einwohnern im Alter zwischen 15 und 25 zieht sich pro Jahr einen Kreuzbandriss zu, selbst in der Altersgruppe von 25 bis 45 ist es einer von 3000. Das spiegelt die Altersgruppen wider, die noch hochaktiv in Sport und Freizeit sind“, sagt Dr. Johannes Holz, Orthopäde und Unfallchirurg des Orthocentrums in Hamburg. In der Parkklinik Manhagen setzt er bei Kreuzbandrissen eine noch relativ neue Operationstechnik ein, die Patienten schneller wieder auf die Beine bringen soll als herkömmliche OP-Verfahren.

Doch wie kommt es überhaupt zu solch einer Verletzung, die Sportler in der Regel zu einer langen Trainingspause zwingt? „Am häufigsten passiert ein Kreuzbandriss, wenn das Knie bei gebeugtem Unterschenkel verdreht wird“, sagt Holz. Ein erhöhtes Risiko für Kreuzbandrisse besteht bei Ballsportarten wie Fußball, Handball oder Basketball, beim Squash und beim Skifahren, wenn sich zum Beispiel bei einem Sturz die Bindung nicht löst.

Nicht selten werden bei einem Kreuzbandriss andere Strukturen im Kniegelenk mitverletzt, zum Beispiel das Innenband, der Innenmeniskus und die Knorpelschicht, die die knöchernen Gelenkanteile überzieht. „Die Aussicht auf Heilung und auf ein auch langfristig zufriedenstellendes Resultat hängt in großem Maße davon ab, wie viel Begleitstrukturen verletzt sind und wie gut der Arzt sie reparieren kann“, sagt Holz. Außerdem habe eine neue Untersuchung gezeigt: Jemand, der sich das Kreuzband verletzt, hat ein deutlich höheres Risiko, an einer Arthrose zu erkranken, als jemand, der ein gesundes Kreuzband hat. 2011 wurden dazu 18 Studien ausgewertet. Danach lag die Arthroserate nach Kreuzbandriss bei 42 Prozent, 27 Prozent waren es bei Gesunden.

Wenn das Kreuzband reißt, nimmt der Betroffene meist als erstes ein hörbares Knacken im Knie wahr, dann schwillt das Knie meist an, und im Gelenk bildet sich ein blutiger Erguss. Der Betroffene hat außerdem im Knie ein Gefühl der Instabilität. Um die Diagnose zu stellen, führt der Arzt zunächst eine körperliche Untersuchung durch mit bestimmten Tests, die bei Rissen des Kreuzbandes typische Ergebnisse zeigen. Anschließend werden ein Röntgenbild und eine Kernspinaufnahme erstellt.

Die Behandlung richtet sich individuell nach der Art der Verletzung. Nicht in jedem Fall muss operiert werden. „Ist nur ein Teil des Kreuzbandes gerissen, kann es auch ohne Operation ausheilen. Der Patient erhält für sechs Wochen eine Schiene und danach eine intensive Rehabilitation. Diese Vorgehensweise gilt aber nur für den kleinsten Teil der Verletzungen“, sagt Holz. In den meisten Fällen ist doch eine OP erforderlich.

Welche Technik dabei zum Einsatz kommt, hängt auch wieder von der Art des Risses ab. Beim größten Teil der Patienten reißt das Band in der Mitte. „In diesen Fällen muss man es durch eine Sehne, die am Oberschenkel entnommen und vierfach gelegt wird, so ersetzen, dass das Resultat möglichst der natürlichen Anatomie entspricht. Dabei wird das Band im Gelenk an bestimmten Stellen, den sogenannten Footprints, im Knochen befestigt“, erklärt Holz. Herkömmlicherweise werden dafür von außen zwei Löcher in den Knochen gebohrt und das neue Kreuzband mit jeweils einer Schraube dort verankert.

Holz und seine Kollegen Dr. Carsten Lütten und Dr. Ansgar Ilg wenden in der Parkklinik Manhagen jetzt eine neue Technik an, um das neue Kreuzband im Knochen zu befestigen. „Dabei legen wir den Footprint von innen mit rückwärtsfräsenden Bohrern an. Das heißt, wir schieben einen dünnen, etwa 2,6 Millimeter dicken Metalldraht von außen bis ins Kniegelenk vor. An der Spitze sitzt ein kleiner Mechanismus. Diesen können wir ausklappen und damit ein passendes sieben bis zehn Millimeter großes Loch in den Knochen fräsen, in den das neue etwa fingerdicke Kreuzband hineingesetzt wird.“ Im Gegensatz zum herkömmlichen Verfahren, bei dem sich der Schraubenkanal fünf bis sechs Zentimeter durch den ganzen Knochen zieht, ist dieses Sackloch bei der neuen „All Inside-Technik“ nur etwa zwei Zentimeter lang. Das verringert den Knochenverlust.

Die Spannung des neuen, fingerdicken Bandes lässt sich genau justieren

„Der große Vorteil ist, dass von außen nicht mehr gebohrt werden muss. Außerdem können wir jetzt mit den Haltefäden, die durch den dünnen Kanal an die Außenseite des Knochens geführt und dort befestigt werden, die Spannung des Bandes genau justieren“, sagt Holz. Ein wesentlicher Punkt sei auch: „Mit der herkömmlichen Technik wird das Band mit einer Schraube im Knochen gequetscht, was für die Einheilung des Bandes ungünstig ist. Mit der neuen Technik liegt das Kreuzband frei in dem Bohrkanal, was die Heilung fördert“, sagt Holz, der diese Technik seit zweieinhalb Jahren anwendet.

Dr. Johannes Holz Unfallchirurg und Orthopäde
Dr. Johannes Holz Unfallchirurg und Orthopäde © Parkklinik Manhagen

„Erste klinische Ergebnisse sind positiv: Die Stabilität, die wir erreichen, entspricht der Stabilität der gesunden Gegenseite, auch nach sechs und zwölf Monaten. Beim herkömmlichen Verfahren kann es vorkommen, dass das Band sich im Laufe der Zeit etwas lockert. Zwei aktuelle Untersuchungen haben auch gezeigt, dass die Patienten weniger Schmerzen unmittelbar nach der OP haben“, sagt Holz.

Für die neue wie für die herkömmliche Technik gelten in der Reha nach der Operation folgende zeitliche Abläufe: „Wir erwarten von den Patienten, dass sie nach sechs Wochen Rad fahren und nach drei Monaten auf sicherem Untergrund joggen können und dass sie nach spätestens sechs Monaten sportartenspezifisches Training machen oder wieder Ausdauersportarten betreiben“, so Holz. „Neun bis zwölf Monate dauert es, bis die Patienten wieder mit Sportarten wie Fußball anfangen können. Wir hoffen, dass wir diese Zeit mit der neuen Technik auf sechs Monate verkürzen können.“

Der Arzt erhofft sich von der neuen Technik auch eine geringere Rate von erneuten Rissen, weil das Kreuzband besser rekonstruiert werden und schneller einheilen kann. Das Risiko eines erneuten Risses liegt im Hochleistungssport je nach Sportart zwischen 14 und 19 Prozent, bei Freizeitsportlern weit unter fünf Prozent.