Berlin. Eine der drängendsten Fragen unserer Zeit: Wie bekommt man in Zukunft neun Milliarden Menschen satt - ohne die Umwelt zu zerstören?

Die Scheibe Salami auf dem Brot, eine Bratwurst an der Imbissbude und abends noch ein Schnitzel – der Fleischkonsum hierzulande hat Auswirkungen auch anderswo in der Welt. Denn für die Erzeugung landeten Unmengen an Getreide in Trögen von Tieren statt auf den Tellern von Menschen, kritisieren Wissenschaftler und Aktivisten. „Die Konkurrenz zwischen Trog und Teller wächst“, sagt Wilfried Bommert vom Institut für Welternährung in Berlin. „Das Problem liegt im Fleischkonsum.“ Agrarökonom Prof. Matin Qaim von der Universität Göttingen ist sich sicher: „Der momentane Lebensstil in den reichen Ländern ist für neun Milliarden Menschen nicht globalisierbar.“

Die Weltbevölkerung überschritt 2011 die Marke von sieben Milliarden, 2050 werden es nach einem Bericht der Welternährungsorganisation FAO rund neun Milliarden sein – die globale Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird bis zur Mitte des Jahrhunderts um voraussichtlich 70 Prozent steigen.

Wie soll die Menschheit angesichts dieser Prognosen in Zukunft ernährt werden? Auf der Weltausstellung Expo in Mailand wollen fast 150 Nationen vom 1. Mai bis 31. Oktober dieser Frage auf den Grund gehen. Das Leitthema lautet „Feeding the Planet, Energy for Life“ (Deutsch: Den Planeten ernähren, Energie für das Leben).

„Der Druck auf die weltweit verfügbaren Flächen nimmt zu“, sagt René Franke vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 60 Prozent der Flächen, die für in Deutschland konsumierte Nahrungsmittel und Tierfutter genutzt werden, liegen laut Franke im Ausland. Die Umweltstiftung WWF kritisiert das: Würde Europa umdenken, könnten Äcker dort anderweitig genutzt werden, sagt Sprecherin Tanja Dräger de Teran. Wegen Überdüngung seien zahlreiche Flächen bereits ausgelaugt. Neue Ackerflächen zu erschließen, sei falsch, denn dies ginge auf Kosten der Wälder.

Etwa 60 Kilogramm Fleisch verspeist ein Deutscher im Jahr, in den 1980er Jahren waren es laut Bauernverband noch 67 Kilo. Vor allem in Schwellenländern steigt der Fleischkonsum jedoch stark. Nach Angaben des „Fleischatlas 2014“ wird die globale Fleischerzeugung bis Mitte dieses Jahrhunderts von jetzt 300 Millionen Tonnen auf fast eine halbe Milliarde Tonnen steigen. Damit einhergehend werde sich die Sojaproduktion für Futtermittel nahezu verdoppeln. Das hat Folgen für die Welternährung.

„Fleisch ist Lebensmittelverschwender Nummer eins“, beklagt der Vegetarierbund Deutschland. „Tiere fressen – in Kilogramm – viel mehr Futter, als ihre Schlachtung Fleisch ergibt.“ Mehr Menschen könnten mit der gleichen Getreidemenge ernährt werden, wenn statt eines Schweineschnitzels ein Weizen- oder Sojaschnitzel erzeugt würde. „Der Umweg über das Tier verschwendet Lebensmittel in gigantischem Ausmaß“, so das Fazit der Vegetarier.

Ministeriumssprecher Franke rät zu einem Mittelweg: „Durch bewussteren Fleischkonsum wäre weniger Anbau von Futtermittel weltweit nötig.“ WWF-Expertin Dräger de Teran meint: Wenn die Deutschen ihren Fleischkonsum halbieren würden, könnte das auch zum Klimaschutz beitragen: „Die Einsparungen an Treibhausgasemissionen wären erheblich.“

Auch beim Umgang mit Lebensmitteln müssen die Deutschen laut Franke mehr Verantwortung zeigen. „Wir können zum Beispiel die Verschwendung reduzieren“, sagt er. Jeder Deutsche werfe pro Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel weg, für deren Herstellung Fläche und Ressourcen benötigt wer­­­­den.

Fast zwei Drittel der weggeschmissenen Lebensmittel hätte man in den meisten Fällen noch essen können. Der nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln bildet, wie auch die sozial- und umweltverträgliche Landwirtschaft, den Themenschwerpunkt des deutschen Pavillons auf der Expo in Mailand. Seine zentrale Aussage „Sei aktiv!“ bezieht sich sowohl auf die Besucher der interaktiven Ausstellung als auch auf die Akteure der Lebensmittelversorgung – vom Landwirt bis zum Konsumenten. Sechs Themenbotschafter werden mit persönlichen Beispielen zeigen, dass es auch kleine, individuelle Lösungsansätze zum großen Thema Welternährung gibt.

Von den sechs Themenbotschaftern kommen zwei aus der Region Hamburg: Der Apfelbauer Eckart Brandt, der im Alten Land alte Obstbaumsorten kultiviert und Benjamin Adrion, der 2005 auf St. Pauli das Netzwerk „Viva con Aqua“ gründete. Die Initiative setzt sich für einen menschenwürdigen ­Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung ein. Auch dies gehört zu einer zukunftsfähigen Welternährung.