Hamburg.

Wer sich in Norddeutschland für alte Apfelsorten interessiert, kommt an Eckart Brandt nicht vorbei. Mit seinem Boomgarden-Projekt kultiviert der 65-Jährige seit Jahrzehnten traditionelle Obstsorten und präsentiert sie auf Märkten, in Ausstellungen und auf Festen. Von Mai bis November ist der engagierte Obstbauer mit seinen besonderen Früchten sogar im italienischen Mailand präsent: als Themenbotschafter im deutschen Pavillon auf der Expo 2015.

„In unserem Pavillon mit dem Motto ,Fields of Ideas’ stellen wir die Nachhaltigkeit von Landwirtschaft und Lebensmitteln in den Mittelpunkt“, sagt Dietmar Schmitz, Expo-Generalkommissar des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Besucher durchlaufen die Themenfelder Boden, Wasser, Klima und Artenvielfalt. Nicht zur Arten-, aber zur Sortenvielfalt trägt die Sammelwut von Eckart Brandt und Ulrike Cohrs bei: Seit Anfang der 1980er-Jahre registrieren und erhalten die beiden Obstbauern alte Kultursorten, rund 1000 sind es insgesamt. Seit Herbst 2012 hat der Expo-Botschafter aus Hollenstedt (Landkreis Harburg) südlich von Stade fast vier Hektar Land dauerhaft pachten können, auf dem nun mit 700 Bäumen 350 alte Sorten (neben Äpfeln auch Birnen, Pflaumen und Süßkirschen) heranwachsen sollen.

Die Sortenrettung ist bei Obstbäumen viel komplizierter als etwa bei Getreide oder Gemüse. Dort lassen sich Samen von Traditionssorten in Saatbanken archivieren und bei Bedarf aussäen und damit zum Leben erwecken. Mit Kernen von Apfelbäumen und anderem Kernobst ist das nicht möglich: „Sie sind immer Kreuzungsprodukte aus zwei Sorten. Sortenreine Nachfahren erzeugt man nur mit einem Stück Holz, das man auf einen Wurzelstock bindet“, sagt Brandt. Anders ausgedrückt: Man veredelt eine minderwertige Sorte (Wurzelstock) mit einem Reisig der gewünschten Sorten, die an der Schnittstelle zusammengebunden werden und zu einem Baum heranwachsen. Brandt: „Die genetische Vielfalt von Obstsorten erhalten wir nur mit real existierenden Bäumen.“

Alte regionale Obstbaumsorten gedeihen wunderbar in Privatgärten

In Mailand wird er keinen Apfelbaum pflanzen, sondern nur in zwei Videobeiträgen seine arbeitsintensive Passion für die Traditionssorten erklären. Am 18. Juni, dem Expo-Tag der Deutschen, will Brandt dann doch leibhaftig in die norditalienische Metropole reisen, obwohl während der Obstsaison eigentlich keine Zeit für Ausflüge bleibt. „Vielleicht schaffe ich es noch, eine Kollegin in Umbrien zu besuchen, die Apfelarchäologin Isabella Dalla Ragione. Sie macht eine sehr ähnliche Arbeit wie wir.“

Eine Botschaft will Eckart Brandt nicht nur in Mailand, sondern auch in seine Heimat aussenden: „Es reicht nicht, sich über Politiker zu beklagen, man muss selbst aktiv werden, um Dinge zu ändern, zu verbessern. Jeder sollte etwas tun. Das geht auch beim Erhalt alter regionaler Obstbaumsorten. Sie gedeihen wunderbar in Privatgärten. Der Ertragsobstbau kann diese Aufgabe nicht wahrnehmen, er muss wirtschaftlich denken.“

Informationen im Internet unter www.boomgarden.de