Rund 1,6 Millionen Deutsche haben bisher kostenpflichtige Börsen im Internet genutzt, um die große Liebe im Internet zu finden.

„Unser erstes Treffen ist buchstäblich ins Wasser gefallen“, erzählt Nina. Die erste Verabredung mit ihrer Internetbekanntschaft Frank hatte sie sich anders vorgestellt. Während er in der „Alsterperle“ schon auf sie wartete, trocknete sie noch ihre Haare. Nicht etwa, weil sie im Bad zu lange gebraucht hatte, sondern weil die Seglerin vor dem Treffen noch das schöne Wetter ausnutzen wollte – und dabei mit ihrem Boot auf der Außenalster gekentert war. Als sie schließlich wieder Boden unter den Füßen hatte, rannte sie los. Klatschnass und mit einer Viertelstunde Verspätung kam sie in dem Café an – doch da war Frank schon weg. Pünktlichkeit ist dem 40-Jährigen sehr wichtig. Trotzdem gab er Nina noch eine Chance – ein halbes Jahr später zog sie zu ihm. „Ihre Wohnung habe ich provisionspflichtig vermietet. Also kann sie gar nicht zurück“, scherzt der Immobilienmakler. Eineinhalb Jahre sind die beiden nun ein Paar.

Rund 1,6 Millionen Deutsche haben schon einmal kostenpflichtige Partnerbörsen im Internet genutzt. Das ergab eine repräsentative Forsa-Studie im Auftrag des IT-Verbands Bitkom, die 2013 veröffentlicht wurde. Wie viele der online Suchenden einen Partner finden, ist allerdings unklar. Glaubt man einer repräsentativen Allensbach-Studie aus dem gleichen Jahr, lernen sich 27 Prozent aller Paare im Freundeskreis kennen, 16 Prozent in einer Kneipe, elf Prozent im Büro und lediglich zwei Prozent über Singleportale.

Gleichwohl hat Online-Dating für viele Menschen nichts Anrüchiges mehr. „Ich denke, das ist inzwischen normal geworden“, sagt Frank. „Ich habe es nie geheim gehalten, dass ich online nach einer Partnerin suche. Viele meiner Freunde haben es genauso gemacht und auch Erfolg gehabt.“

Forscher bestätigen diese Einschätzung. Bei der Mehrheit der „Online-Dater“ handle es sich keinesweg um eine besondere Spezies, die nur in der virtuellen Welt nach Kontakten suche. „Ganz im Gegenteil“, sagt Prof. Manfred Hassebrauck, Leiter des Instituts für Sozialpsychologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Die meisten Menschen, die im Internet auf der Suche nach einem Partner seien, bemühten sich auch an anderen Orten darum, jemanden kennenzulernen, etwa im Sportverein. Auch hätten Nutzer von Partnerbörsen im Netz keine bestimmten Persönlichkeitsmerkmale, die sie von der übrigen Bevölkerung abheben würden. „Wenn überhaupt, dann sind sie eher höher gebildet und aufgeschlossener als der Durchschnitt“, sagt Hassebrauck.

Man darf allerdings annehmen, dass von den insgesamt etwa 2500 dreisprachigen Singleportalen nur einige wenige Portale wie Parship, Elitepartner oder Friendscout 24 darauf abzielen, einen festen Partner zu finden. Bei vielen Portalen geht es unter anderem eher um flüchtige Sexbekanntschaften.

Die Gründe, sich im Internet auf Partnersuche zu begeben, seien vielfältig, sagt Micaela Peter, Diplom-Psychologin in Hamburg. „Menschen, die beruflich stark eingebunden sind oder sonstige Verpflichtungen haben, haben kaum Möglichkeiten, potenzielle Partner kennenzulernen. Partnerbörsen sind dafür gut geeignet.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass man ein differenziertes Profil von sich veröffentlichen könne, sagt die Familien- und Paartherapeutin. Wenn dann jemand darauf reagiere, könne man zumindest davon ausgehen, dass dem Interessierten klar sei, was einem im Leben wichtig ist.

Dass heißt aber noch lange nicht, dass sich bei einem Treffen alle Erwartungen erfüllen. Diese Erfahrung musste Herriet aus Norderstedt machen. Nachdem die 37-Jährige fünf Monate bei einer kostenlosen Singlebörse angemeldet war, fällt ihr Fazit enttäuschend aus. Dazu trug maßgeblich Michi bei. Mit dem Verwaltungsangestellten hatte sich Herriet in St. Peter Ording verabredet. Der positive Eindruck eines sympathischen Mannes mit modisch gegelter Frisur, den ein Foto von ihm vermittelt hatte, wollte sich am vereinbarten Treffpunkt nicht mehr einstellen: Dort stand ihr ein Mann mit übergroßer Allwetterjacke und zerzausten Haaren gegenüber. Die beiden tranken immerhin noch Kaffee zusammen. Danach sahen sie sich nie wieder.

Bei einem weiteren Verehrer namens Paul reichte schon das erste Telefonat. Als er Herriet an einem Dienstagabend um 23.30 Uhr anrief, ermahnte sie sich, nicht spießig zu sein. Er konnte ja nicht wissen, dass sie jeden Morgen um sechs Uhr aufstehen muss. Doch nachdem er – ohne Herriet getroffen zu haben – schon über Kinderwünsche sprechen wollten und zu verstehen gab, dass er es nicht tolerieren würde, wenn sich seine Freundin in der Öffentlichkeit aufreizend anziehe, war die Online-Partnersuche für Herriet beendet.

Die großen Partnervermittlungen beteuern, Neuzugänge sorgfältig zu prüfen. Bei Elitepartner sind dem Unternehmen zufolge etwa 30 Mitarbeiter damit beschäftigt, unseriöse und sogenannte „Fake-Profile“ (gefälschte Profile) zu löschen. Etwa ein Viertel der Nutzeranfragen werde nicht akzeptiert. Nicht nur anzügliche Bemerkungen, auch zu viele Rechtschreibfehler gelten bei der Partnerbörse schon als Ausschlusskriterium. Dafür verlangt Elitepartner mit 39,90 bis 69,90 Euro im Monat auch einen stolzen Preis. Doch dieser lohne sich, sagen zumindest Nina und Frank, die beide auch andere Singleportale ausprobiert hatten.

Im Gegensatz zu einfachen Singlebörsen, bei denen die Nutzer selbst das Mitgliederverzeichnis nach potenziellen Partnern durchforsten, beteiligen sich Partnervermittlungen an der Suche. Ein Persönlichkeitstest hilft, für jedes Mitglied ein individuelles Profil zu erstellen, welches mit anderen Profilen verglichen wird. Daraus, wie dann Partnervorschläge zustande kommen, machen einige Portale jedoch ein Geheimnis. Im Gegensatz zum Marktführer, der auf seiner Homepage das „Parship-Prinzip“ erklärt und beteiligte Psychologen namentlich nennt, will Elitepartner kaum etwas darüber verraten, wie genau die sogenannten MatchingSysteme entwickelt werden. Auf der Internetseite heißt es lediglich, die Systeme seien von „renommierten Psychologen“ entwickelt worden. Sozialpsychologe Manfred Hassebrauck kritisiert das: „Ein gutes Matching-System sollte immer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Deshalb sollten die renommierten Psychologen auf jeden Fall genannt werden und auch wirklich renommiert sein.“ Das Grundprinzip eines guten Matchings sei aber eigentlich recht simpel: „Gleich und gleich gesellt sich gern.“

Hunderte von Studien, die bis in die 1930er-Jahre zurückreichten, zeigten, dass sich Ähnlichkeit förderlich auf die Qualität einer Beziehung auswirke, sagt Hassebrauck. Allerdings seien nicht alle Ähnlichkeiten gleichermaßen wichtig. Zu den beziehungsrelevanten Eigenschaften gehörten etwa das individuelle Bedürfnis nach Nähe und Distanz, der Umgang mit Geld, die Familienorientierung und die Kindererziehung. In einem seiner laufenden Forschungsprojekte deute sich an, dass online „gematchte“ Paare signifikant glücklicher und mit ihrer Beziehung zufriedener seien als Paare, die sich offline kennengelernt haben.

Das Ergebnis erklärt sich der Sozialpsychologe unter anderem mit dem Phänomen der „fatalen Attraktion“, das sich vorwiegend im realen Leben ergeben würde. Von fataler Attraktion sprechen Psychologen, wenn sich Menschen gerade deswegen zu jemandem hingezogen fühlen, weil dieser ganz anders ist. Oft seien es dann aber genau die anfänglich für Begeisterung sorgenden Eigenschaften, die später zu Problemen führten.

Probleme können allerdings auch dann auftauchen, wenn sich Menschen online zusammengefunden haben, weil ihre Profile auf viele Gemeinsamkeiten hindeuteten. Erst im Alltag lernten sich Partner „richtig“ kennen, sagt Hassebrauck. „Die Informationen kommen peu à peu, ergänzen oder korrigieren das Bild, das wir von einer Person haben.“ Im besten Fall stärkt dies das gemeinsame Glück.