Abkommen untersagt kommerzielle Klimaschutzprojekte, die Algenblüten erzeugen wollen, um Kohlendioxid zu binden. Noch sind die Risiken, die mit einer großflächigen Düngung einhergehen, weitgehend unbekannt.

London/Kiel. Die Zugabe von Eisenverbindungen oder anderen Nährstoffen in bestimmte Meeresgebiete verursacht eine künstliche Algenblüte, die zusätzliches Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufnimmt. Eine solche Klimaschutzmaßnahme (eine Form des sogenannten Climate Engineering) wird seit einigen Jahren als mögliche Zukunftslösung diskutiert. Sie könnte eines Tages sogar lukrativ werden, wenn das künstlich im Meer gebundene CO2 in Form von Emissionsrechten gehandelt werden würde.

Nun ist diese kommerzielle Düngung von Meeresgebieten allerdings völkerrechtlich verboten worden. Das meldet das Umweltbundesamt und verweist auf einen Beschluss des London-Protokolls, eines Meeresschutzabkommens, dem 44 Staaten beigetreten sind, darunter Deutschland. Noch sind die Risiken, die mit einer großflächigen Düngung von Meeresgebieten einhergehen, weitgehend unbekannt. In einigen Jahrzehnten könnte die Option der Meeresdüngung jedoch wichtig werden.

Während an vielen Küsten die Nährstoffbelastung und die damit verbundenen Algenblüten schädlich sind, weil die absterbende Biomasse zu Sauerstoffmangel führt, könnte ein auf hoher See ausgebrachter Nährstoffschub positive Umweltwirkungen entfachen, argumentieren die Befürworter der Meeresdüngung. Sie haben vor allem die südlichen Ozeane als potenzielle Düngezonen ausgemacht. Dort gibt es Bereiche, in denen ein Mangel an Eisenverbindungen herrscht. Die künstliche Zufuhr des Pflanzennährstoffs lässt die Zahl mikroskopisch kleiner Algen explosionsartig wachsen. Wenn diese absterben und in die Tiefe sinken, nehmen sie den als CO2 aufgenommenen Kohlenstoff mit. Erst wenn die Mikroorganismen allmählich zersetzt werden, wird der Kohlenstoff nach und nach wieder frei. Das künstliche Kohlenstoff-Zwischenlager am Meeresgrund entlastet das Klima. So weit die Theorie.

Doch wie gut eine groß angelegte Meeresdüngung tatsächlich funktionieren würde und welche Nebenwirkungen sie hätte, ist derzeit nicht abzusehen. Prof. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, begrüßt deshalb das nun verbindliche Verbot von kommerziellen Projekten, das über bisherige Absichtserklärungen hinausgehe. Aber er betont auch, dass die Forschung dadurch nicht behindert werden dürfe: „Wir forschen nicht, um der Meeresdüngung die Tür zu öffnen, sondern um mehr über die potenziellen Risiken solcher Maßnahmen zu erfahren.“ In der Zukunft könnte es lukrativ werden, CO2 mithilfe von Planktonblüten zu binden, sagt Riebesell: „Anhand von Satellitenaufnahmen lässt sich bestimmen, wie viel CO2 dabei aus der Atmosphäre entfernt wird. Daraus könnten sich Kohlenstoff-Guthaben ableiten lassen, die dann im Emissionshandel verkauft werden.“

Noch ist der Handelspreis für CO2-Emissionen angesichts schwacher internationaler Klimaschutzvorgaben niedrig. Das macht eine großtechnische Maßnahme wie die Meeresdüngung wirtschaftlich unattraktiv. Dies könne sich in einigen Jahrzehnten ändern, wenn das globale Ziel, eine gefährliche Erderwärmung zu verhindern, weiterhin gilt und gleichzeitig ein weltumspannendes Klimaschutzabkommen nicht erreicht wird, schrieben die Kieler Forscher bereits im September 2011 in einer Übersichtsstudie zum Climate Engineering: „Je später ein solches Abkommen in Kraft tritt, desto wahrscheinlicher wird es, dass in diesem Jahrhundert für eine bestimmte Zeit negative Emissionen erreicht werden müssen.“ Das heißt: Um den Klimawandel zu begrenzen, muss dann mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen werden, als ausgestoßen wird. Riebesell: „Es gibt keine günstigere Methode, CO2 zu binden als durch Eisendüngung.“

Sollte sich die Gesellschaft eines Tages dazu entscheiden, künstliche Algenblüten zu erzeugen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, müsse die Wissenschaft Aussagen zu möglichen Risiken treffen können, sagt Riebesell. Das gelte auch für die Wirksamkeit der Maßnahme: „Wir wissen nicht, wie viel Tonnen CO2 durch die Zugabe von einer Tonne Eisen gebunden werden. Wir wissen auch nicht, in welche Tiefen der Kohlenstoff tatsächlich absinkt.“

Noch gilt es, Grundlagenforschung zum Kohlenstoffkreislauf von Atmosphäre und Ozeanen zu betreiben. Etwa ein Dutzend Düngeexperimente sind dazu weltweit durchgeführt worden, darunter zwei unter der Regie des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) an Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“. Das erste, EIFEX (European Iron Fertilisation Experiment) kam 2004 zu dem Schluss, dass die erzeugte Algenblüte Kohlendioxid aus der Atmosphäre tatsächlich in die Tiefsee transportiert und nebenbei auch noch Plankton fressende Tiere wie Ruderfußkrebse und Krill fördert – und damit Anfangsglieder der Nahrungsketten wichtiger Speisefische wie Sardinen, Heringe und Thun.

Das zweite AWI-Experiment namens LOHAFEX, eine deutsch-indische Kooperation, erntete zunächst vor allem Kritik. Es lief von Ende Januar bis Mitte März 2009 im Südatlantik, nur Monate nachdem die Uno-Konferenz zum Erhalt der biologischen Vielfalt 2008 in Bonn die kommerzielle Eisendüngung von Meeren geächtet hatte. Naturschützer warfen den Forschern vor, sie würden den Weg zur kommerziellen Nutzung bahnen. Doch auch hier ging es um grundlegende Fragen.

Das zeigte sich spätestens zum Ende des 39 Tage andauernden Experiments. Denn anders als angenommen wurden keine großen Kohlenstoffmassen in die Tiefe transportiert. Zwar hatten sich die Mikroalgen zunächst prächtig vermehrt. Doch dann gewannen die Ruderfußkrebse Überhand und verhinderten eine größere Algenblüte. „Bis zum Ende des Experiments sank wegen des hohen Fraßdrucks nur eine geringe Menge an Kohlenstoff zum Meeresboden ab“, hieß es damals in der Pressemitteilung des Instituts.

2013 begann ein Schwerpunktprogramm zum Climate Engineering

Seit LOHAFEX untersuchen deutsche Forscher die Effekte der Meeresdüngung nur noch auf dem Trockenen, mithilfe von Computermodellen. So startete im Juni 2013 ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Climate Engineering. Es soll in den nächsten sechs Jahren Risiken, Herausforderungen und Chancen der Meeresdüngung und anderer Maßnahmen mithilfe von Simulationen ergründen.

Die Modellierungen seien sehr wichtig, sagt Dr. Stefan Hain, Leiter der Stabsstelle Umweltpolitik am AWI, „aber irgendwann muss jedes Modell mit der Natur abgeglichen werden“. Das habe gerade das LOHAFEX-Projekt ergeben: „Es hat gezeigt, dass große Teile des Südatlantiks gar nicht oder nur zu bestimmten Zeiten für eine Eisendüngung infrage kommen. Das können Sie im Modell nicht erkennen.“

International gab es im Sommer 2012 vor der Westküste Kanadas ein weiteres Eisendüngungsexperiment. Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) missachteten die Forscher die damals geltenden internationalen Absprachen. Dies sei für die Vertragsstaaten des London-Protokolls ein wichtiger Grund gewesen, sich nun auf verbindliche Regelungen zu einigen.

UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann geht sogar noch weiter und hofft, dass die neue Vereinbarung auch bei anderen „fragwürdigen wissenschaftlichen Aktivitäten mit negativen Umwelteffekten“ angewendet wird – etwa beim „angeblich wissenschaftlichen Walfang durch Japan“.