Die Wissenschaftler entdeckten das Enzym für “ewige Jugend“. Die Erkenntnisse sind wichtig für Entwicklung neuer Therapien

Stockholm/Hamburg. Der Medizin-Nobelpreis geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an die US-Australierin Elizabeth Blackburn und die beiden US-Wissenschaftler Carol W. Greider und Jack W. Szostak. Die drei Forscher werden für ihre Entdeckung eines Enzyms ausgezeichnet, das den im Zellkern befindlichen Chromosomen "ewige Jugend" ermöglicht, wie das Nobelpreis-Komitee am Montag in Stockholm bekannt gab.

Geehrt werden die drei für ihre Erkenntnisse über die Vervielfältigung von Chromosomen, den Trägern der Erbmasse in der Zelle. Insbesondere zeigten sie, wie die Chromosomen durch besondere Strukturen an ihren Enden - so genannte Telomere - bei der Vervielfältigung vor der Zerstörung bewahrt werden. Damit beschrieben die Wissenschaftler einen grundlegenden Ablauf in der Zelle mit weit reichenden Konsequenzen für das Verständnis von Krankheiten wie Krebs und für die Entwicklung neuer Therapien.

"Un-noble" Preise für skurrile Forschung

Die Wissenschaftler werden für Forschungen zum Zellkern-Enzym Telomerase geehrt, die seit Anfang der 80er Jahre publiziert wurden. Ihre Erkenntnisse geben Aufschluss darüber, wie Chromosomen und damit auch die sie umgebenden Zellen vor dem Altern geschützt werden. Die Wissenschaftler lösten demnach das alte Rätsel, wie bei der Zellteilung eine Degeneration der Zellen verhindert wird. Sie fanden die Lösung in den jeweiligen Enden der Chromosomen, in den so genannten Telomeren. Die Telomerase ist an der Bildung der Telomere maßgeblich beteiligt.

Beim Menschen ist das Genom nicht in einem einzigen langen Faden organisiert. Stattdessen wird es in insgesamt 46 "Portionen" (Chromosomen oder Erbgut-Träger) aufgeteilt. Jedes der fadenförmigen Moleküle hat zwei Enden - die Telomere. Diese Bereiche wirken einerseits wie eine Schutzkappe und sorgen andererseits dafür, dass die Chromosomen bei der Zellteilung auch in voller Länge verdoppelt werden können. Beides ist lebenswichtig: Wenn sich die Telomere verkürzen, altern die Zelle ("Seneszenz"). Fehlen die Schutzkappen, kann das Genom nicht exakt verdoppelt werden.

Greider und Blackburn entdeckten 1984 zudem ein ungewöhnliches, neues Enzym, das sie Telomerase nannten. Dieses Protein kann die Telomere verlängern und aufrechterhalten. Das ist unbedingt nötig: Bei jeder Zellteilung werden die Telomere ein Stück kürzer. Defekte Telomere sind die Ursache mehrerer Erbkrankheiten. "Die Entdeckungen von Blackburn, Greider und Szostak haben eine neue Dimension für unser Verständnis der Zelle geliefert", heißt zur Begründung.

Der Nobelpreis für Medizin wird in diesem Jahr zum 100. Mal verliehen. Die seit 1901 vergebene Auszeichnung wurde in den Jahren 1915 bis 1918 sowie 1921, 1925, 1940, 1941 und 1942 nicht verliehen. Das Preisgeld beträgt 10 Millionen Schwedische Kronen, umgerechnet etwa 974 000 Euro.

Im vergangenen Jahr ging der Medizin-Nobelpreis an den Heidelberger Krebsforscher Harald zur Hausen sowie an die französischen Aidsforscher Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier. Zur Hausen hatte Papillomviren entdeckt, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Dies hat inzwischen zu einem Impfstoff gegen diesen Tumor geführt. Die beiden französischen Forscher wurden für die Entdeckung des Aidserregers HIV geehrt. Die Ehrung für Mediziner ist traditionell der erste von insgesamt sechs Preisen, die jedes Jahr im Namen des schwedischen Geschäftsmanns und Dynamit-Erfinders Alfred Nobel vergeben werden.

Die 1948 in Australien geborene Elizabeth Blackburn arbeitet an der University of California in San Francisco. Greider, Jahrgang 1961, forscht an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore und Szostak, der 1952 in Großbritannien geboren wurde, arbeitet unter anderem am Howard Hughes Medical Institute. Blackburn und Greider sind auch mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet worden.

Die deutschen Nobelpreis-Träger für Medizin seit 1901
Seit der ersten Nobelpreis-Verleihung wurden insgesamt 192 Personen ausgezeichnet, darunter befanden sich 184 Männer (95,8 %) und acht Frauen (4,2 %). Mit insgesamt 53 Verleihungen liegen die US-Forscher vor Großbritannien (22 Verleihungen) und Deutschland (15 Verleihungen)