Nach dem Vorbild der Indios: Forscher testen, ob Terra-preta-Mischungen auch sandige Böden bei uns fruchtbarer machen. Doch ist der Hype berechtigt?

Gartow. Die sandigen, gelb-roten Böden im Dschungel des Amazonasbeckens sind extrem nährstoffarm; sie können Stickstoff, Kalium und Mineralien kaum speichern, weil diese Substanzen ständig vom Regen ausgewaschen werden. Und doch wachsen auf diesem Untergrund Abertausende von Arten - die tropischen Regenwälder in der Region zählen zu den produktivsten Ökosystemen der Welt. Möglich ist das, weil die Pflanzen dort Nährstoffe sofort mit ihren Wurzeln aufnehmen, bevor diese versickern.

Kulturpflanzen wie Mais hingegen können unter solchen Bedingungen eigentlich nicht gedeihen; sie sind auf hohe Humusgehalte angewiesen, die Nährstoffe wochen-, ja monatelang speichern. Den ersten indigenen Völkern Amazoniens gelang es jedoch, eben solchen Humus herzustellen, indem sie ein Gemisch aus Knochen, Kompost, Fäkalien, Tonscherben und Pflanzenkohle in die Erde einbrachten. So schufen sie einen äußerst fruchtbaren Ackerboden, den portugiesische Siedler später "Terra preta" nannten, "schwarze Erde".

2000 Jahre später scheint die Idee der Indios zu einem Exportschlager zu werden. Hobbygärtner tüfteln an eigenen Terra-preta-Mischungen; Firmen bieten Bauern schwarze Erde an. Eine nach der Urmischung benannte deutsche GmbH etwa preist ihre "moderne und überlegene Variante der Amazonas-Schwarzerde". In Medienberichten ist ohne Anführungszeichen von Wundererde die Rede. Und in dieser Woche erscheint ein Buch über die "Schwarze Revolution aus dem Regenwald".

Doch ist der Hype berechtigt? Zumindest unter Wissenschaftlern ist noch keineswegs geklärt, ob ein großflächiger Einsatz von Terra-preta-Mischungen Sinn macht. Ein Forscherteam um Bruno Glaser von der Universität Halle-Wittenberg will die spärliche Datenlage mit einem Feldversuch im wendländischen Gartow nun aufstocken. Das Bundesforschungsministerium fördert das auf drei Jahre angelegte Projekt mit 1,2 Millionen Euro.

In Halle ist die Erde sehr fruchtbar, deshalb hat sich Glaser für seine Studien einen Ort im Wendland ausgesucht. Gartow hat zwar nicht mit tropischen Regenfällen wie im Amazonas zu kämpfen, aber doch auch mit relativ sandiger Erde, die kaum Humus enthält. Die Wissenschaftler haben dort 50 Versuchsparzellen eingerichtet, die je 72 Quadratmeter umfassen. Sie testen dort, wie neun verschiedene Düngermischungen, die zum Teil ähnlich zusammengesetzt sind wie Terra preta, im Vergleich zu herkömmlichem Mineraldünger (NPK) abschneiden.

Durch den Einsatz von NPK-Düngern, die wichtige Pflanzennährstoffe wie Stickstoff und Phosphor enthalten, können Landwirte zwar auch auf humusarmen Äckern wie in Gartow ordentliche Erträge erzielen. Doch weil der Boden relativ wenige Nährstoffe speichern kann und diese schnell in tieferen Schichten versickern, geht ein beträchtlicher Teil ungenutzt verloren. Düngermischungen nach dem Vorbild der Terra preta könnten womöglich die bessere Alternative sein, weil sie aus nährstoffreichen organischen Substraten (etwa Pflanzenresten) und aus Pflanzenkohle bestehen. Letztere speichere Nährstoffe und Wasser und verhindere so, dass diese Substanzen verloren gingen, erläutert Bruno Glaser. "Die Pflanzenkohle kann wenig fruchtbaren Böden die natürliche Pufferfunktion fruchtbarer Böden verleihen und extreme Wettereignisse wie Starkregen abfedern."

Zudem werde in Pflanzenkohle das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) gespeichert, erläutert Glaser. Dies geschieht, weil Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und es in Kohlenstoff umwandeln. Verrotten sie, gelangt der Kohlenstoff in den Boden; früher oder später wird er wieder frei. Pflanzenreste lassen sich aber durch ein Verfahren namens Pyrolyse verkohlen. Würde die so hergestellte Pflanzenkohle als Düngerzusatz in die Erde einbracht, ließe sich der Atmosphäre entzogenes CO2 jahrhundertelang im Boden speichern. "Das wäre ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz", sagt Glaser.

Ihm schwebt vor, dass Bauern hierzulande nach dem Vorbild der Indios ein "lokales Ressourcenmanagement" betreiben, also Abfälle wie Kompost und Gülle nutzen, um Terra-preta-ähnliche Böden herstellen. Sie müssten allerdings eine Pyrolyseanlage betreiben, um auch die unabdingbare Pflanzenkohle zu erzeugen.

Von den Düngesubstraten, die Glaser und sein Team testen, besteht eines nur aus Kompost, ein anderes aus Gärresten von Biogasanlagen. Sieben Substrate - also die meisten - enthalten zudem Pflanzenkohle. Alle Substrate verteilten die Forscher im Mai des vergangenen Jahres auf ihren Versuchsparzellen, dann säten sie dort Mais. In den folgenden Monaten analysierten sie, wie sich der Humusgehalt des Bodens veränderte. Sie installierten Gashauben auf den Parzellen und maßen alle zwei Wochen, wie viel Kohlenstoff der Boden verlor. Zudem analysierten sie den Nährstoffgehalt des Bodens. Und sie notierten das Wachstum der Pflanzen.

Nun liegen erste Ergebnisse vor. Versuchsparzellen mit NPK-Dünger lieferten einen durchschnittlichen Ertrag von sechs Tonnen Mais pro Hektar. Parzellen mit Substraten aus Kompost oder Gärresten lieferten 5,5 Tonnen. Dagegen erbrachten die mit Pflanzenkohlesubstraten behandelten Äcker im Mittel einen Ertrag von sieben bis neun Tonnen pro Hektar. "Die Kohlevarianten liefern also womöglich etwas höhere Erträge als NPK", sagt Glaser. Noch lägen aber nicht genügend Daten vor.

Eindeutig seien dagegen die Daten zur Auswaschung von Nährstoffen in den Böden. So seien bei NPK 25 Prozent des mit dem Dünger ausgebrachten Stickstoffs ausgewaschen worden; bei einer Düngung mit Pflanzenkohlesubstraten seien nur fünf Prozent verloren gegangen. "Das ist ein großer Erfolg", sagt Glaser. Inwieweit Terra-preta-Mischungen die mit ihnen verbundenen Hoffnungen erfüllen können, will der Professor aber erst abschließend beurteilen, wenn sein Projekt 2015 zu Ende geht.