Alarmstufe Orange in der Metropole. Auch bei uns ist die Luft nicht immer im Reinen - Fakten zu Grenzwerten und Gesundheitsrisiken.

Hamburg/Peking. Eine dicke Smogglocke lähmt die chinesische Hauptstadt: Erstmals hat Peking die Smog-Alarmstufe Orange ausgerufen. Wegen der andauernd "gefährlichen" Luftverschmutzung, verursacht vor allem durch hohe Feinstaub-Gehalte, mussten 58 Unternehmen der Metall- und Chemieindustrie ihren Betrieb vorübergehend einstellen. In 41 weiteren Fabriken sowie in der Zementindustrie ist nach Angaben der Stadtregierung der Schadstoffausstoß um mehr als 30 Prozent gesenkt worden. Zudem wurden 30 Prozent der Dienstwagen von Regierung, Partei und Stadtverwaltung aus dem Verkehr gezogen. Auch wenn in Hamburg, Deutschland, Europa die Luft ungleich klarer ist: Feinstaub bleibt auch hier eine Herausforderung im Kampf um bessere Luft.

Wie hoch ist die Belastung in Peking im Vergleich zu anderen Städten?

In der chinesischen Metropole wurden Spitzenwerte von 600 bis 700 Mikrogramm (µg) Feinstaub im Kubikmeter Luft gemessen. Die Messstationen erfassen Partikel, die 2,5 Mikrometer oder kleiner sind (PM2{-,}{-5}, zum Vergleich: Ein Haar hat einen Durchmesser von 50 Mikrometer). Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt als Zielwert für die Tagesbelastung maximal 25 µg pro Kubikmeter (m³) Luft. In Europa werden dagegen hauptsächlich Feinstaubpartikel betrachtet, die kleiner als zehn Mikrometer sind (PM{-1}{-0}). In einem Städtevergleich der WHO auf Basis von Jahresmittelwerten für PM{-1}{-0} aus verschiedenen Jahren lag Peking mit 121 µg (2009) deutlich höher die schlechteste deutsche Stadt Dresden (31 µg, 2008), aber weit unter den iranischen Städten Ahvaz (372 µg, 2009) und Sanandadsch (254 µg) oder dem indischen Delhi (198 µg, 2008).

Wie hoch ist die Feinstaubbelastung in Deutschland und Hamburg?

EU-weit dürfen im Jahresmittel nicht mehr als 40 µg Feinstäube (PM{-1}{-0}) in der Luft liegen. Dieser Wert wird in der Regel eingehalten, in Hamburg seit 1998. Eine zweite Vorgabe macht mehr Probleme: der EU-Tagesgrenzwert von 50 µg/m³ Luft. Er darf höchstens 35-mal im Jahr überschritten werden. Im vergangenen Jahr blieben alle Stationen des Hamburger Messnetzes innerhalb des Limits. Aber 2011 herrschte an den Stationen Habichtstraße mit 46 Überschreitungen und Sternschanze (40 Überschreitungen) mehr dicke Luft als von der EU erlaubt. Als Grund gibt die Umweltbehörde eine "ungewöhnlich lang anhaltende Inversionswetterlage" im Spätherbst 2011 an. In solchen austauscharmen Wetterlagen fehlt der Wind, der die Emissionen in belasteten Gebieten mit reinerer Luft von auswärts verdünnt. 2011 war auch in den deutschen Feinstaubhochburgen die Belastung besonders hoch. So wurden das 50-µg-Limit in Stuttgart an 89 Tagen überschritten (2012: 73 Tage), in Gelsenkirchen an 79 Tagen (2012: 63 Tage).

In ihrem jüngsten Bericht zur Luftqualität in der EU schätzt die europäische Umweltagentur EEA, dass im Jahr 2010 gut 20 Prozent der Stadtbewohner in der EU PM{-1}{-0}-Konzentrationen ausgesetzt waren, die oberhalb der EU-Tageslimits lagen. Die EEA bezeichnet den Feinstaub als "gravierendstes durch Luftverschmutzung verursachtes Gesundheitsrisiko".

Welche Gesundheitsschäden sind durch Feinstaub zu befürchten?

An erster Stelle stehen Atemwegs- und Kreislauferkrankungen, aber auch Lungenkrebs wird mit hohen Feinstaubbelastungen in Verbindung gebracht. In Phasen mit hoher Belastung treten mehr Atemwegserkrankungen auf, zudem gibt es Hinweise auf vorzeitige Todesfälle. Die Feinstaubpartikel führen zu Entzündungen und können Allergien verstärken. Leipziger Forscher haben in Zusammenarbeit mit der Peking-Universität in einer Studie herausgefunden, dass an Tagen mit besonders hohen Konzentrationen deutlich mehr Patienten mit Grippe oder Lungenentzündung sterben. Besonders gefährlich sind die ultrafeinen PM2{-,}{-5}. Sie wirken giftiger, weil sie tiefer in die Lunge eindringen.

Was sind die größten Feinstaubquellen?

Der Feinstaub ist ein komplexes Stoffgemisch, zu dem verschiedene Quellen beitragen. In Hamburg liegt die Industrie (Kraft- und Heizwerke, Metallindustrie u. a.) mit einem Anteil von rund 40 Prozent vor dem Straßenverkehr (30 Prozent). Unklar ist der Beitrag des Schiffsverkehrs; die Umweltbehörde schätzt ihn auf 17 Prozent. Aber auch die häuslichen Heizungen und Kamine belasten die Luft mit Feinstaub, ebenso die Landwirtschaft. Zu den natürlichen Quellen zählen Meere, Bodenerosionen und Flächenbrände.

Wie hoch sind Innenräume im Vergleich zur Außenluft belastet?

In Peking appelliert die Stadtregierung, die Fenster zu schließen und sich möglichst nicht im Freien aufzuhalten. In der relativ klaren Hamburger Luft wäre das kontraproduktiv: "Der PM{-1}{-0}-Gehalt in Innenräumen ist fast immer höher als der der Außenluft", sagt der Chemiker Martin Wesselmann. Im Auftrag des Umweltbundesamtes hatte er 50 Hamburger und Berliner Wohnungen auf deren Feinstaubbelastung untersucht. Wo Menschen zusammenkommen, werde Feinstaub aufgewirbelt. Aber der sei nicht unbedingt gefährlich. Schwerer wögen Partikel, die bei Verbrennungsprozessen entstehen: Wer rauche oder häufig bei Kerzenlicht sitze, belaste die Innenraumluft erheblich - "in Kneipen oder Diskotheken, in denen geraucht werden darf, sind schnell Größenordnungen wie in China erreicht".