Anhaltenden Qualitätsprobleme nach fünf kapitalen Havarien und zwei Fehlstarts machen der Branche einen dicken Strich durch die Rechnung.

Berlin. Russlands Raumfahrt nimmt ihre Krise mit ins neue Jahr. Eigentlich sollte 2012 die neue Strategie für die Zeit bis 2030 und darüber hinaus verabschiedet und in Angriff genommen werden. Doch dann machten die anhaltenden Qualitätsprobleme nach fünf kapitalen Havarien 2011 der Branche einen dicken Strich durch die Rechnung. Mehrere „Bris“- und „Fregat“-Oberstufen der „Proton“- und „Sojus“-Raketen versagten oder mussten nach nicht bestandenen Tests ins Werk zurückgeschickt werden.

Das Ergebnis: zwei Fehlstarts, bei denen zwei Satelliten verloren gingen. Dass der russische Kommunikationssatellit „Jamal-402“ Mitte Dezember trotz eines Defekts an der „Bris-M“-Oberstufe doch noch seinen Zielorbit erreicht hat, ist nur den Experten des französischen Herstellers Thales Alenia Space zu verdanken. Deren Rettungsaktion kostete allerdings viel Treibstoff, so dass der Satellit nicht wie geplant 15 Jahre funktionieren kann. Zudem mussten zwei Starts ins nächste Jahr verschoben werden, weil die Ursachen der Havarien noch nicht genau geklärt sind.

Medwedjew sieht Ruf seines Landes gefährdet

Obwohl 2012 den beiden Fehlstarts 24 gelungene Missionen gegenüberstehen – 2011 war das Verhältnis noch 5:27 -, sieht Premierminister Dmitri Medwedjew den guten Ruf seines Landes als Weltraumgroßmacht akut gefährdet. Er fordert deshalb die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der einstigen Vorzeigebranche durch die Optimierung ihrer Organisationsstruktur und die Verbesserung der Qualität der Produktion. Die Vorschläge einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe dazu hat er aber Ende November als unzureichend zurückgewiesen. Nun soll das Konzept in den nächsten Monaten überarbeitet werden. Im Gespräch ist dabei auch die Übernahme des deutschen Qualitätsmanagements.

„Durchbruch“ erst für 2030 erwartet

Der Entwurf der neuen Raumfahrtstrategie schmort bei der zuständigen militärisch-industriellen Kommission und bei der Regierung. Er sieht vor, ab 2015 erst einmal die vorhandenen Möglichkeiten der an Unterfinanzierung, akutem Fachkräftemangel und veralteter Technik leidenden Branche zu reaktivieren, deren Auslastung unter 50 Prozent liegt. Ab 2020 soll dieses Potenzial konsolidiert werden, um dann ab 2030 zu einem „Durchbruch“ zu kommen. Dieser sei durch die Verwirklichung von „Großprojekten im erdnahen Weltraum und auf dem Mond sowie die Schaffung von Voraussetzungen für einen bemannten Marsflug“ gekennzeichnet, heißt es in dem Papier der Raumfahrtagentur Roskosmos.

Deren Chef Wladimir Popowkin stößt indes mit seinem Wunsch auf Granit, seine Mitarbeiterzahl auf rund 400 zu verdoppeln, um den kommenden Aufgaben überhaupt gerecht werden zu können. Ob er allen Ernstes glaube, dass so die Qualität in den Betrieben verbessert werden könne, fragte ihn Präsident Wladimir Putin jüngst spöttisch.

Trotz aller Probleme hofft Russland, 2013 etwa 30 Starts durchführen zu können. Soviel waren eigentlich auch für 2012 geplant. Doch die Krise, die ausgerechnet 2011 zum 50. Gagarin-Jubiläum offen ausbrach, hat das verhindert.