Verliebtsein heißt Ausnahmezustand - nicht nur für die Seele. Auch der Körper läuft in diesem Zustand auf Hochtouren.

Das Herz klopft bis zum Hals, im Bauch kribbeln die Schmetterlinge, man kann nicht richtig schlafen, das Essen schmeckt nicht mehr. Aber all das verblasst in dem Gedanken an den einen Menschen, der durch die rosarote Brille des Verliebtseins als die Frau oder Mann unserer Träume erscheint. Ihm gilt unsere ganze Aufmerksamkeit, unsere Sehnsucht, unsere Sorge. Verliebtsein heißt Ausnahmezustand - nicht nur für die Seele. Auch der Körper läuft in diesem Zustand auf Hochtouren. Und wenn alles gut geht, wird daraus eine echte Liebe wachsen. Wissenschaftler, Ärzte und Therapeuten erklären, was bei der Liebe in Körper und Seele abläuft.

Liebe ist vor allem eine Kopfsache

Selbst wenn dem Herzen der Sitz der Liebe zugesprochen wird: Gesteuert wird dieses Gefühl von der Kommandozentrale des Körpers, dem Gehirn. Wird in einem speziellen Computertomografen einem liebenden Probanden das Foto seines Partners gezeigt, dann leuchten gleich vier Areale auf. "Es wird das Belohnungszentrum aktiviert", sagt Dr. Andreas Bartels vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. Hormone und Botenstoffe verknüpften im Gehirn den Anblick und den Geruch des geliebten Menschen mit Glücksgefühlen. Der Mechanismus stärkt zugleich die Bindung zwischen den Liebenden. "Es gibt denselben Umbau im Gehirn wie bei Süchtigen", sagt der Neurowissenschaftler. Der Partner wird zum Suchtobjekt, nur dass dies nicht krankhaft ist, sondern das Überleben der Menschheit sichert.

Während die Liebe die Belohnungszentren beflügelt, hemmt sie Areale, die mit Angst und Flucht zusammenhängen. Das Gegenüber wird wohlwollender, eben durch die rosarote Brille betrachtet. Teils gilt sogar der Spruch "Liebe macht blind". Bartels: "Negative Seiten fallen oftmals erst richtig auf, wenn die Partner nicht mehr zusammen sind."

Die Biochemie muss stimmen

Die Hormone sind der Treibstoff der Liebe, selbst wenn die Veränderungen nicht im Blut nachweisbar sind. Dabei geht es nicht um einzelne Hormonveränderungen. "Im menschlichen Organismus sind alle hormonellen Regelkreise miteinander verschaltet, sodass sich Veränderungen auf das gesamte System auswirken", sagt Prof. Christoph Keck vom Endokrinologikum Hamburg. Das gilt auch für den Zustand des Verliebtseins, den Keck als eine positive Stressreaktion bezeichnet. Daran sind unter anderem Hormone der Schilddrüse, Stress- und Geschlechtshormone beteiligt.

In erotischen Momenten wird neben anderen Hormonen von der Hirnanhangsdrüse das "Kuschelhormon" Oxytocin ausgeschüttet. Und das Hormon Vasopressin sorgt unter anderem dafür, dass die Genitalorgane stärker durchblutet werden. Auch Adrenalin ist im Spiel, wie bei jeder Form von Stress. Eine wichtige Rolle spielt das Testosteron. Keck: "Auch Frauen brauchen dieses männliche Geschlechtshormon. Bei beiden Geschlechtern führt Testosteronmangel zum Nachlassen des sexuellen Antriebs."

Neben den Hormonen treten bestimmte Nervenbotenstoffe in Aktion. Der Botenstoff Dopamin aktiviert - wie bei Suchtkranken - die Liebeszentren im Gehirn. Dagegen sinkt Serotonin auf ähnliche Werte wie bei Zwangskranken, die immer wieder die gleichen Handlungen wiederholen müssen. Das hat die italienische Psychiaterin Donatella Marazitti von der Universität Pisa herausgefunden. Ihre Erklärung für dieses Phänomen: Die Gedanken von Zwangskranken sind auf bestimmte Handlungen fixiert, die Fantasien von Verliebten auf das Objekt ihrer Begierde.

Das Herz als Symbol der Liebe

Im Alltag wird Liebe vor allem als Herzensangelegenheit betrachtet. Das zeigen Redewendungen wie "Ich habe mein Herz an jemanden verloren" oder "Ich liebe jemanden von ganzem Herzen". Das bei akuter Verliebtheit freigesetzte Adrenalin lässt das Herz durchaus höher schlagen.

"Wir verbinden mit dem Herzen unsere Lebenskraft. Das rührt daher, dass das Herz stark auf Empfindungen reagiert, sowohl positiv wie negativ, auf Angst und auf Freude", sagt der Hamburger Paartherapeut Dr. Elmar Basse. Und wenn's schiefgeht, heißt es, dass jemand einem das Herz gebrochen habe. "Man versucht die Empfindungen, die Traurigkeit, den Liebeskummer im Körper zu lokalisieren. Dazu kommt: Wer unter Stress steht, erlebt körperliche Veränderungen. Stresshormone werden ausgeschüttet, man fühlt sich deprimiert. Außerdem gibt man mit dieser Redewendung auch der Umwelt zu verstehen, dass man sich verlassen fühlt und Hilfe braucht", sagt der Paartherapeut.

Liebe berührt auch den Bauch. Er reagiert stark auf Empfindungen. Ein positives Gefühl kann sich als Kribbeln oder Aufruhr im Magen-Darm-Trakt bemerkbar machen, eben als Schmetterlinge im Bauch.

Die Haut - der Spiegel der Seele

Auch an der Haut spiegelt sich das Verliebtsein wider. "Wenn man etwas Aufregendes sieht, wird dieses Bild an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet. Dann schickt das Gehirn Signale an die Blutgefäße im Gesicht. Deren Muskeln erschlaffen. Dadurch wird das Blutgefäß erweitert, es fließt mehr Blut hindurch und das Gesicht wird rot", erklärt Prof. Christian Sander, Dermatologe an der Asklepios Klinik St. Georg. Das Erröten könne auf Hals und Brust übergreifen.

Ebenfalls auffällig sind schweißnasse Hände. "Das Gehirn schickt Signale an die Schweißdrüsen, besonders in den Achseln und an den Händen, mehr Schweiß zu produzieren", sagt Sander. Diese Reaktionen sind typisch bei psychischer Erregung, also auch bei Verliebtheit.

Die Körpersprache der Liebenden

Wenn sie Hals, Handflächen und Handgelenkinnenseiten zeigt, und er den Brustkorb hebt und seine Stimme senkt, ist klar: Da sitzen sich zwei Menschen gegenüber, die einander anziehen. Stefan Verra, Experte für Körpersprache, hat die Gesten der Verliebten studiert: Ein verliebtes Pärchen erkenne man etwa daran, dass die Augen des Einen ganz auf den Anderen gerichtet seien. Die Pupillen würden deutlich größer. "Das Hirn sagt: Ich bemühe mich, mehr Daten reinzulassen", erläutert Verra. Die Ohren seien auf die Signale des Anderen gerichtet, öfter werde ein Ohr dem Anderen zugewendet. Bemerkenswert sei der Geruchssinn, der mehr Pheromone des Gegenübers ans eigene Hirn weiterleiten wolle - "der Verliebte neigt den Kopf Richtung Gegenüber, um besser dessen Gerüche aufnehmen zu können". Allgemein gilt: Die Sinnesorgane fokussieren sich voll auf den Partner und blenden alle übrigen Signale aus. Verliebte flüstern oft. Damit signalisieren sie: Wir gehören zusammen.

Oft sei zu beobachten, dass der Mann beginne, die Frau zu umschließen, sagt Stefan Verra. So lege er oft eine Hand auf die Stuhllehne der Frau. Der Mann nimmt die Frau damit für sich ein, schirmt sie von anderen ab. Der verliebte Mann streckt seinen Körper, um größer zu wirken, der Blick kommt von oben. Die Arme werden beim Gehen und Stehen seitlich etwas nach außen gehalten. Das soll Kraft und Vitalität betonen. "Das wichtigste Signal ist jedoch der Beckenbereich", sagt Verra. "Männer stellen und setzen sich breitbeinig hin, sie wippen schon mal beim Stehen mit dem Becken nach vorn. All das sind Signale, die den Schritt des Mannes betonen - ein Potenzsignal."

Frauen würden dagegen eher ihre Gesundheit betonen, so Verra. Zusätzlich senden sie Signale aus, die den Beschützerinstinkt beim Mann wecken. Die verliebte Frau zeigt besonders empfindliche Körperstellen. Der Klassiker der weiblichen Körpersprache ist jedoch das gebärfreudige Becken. "Indem sie ein Bein ausstellt und damit das Becken beim Stehen zur Seite schiebt, betont sie es. Zusätzlich stützt sie eine Hand so darauf ab, dass alle Blickachsen genau auf ihre Hüfte zielen." Hohe Absätze betonen Beine und Hintern.

Verliebtheit oder Liebe

Was unterscheidet den Rausch der Verliebtheit von Liebe? "Verliebtheit ist damit vergleichbar, dass ich jemanden freudig begrüße und in mein Haus hineinlasse. Liebe ist, wenn ich ihm auch wirklich einen festen Platz in meinem Haus einräume und er sich dort niederlassen kann", sagt Paartherapeut Basse. Verliebte überwinden zunächst die Distanz, die normalerweise zwischen Menschen herrscht. "Damit mache ich die Tür auf. Das ist die Eingangsbedingung. Das heißt aber auch, das sich Liebe eigentlich nicht aus Vernunftgründen entwickeln lässt", sagt Basse.

Liebe geht deutlich über das Verliebtsein hinaus. "Liebe ist zu einem großen Teil Bindung, dass ich das Gefühl habe, jemanden ohne Worte zu verstehen, dass ich mich in ihn einfühle, mich bei ihm geborgen fühle, mit ihm ein Herz und eine Seele bin."

Selbst aus einem One-Night-Stand kann echte Liebe werden. Sex sei zunächst ein Vergnügen, das nicht unbedingt mit Liebe zu tun habe, sagt Neurowissenschaftler Bartels und nennt als Beispiel Seitensprünge (deren Quote ist bei Partnerschaften von Menschen ähnlich hoch wie im Tierreich, etwa zehn bis 20 Prozent). Bartels: "Berührungen, Sex und allgemein die Nähe zum Anderen stärken die Bindung, sodass viele Menschen mit ihrem Sexualpartner zusammenbleiben, obwohl dies so gar nicht geplant war."

Liebe ohne Sex

Beim Sex und bei der Geburt ist die Ausschüttung der Bindungshormone Oxytocin und Vasopressin am stärksten. Die geburtliche Hormondusche stärkt die Mutterliebe, die ganz ohne Sex auskommt und dennoch nach demselben Liebesmechanismus funktioniert. Hirnforscher Bartels: "Die Geburt ist der Initialzünder der Liebe. Der persönliche Kontakt, das Sich-in-die-Augen-schauen, Berührungen und Streicheleinheiten frischen sie auf."

Selbst die Liebe zu Haustieren kann ähnliche Ausmaße annehmen, auch hier spielt der Körperkontakt eine Rolle. Ganz ohne Berührung funktioniert dagegen das Anhimmeln von Schlagerstars. Oxytocin und Dopamin sind wieder am Werk, doch inwieweit hier Liebe wirkt, vermag Bartels nicht zu beurteilen: "Viel Wissen über die biologischen Vorgänge der Liebe beruht auf Studien an Tieren. Die Zuneigung zu Schlagerstars lässt sich damit nicht erforschen."

Die Haltbarkeit der Liebe

Nicht jeder Mensch ist gleich bindungsfähig; das hat Einfluss auf die Haltbarkeit der Liebe. Vor einigen Jahren belegten US-Forscher an Wühlmäusen, dass es ein "Treue-Gen" gibt: Im Belohnungszentrum des Gehirns sitzen Rezeptoren für das Hormon Vasopressin. Je höher deren Dichte ist, desto treuer verhält sich der Partner. Das gilt auch für zwei Wühlmausarten: Während die Männchen der Wiesenwühlmaus ihre Partner wechseln wie ihr Fell, geben sich die mit mehr Vasopressin-Rezeptoren ausgestatteten männlichen Präriewühlmäuse mit einem Weibchen zufrieden. Als die Forscher deren Gen für den Vasopressin-Rezeptor in die unsteten Wiesenwühlmäuse einschleusten, machte das Treue-Gen auch diese monogam.

Beim Menschen existiert eine spezielle Variante des Rezeptor-Gens, die eher als Untreue-Gen zu bezeichnen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen heiraten, ist nur halb so hoch wie üblich, und die Partnerschaftskrisen verdoppeln sich.

Liebe schenken

Ein zweiter Effekt beeinflusst die Bindungsfähigkeit: Sowohl Tierbabys als auch Kinder, denen in den ersten Lebensmonaten und -jahren viel Liebe geschenkt wurde, haben eine höhere Dichte an Vasopressin-Rezeptoren.

Unter dem Strich sei jedoch nur eine Minderheit der Menschen ein Leben lang an seinen Partner gebunden, betont Bartels. Ein Patentrezept, das die Liebe haltbar macht, hat Neurowissenschaftler Bartels nicht - sein Rat: viel Zeit miteinander verbringen. Nicht immer festigt sich dadurch die Bindung, bei manchen Paaren kommen stattdessen Streitereien auf. Dann wird zumindest klar, dass es mit dieser Liebesbeziehung wohl doch nicht so weit her ist.