U-Bahnen stecken im Tunnel, dunkle Wohnungen, Handys funktionieren nicht: Wie München den größten Stromausfall seit zwei Jahrzehnten erlebte.

Um sieben Uhr ist der Strom weg. 150 U- und Trambahnen bleiben schlagartig stehen. Sechs volle U-Bahnen stecken im Tunnel fest. Immer wieder fällt der Strom aus. Fünf Züge schaffen es trotzdem bis zum nächsten Bahnhof. Die Fahrgäste der U-Bahn-Linie 3 stecken fest im dunklen Tunnel, kurz vor dem Bahnhof Aidenbachstraße. Weiter geht es nicht. 45 Minuten, dicht gedrängt, müssen sie ausharren.

Ähnlich stockend läuft es auch bei der Straßenbahn. Aus Sicherheitsgründen bleiben die Fahrer an den Haltestellen stehen.

Auch bei der S-Bahn herrscht Chaos. Tausende Pendler sitzen an den Bahnhöfen fest. Im ganzen Netz haben die Züge bis zu einer halben Stunde Verspätung. Die S-Bahnen verfügen wegen einer eigenen Energieversorgung zwar über Strom. Sie können aber nicht fahren, weil die Bahnhöfe dunkel sind. Selbst für Durchsagen gibt es keinen Saft mehr.

Es war, als ob gestern jemand der bayerischen Landeshauptstadt den Stecker herausgezogen hatte: Fast eine halbe Million Kunden der Stadtwerke München (SWM) waren ohne Strom. In den vergangenen Tagen hatten sie die Bilder aus den Vereinigten Staaten im Fernsehen gesehen - Manhattan, schwarz; Menschen, die frieren, weil ihre Heizung nicht mehr funktioniert. Und jetzt waren sie selbst dran.

Eine Millionenstadt war empfindlich getroffen und ihren Bewohnern wurde die Abhängigkeit einer hoch technisierten Gesellschaft plastisch vor Augen geführt, weil sie für mehrere Stunden von ihrer vielleicht wichtigsten Lebensader abgeklemmt war. Wohnviertel lagen im Dunkeln, Radiowecker, Warmwasserboiler funktionierten nicht. Die Handynetze fielen teilweise aus und auch zu den weltweiten Datenströmen fanden manche Bewohner der Metropole über Stunden keinen Zugang.

Auf den Straßen sah es nicht besser aus: 300 Ampeln funktionierten nicht mehr. Selbst am Nachmittag waren noch 88 Ampeln nicht intakt. Das Resultat: Im Berufsverkehr ging häufig gar nichts mehr.

Mancher, der dem Durcheinander auf dem Fahrrad entgehen wollte, hatte ebenfalls Pech: Einige bekamen das Rad zwar noch im Dunkeln aus dem Fahrradkeller. Doch bis zur Straße kamen viele nicht, weil auch die Rolltore der Tiefgaragen keinen Strom mehr hatten.

Die Notfalltelefone standen nicht mehr still. 2000 Notrufe besorgter Bürger gingen in nur zwei Stunden ein. Normal sind um diese Zeit rund 200 Notrufe. Die Feuerwehr rückte zu 50 Einsätzen aus. Im Stadtteil Pasing saß beispielsweise ein Kunde in einer Shell-Tankstelle fest, weil die Türen nicht mehr aufgingen. 25-mal rückten die Helfer aus, um Leute aus Aufzügen zu befreien. Die Polizei hatte 25 Einsätze, weil in Banken, bei Juwelieren und Boutiquen der Einbruchsalarm losgegangen war.

Der Blackout betraf deshalb "nur" die Hälfte der Landeshauptstadt, weil München über zwei getrennte Netze versorgt wird. Die Stadtwerke schalteten einen Bezirk nach dem anderen wieder zu. Als Erstes war um 7.10 Uhr Schwabing wieder elektrifiziert. Anderswo dauerte die Störung noch mehr als zwei Stunden.

Was war passiert? "Die Details kennen wir noch nicht", sagte der SWM-Geschäftsführer Stephan Schwarz. Also konnten die SWM-Verantwortlichen erst bloß spekulieren. "Es wird wahrscheinlich eine Stromspitze gewesen sein", sagte Schwarz. Das bedeutet: Es fließt zu viel Strom ins Netz. So etwas kann Folge eines Kurzschlusses sein. Schwarz geht davon aus, dass der "katastrophale Fehler" irgendwo an der Schnittstelle zwischen dem SWM-Netz und dem Netz des Betreibers E.on passiert ist. Im Norden von München ist das SWM-Netz mit dem von E.on verbunden. Eine E.on-Sprecherin erklärte: "Wir sind nicht der Auslöser der Störung."

Es gibt auch einen politischen Streit: Energieexperten fordern mehr Investitionen in die Stromnetze - und sagen auch anderen deutschen Städten Stromausfälle voraus. Investitionen seien vor allem deshalb nötig, weil die Energiewende die Netze vor neue Herausforderungen stellt. Der Vorwurf: Der Atomausstieg und der Ökostrom wurden bevorzugt, die Sicherheit der Netze vernachlässigt.

Die Bundesnetzagentur warnt vor einer angespannten Versorgungslage im kommenden Winter. Die Stadtwerke München erklärten: "Dieses Ereignis hat mit der Energiewende und der Diskussion über Netzstabilität nichts zu tun." Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) gab zu bedenken: "Bereits ein einstündiger deutschlandweiter Stromausfall an einem Werktag im Winter kann einen wirtschaftlichen Schaden von einer Milliarde Euro verursachen."

Was bleibt also am Ende dieser Geschichte? Ein Stromausfall, der kurz war, aber Chaos verursachte. Den Humor ließen sich die Münchner jedenfalls nicht verderben. Über den Kurzmitteilungsdienst Twitter gab es ätzende Kommentare wie diesen: "Alles schwarz - der Traum der CSU." Ein anderer Twitterer fragte: "Aber es war jetzt nicht so krass, dass Ende August 2013 die Hebammen knapp werden?"