Die Meldungen sind alarmierend. Immer mehr Bienen sterben elendig. Der Dokumentarfilm “More Than Honey“ geht den Ursprüngen auf den Grund.

Hamburg. Die Meldungen klangen alarmierend. Bis zu 70 Prozent der Bienenbestände der Schweiz haben den vergangenen Winter nicht überlebt. Wissenschaftler nennen das Phänomen Colony Collapse Disorder (CCD). Den eidgenössischen Regisseur Markus Imhoof ließen solche Hiobsbotschaften keine Ruhe. Der Filmemacher, der aus einer Imkerfamilie stammt, hat einen aufwendigen Dokumentarfilm über die Insekten gedreht, in dem er auf Spurensuche geht und auf mehreren Kontinenten die Lebensbedingungen der Insekten untersuchte. "More Than Honey" ist ab heute in den Kinos zu sehen.

Bienen, das macht der Film deutlich, sind längst nicht nur für die Honigproduktion von Bedeutung. Sie bestäuben weltweit 70 Prozent der 100 wichtigsten Nutzpflanzenarten. Ohne sie würden 30 Prozent der weltweiten Ernte ausfallen, haben Imhoof und sein Co-Autor Claus-Peter Lieckfeld in ihrem Buch zum Film recherchiert. Die Gründe für das Bienensterben sind vielfältig: Die Insekten verenden an epidemieartig auftretenden Krankheiten, an Agrargiften wie den berüchtigten Neonikotinoiden, die für Bienenvergiftungen verantwortlich sein sollen. Oder sie werden Opfer der Varroa-Milben.

Die Milben beißen sich an der Brut fest, leben vom Blut der Tiere. An den Bissstellen eingedrungene Viren lassen die Flügel verkümmern. In Deutschland spielt die Milbe bei den Bienenverlusten die Hauptrolle. Meist rafft sie die Völker über den Winter dahin, doch in diesem Jahr hat sie bereits im Herbst für Verluste gesorgt. Bei den warmen Temperaturen im Vorjahr habe sich der Schädling gut vermehrt, heißt es beim Landesverband Schleswig-Holsteinischer und Hamburger Imker. Auch das Institut für Bienenkunde in Celle registriert derzeit "hohe Befallszahlen" und geht davon aus, dass die Milbe oft nicht rechtzeitig oder konsequent genug bekämpft wurde. Allerdings gelte es abzuwägen zwischen "der gewünschten Milbenabtötung und einer potenziellen Schädigung der Bienen". Zudem gebe es erste Resistenzen des Blutsaugers gegen bestimmte Milbengifte.

In Schleswig-Holstein leben gut 20 000 Bienenvölker, in Hamburg knapp 3400, in Niedersachsen knapp 65 000 Völker. Die Insekten leiden aber auch unter einer Verarmung der Blütenlandschaften. "Normalerweise würde das ganze Jahr etwas blühen", sagt Filmemacher Imhoof. "In der industrialisierten Landwirtschaft ist die Blütezeit aber reduziert, und Wiesenblumen werden zu früh gemäht. Den Bienen wird der Teller weggenommen, bevor er ganz voll ist. Parks und Friedhöfe sind heute gesünder als die Landwirtschaft."

Wie extrem es dabei zugehen kann, hat der Regisseur in den USA erfahren. Er hat John Miller besucht, einen Wanderimker. Wie viele seiner Kollegen macht er sein Geld mit der Mandelblüte. In Kalifornien blühen auf etwa 3000 Quadratkilometern Mandelbäume, die 80 Prozent der Welternte abwerfen. Im Januar weckt Miller seine 15 000 Bienenvölker, verlädt sie in ihrem Winterlager in Idaho auf große Sattelschlepper und fährt mit ihnen nach Kalifornien, wo die Mandelbäume ab März in Hochblüte stehen. Miller verdient pro Volk und Mandeleinsatz bis zu 150 Dollar, so bekommt er in vier Wochen über zwei Millionen Dollar.

Für die Bienen ist nicht nur der Transport mit dem Lkw Stress. Die Blüten werden mit Antipilzmitteln gespritzt, die die Tiere mit dem Nektar aufnehmen. Mandelhonig schmeckt nicht, man lässt ihn in den Waben. Die Fungizide schädigen dort aber die Brut. Diese Verluste der Imker sind aber schon "eingepreist".

Ein anderes Problem hat der Imker Fred Perry aus Arizona. Er züchtet die Kreuzung aus afrikanischen und europäischen Honigsammlern, die unter ihrem Spitznamen "Killerbienen" fragwürdige Berühmtheit erlangten. Sie sind zwar aggressiver als die Arten, aus denen sie hervorgegangen sind, aber sie sind durchaus beherrschbar, zeigt Terry. Nur für "Badehosenimkerei" seien sie weniger geeignet. Er nähert sich ihnen im Schutzanzug und mit Abwehrrauch. Sie produzieren guten und viel Honig. Die Varroa-Milbe kann ihnen nur wenig anhaben, angeblich beißen diese Bienen den Schädlingen die Beine ab. Werden sie am Ende überleben, weil eine erhöhte Aggressivität das Immunsystem stärkt? Imhoof zieht nachdenklich die Augenbrauen hoch: "Der Gedanke ist ziemlich gefährlich, wenn man ihn überträgt."

Der Film nimmt die Zuschauer auch mit nach Asien. Drastisch geht es in China zu. In manchen Regionen gibt es keine Bienen mehr, die die Apfelblüten bestäuben könnten. Also sammeln die Menschen die Pollen in Fläschchen. Mithilfe von an Bleistifte geklebten Zigarettenfiltern oder mit Hühnerfedern an kleinen Zweigen bestäuben die Chinesen dann die Apfelbäume im Mao-Chien-Tal von Hand.

Das sind skurrile Bilder. Imhoof hat sich in seinem Film besonders viel Mühe mit seinen kleinen Protagonisten gegeben, hat mit Endoskopen und Minihelikoptern gefilmt. Dabei hat er die Bilder so verlangsamt, dass sich die Tiere etwa gleich schnell bewegen wie ein Mensch, weil er wollte, dass sie sympathisch wirken. Die Stiche, die er einstecken musste, hat er irgendwann nicht mehr gezählt. Aber er ist sich ganz sicher: "Bienen haben ganz unterschiedliche Charaktere."

Wissenschaftler versuchen dem Bienensterben den Garaus zu machen. In der Schweizer Forschungsanstalt Agroscope experimentiert man mit einem Pilz, der den Milben schadet, den Bienen aber nicht. In Italien hat man versucht, die Königin 25 Tage vom Volk zu trennen. Sie kann dann keine Eier legen, so lange gibt es im Stock keine Brut. Die braucht die Milbe aber, um sich zu entwickeln. Also geht die Varroa direkt auf die Biene, wo man sie mit einer Ameisensäurebehandlung zur Strecke bringt. "Ohne chemische Hilfe könnte heute keine Honigbiene mehr überleben", glaubt der Filmemacher, der sich auch ethische Fragen stellt: "Wie weit darf man gehen, um zu retten?"

Dass man die Bienen retten muss, daran hat der 71-Jährige keinen Zweifel, schon allein wegen der Gerechtigkeit. "Sie waren die einzigen Lebewesen, die schon im Paradies arbeiten mussten, sonst hätte es keinen Apfel gegeben." Hoffentlich gewinnen die Menschen in diesem Fall rechtzeitig die rettenden Erkenntnisse.