Gute Keime helfen dem Immunsystem, wenn es schwächelt, Die Naturmedizin schickt sie meist dort, wo die Abwehrkräfte ihr Hauptquartier haben: in den Darm.

Ein Niesen des Nachbarn startet die Attacke: Mit dem Atem dringen Schnupfenviren in Nase und Rachen, lassen sich auf den Schleimhäuten nieder und bringen die dortigen Zellen dazu, Hunderte bis Tausende neuer Schnupfenviren zu produzieren. Die infizierte Schleimhautzelle platzt, die neue Virengeneration greift weitere Zellen an. Das ist die Stunde der Immunzellen, die in den Schleimhäuten die Eindringlinge bekämpfen. Sind sie hellwach, dann bleiben die Viren auf der Strecke. Reagieren sie dagegen träge, haben Schnupfenviren und andere Krankheitserreger ein leichtes Spiel: Kein Winter vergeht ohne Grippe, alle paar Wochen macht eine Bronchitis die Nacht zum Tag, hartnäckige Entzündungen der Nasennebenhöhlen schlagen aufs Gemüt. Die Schulmedizin geht stets direkt gegen die Erreger vor, seien es Pilze, Bakterien oder Viren. Naturheilkundler dagegen leisten Hilfe zur Selbsthilfe: Sie stimulieren die Immunzellen, damit sie die Eindringlinge besser erledigen können. Die Immunabwehr hat ihren Hauptarbeitsplatz an den drei Einfallstoren für Krankheitserreger: in der Nasen- und Rachenschleimhaut, der Lunge, vor allem aber im Magen- und Darmtrakt. Mit einer Gesamtoberfläche von 400 Quadratmetern bildet er die größte Angriffsfläche für Bazillen und Co. Deshalb konzentriert sich auch die Mehrzahl der Naturheilverfahren zur Stärkung der Immunabwehr auf den Verdauungstrakt. "Die Bakterienflora des Darmes hat hier eine wichtige Funktion", sagt Dr. Herbert von Laer, Facharzt für Allgemeinmedizin mit dem Spezialgebiet Naturheilkunde in Hamburg. Für ihn gilt: Nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern auch eine Vielzahl von Therapien. So kann es sein, dass eine chronische Blasenentzündung oder eine zähe Bronchitis durch Immunzellen-Kuriere aus deren Stammsitz im Magen-Darmtrakt zu besiegen sind. Dies geschieht zum Beispiel durch den Einsatz von "guten Keimen" zur Pflege der Darmflora: Bakterien, die natürlicherweise den Darm besiedeln. Ein bekannter Vertreter ist der Lactobacillus, mit dem zum Teil Joghurts angereichert sind. "Wir füttern große Mengen dieser Keime", sagt von Laer. "Dazu gibt es spezielle Präparate, denn das, was im Joghurt steckt, reicht für eine Therapie niemals aus." Die Wirkung dieser Methode beschreibt von Laer vereinfacht so: Die guten Keime werden im Darm angereichert. Darauf reagieren die Immunzellen, sie werden "trainiert". Die fitten Zellen wandern durch den Körper und verstärken am Entzündungsherd ihre dortigen "Kollegen". Auch Therapieverfahren, die nicht auf die Darmflora zielen, bringen Immunzellen auf Trab. Von Laer: "Naturheilverfahren reizen allgemein den Organismus. Er reagiert mit einem Gesunderhaltungs-Mechanismus, der schon unsere Vorfahren unter extremen Bedingungen am Leben hielt, der aber bislang wenig erforscht ist." Manch reizendes Präparat stammt aus der Pflanzenwelt. Der Inbegriff dieser so genannten Phytotherapeutika ist Echinacea, zu deutsch Sonnenhut. Sein frisches Kraut wird gepresst, der Saft zum Heilmittel verarbeitet. "Wer sich im Spätherbst vor Erkältungen schützen will, kann vier, höchstens sechs Wochen lang ein Echinacea-Präparat einnehmen", so von Laer. "Ich bevorzuge es jedoch, erst im Frühstadium eines Infektes zu reagieren und dann Echinacea hoch dosiert einzusetzen." Der Sonnenhut hat eine Schattenseite: Als Korbblütler gehört er zu den Pflanzen, die eher Allergien auslösen. Trotzdem rät der Naturheilkundler Allergikern nicht generell von Echinacea-Präparaten ab: Sie sollten ausprobieren, ob ihnen der Pflanzenextrakt gut tut oder nicht. Intensivere Immuntherapien sind die Spezialität der Mistel. Sie wird zum Beispiel bei Krebserkrankungen eingesetzt und soll dann, als Ergänzung zu den anderen Tumortherapien (Operation, Bestrahlung, Chemo) vor allem das Immunsystem stärken. Auch hier wird aus Frischpflanzen ein Extrakt gepresst. Da er den Magensaft nicht überdauert, werden Mistelpräparate gespritzt. Die Mistel ist die bekannteste Heilpflanze der antroposophischen Medizin. Sie beruht auf der Lehre des Philosophen Rudolf Steiner, Begründer der Waldorf-Pädagogik und des biologisch-dynamischen Landbaus Marke "Demeter". Menschen, die unter chronischen Entzündungen leiden, aber auch Allergiker haben eine weitere Alternaitve: die Eigenblutbehandlung. Einige Milliliter Blut werden der Armvene entnommen und in den Gesäßmuskel gespritzt, um so die Selbstheilungskräfte zu wecken. Viele Schulmediziner halten das für fragwürdig, von Laer nennt es eine "spannende und wunderschöne Behandlung", die er sehr erfolgreich einsetze. Spannend und schön können auch Warm/Kalt-Reize sein, die den Körper "wohltuend belasten". Dafür eignen sich morgendliche Wechselduschen. Überzeugten Warmduschern empfiehlt von Laer zum umgewöhnen Duschen mit lauwarmem Wasser. Gesunde Menschen können ihr Immunsystem auch durch Saunabesuche stärken. Von Laer: "Studien weisen nach, dass Menschen die wöchentlich saunen, deutlich weniger Infekte haben als Menschen, die nie in die Sauna gehen." Auch Erkenntnisse aus dem 19. Jahrhundert sind noch topaktuell: die Wasserbehandlungen des Pfarrers Kneipp. Die gesundheitsfördernden Güsse sollte man sich zeigen lassen, rät von Laer, zum Beispiel in Kneippbädern, Kurzentren, Wellnesshotels. Dies bietet nebenbei Gelegenheit, auszuspannen und damit einen weiteren Krankheitsfaktor auszuschalten: den Stress.