Melissenbad - Wenn die Hektik des Alltags Ihnen über den Kopf zu wachsen droht, besinnen Sie sich auf sich selbst. Entspannen Sie sich in der Badewanne oder steigen Sie einfach mal aufs Fahrrad.

Ständig klingelt das Telefon, von draußen dringt der Lärm einer Baustelle durch die Fenster, Ihr Chef möchte alle Aufträge möglichst sofort erledigt haben und die Kollegin ist genervt, weil Sie keine Zeit zum Schwatzen haben. Für die einen ist das ein normaler Arbeitsalltag, für andere bedeutet es richtig Stress. "Manche Menschen können Informationen schneller verarbeiten, manche langsamer. Wenn das Nervensystem eines Menschen überfordert ist, ist er gestresst", erklärt Dr. Martin Bökmann, Oberarzt der Abteilung für Naturheilverfahren, Physikalische und Rehabilitative Medizin im Klinikum Nord (Ochsenzoll). Um gestressten Menschen die innere Ruhe zurückzugeben, setzt die Naturheilkunde unterschiedliche Methoden ein. Klassische Naturheilverfahren sind die Verordnungen von pflanzlichen Arzneimitteln, Bewegungs-, Hydro-, Ernährungs- und Ordnungstherapie. Am Klinikum Nord werden die Patienten auf Körperreisen geschickt, eine Form der Entspannungstherapie: Die Patienten müssen die Augen schließen, regelmäßig und gut atmen und sich auf sich selbst konzentrieren. Dann werden sie gebeten, zum Beispiel auf ihre Füße zu achten, ob sie warm oder kalt sind, wie sie sich anfühlen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper gelenkt. Bei der Atemtherapie kommt es darauf an, gestressten Menschen, die oft hektisch und flach atmen, wieder zu einer gleichmäßigen, ruhigen Atmung zu verhelfen. Durch Kneippsche Anwendungen, zum Beispiel kalte Güsse, wird die Durchblutung angeregt. "Kalte Güsse ziehen die Hautporen zwar erst mal zusammen, danach aber öffnen sie sich wieder, die Durchblutung nimmt zu, und es kommt zu einer angenehmen Entspannung. Außerdem ist der Patient gezwungen, sich auf den Moment zu konzentrieren. Man kann nicht über seine Probleme nachdenken, wenn man fühlt, wie kalt es gerade wird." Ein Melissenbad vor dem Einschlafen bringt Körper und Geist zur Ruhe. Das ätherische Öl der Pflanze wirkt über die Nasenschleimhaut auf bestimmte Regionen im Gehirn und entfaltet auf diese Weise seine beruhigende Wirkung. Auf diesem Heilprinzip der ätherischen Öle beruht auch die Aromatherapie mit Duftlampen, Aromabädern und Körperölen. "Bei Stress eignen sich Lavendelöl, Kamillenöl, Rosenöl, Fenchel, Melisse, Zimt", erklärt Bökmann. Beruhigende Wirkung haben auch pflanzliche Arzneimittel mit Hopfen oder Baldrian sowie Entspannungstees. Empfohlen werden zudem Entspannungstechniken wie autogenes Training, das aber erst vom Patienten erlernt werden muss. Entsprechende Angebote gibt es regelmäßig an den Volkshochschulen. All diese Methoden dienen dazu, den gestressten Menschen dazu zu bringen, sich wieder auf sich selbst zu besinnen. "Ein Zurückziehen in sich selbst ist gerade bei Stress sehr hilfreich", so Bökmann. Ein weiteres Ziel der Therapie ist es, dem Patienten wieder zu ermöglichen, sich auf eine Sache zu konzentrieren und daran Freude zu empfinden. Als Beispiel nennt Bökmann den Umgang mit dem Essen: "Es ist wichtig, dass man bewusst isst, wenn man so gestresst ist, und nicht noch nebenbei Fernsehen schaut oder arbeitet. Man sollte das Essen als Kultur erleben und pflegen." Zu den Zielen einer Ernährungstherapie gehört auch, kein Fastfood zu sich zu nehmen, auf Alkohol zu verzichten, regelmäßige Essenszeiten einzuhalten und das Rauchen einzustellen. Wenn wir in Stress geraten, reagieren wir auch heute noch wie unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren, wenn ihnen Gefahr drohte: Unser Körper macht alle verfügbaren Kräfte mobil, um einen vermeintlichen Feind zu bekämpfen oder vor ihm zu flüchten: Die Hormone Adrenalin und Cortison werden ausgeschüttet. Blutdruck und Herzfrequenz steigen, die Muskulatur spannt sich an. Unsere Urahnen bauten die Hormone durch Bewegung wieder ab, und der Körper kam zur Ruhe. "Doch heute können sie schlecht dem psychosozialen Stress im Beruf durch Flucht entkommen", so Bökmann. Die Folge: Er bleibt im Körper und führt zu einer inneren Aufregung. Dann überschlagen sich die Gedanken, das Herz schlägt sehr schnell. Es können Herzrhythmusstörungen oder Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Wer im Stress ist, braucht Bewegung. "Bewegungstherapie ist ganz wichtig, weil dadurch die Stresshormone im Körper verbraucht werden. Der Drang zur Flucht wird in Aktivität umgesetzt", erklärt Bökmann. Sportliche Betätigungen wie Radfahren und Gymnastik helfen dem Menschen, mit beiden Beinen wieder auf den Boden zu kommen und sich gleichzeitig zu entspannen. Wenn der Stress nicht wieder aufhört, werden manche Menschen depressiv. Sie fühlen sich erschöpft und minderwertig, bekommen Ein- und Durchschlafstörungen und Schmerzen aller Art. Stress kann dazu beitragen, dass körperliche Krankheiten sich verschlimmern oder erst entstehen - etwa ein Magengeschwür. "Die häufigsten Stressauslöser sind Überforderung im Beruf und familiäre Belastungen, wie chronische Beziehungskonflikte oder drogenabhängige Kinder. Auch ständiger Lärm kann zum Stressfaktor werden", so der Mediziner. "Zunächst versuchen wir, die Art der Belastung herauszufinden und zu klären, was der Patient selbst an seiner Situation ändern kann", erklärt Bökmann die Vorgehensweise. Dabei hilft die Ordnungstherapie. Sie will, wie es der Name schon sagt, wieder Ordnung ins Leben bringen. Das heißt bei Stress, Stressauslöser durch Verhaltensänderungen wenn möglich abstellen, für feste regelmäßige Pausen sorgen und die Freizeit sinnvoll gestalten