Die gute Nachricht zuerst: Die Dorsche der Ostsee haben sich erholt und dürfen in diesem Sommer stärker befischt werden als im Vorjahr. Die schlechte Nachricht: Viele Fischarten stehen weiterhin vor dem Kollaps. Landen sie dennoch auf den Speisekarten der Fischrestaurants?

Hamburg. Ein Fischgericht ist nicht nur eine Frage des Geschmacks. Die Bestände vieler Fischarten sind bedroht - hier gerät der massenhafte Fang schlimmstenfalls zur Schicksalsfrage. Und bei manchen Fangmethoden leidet eine Vielzahl von Meeresbewohnern. Verbraucher, die Fisch mit gutem Gewissen genießen wollen, finden Orientierung, wenn sie die Tiere selbst einkaufen: Der Einzelhandel bemüht sich verstärkt, die notwendigen Informationen, etwa über Fanggebiete, zu liefern; verschiedene Ratgeber, etwa die Fischführer von WWF und Greenpeace, helfen bei der Bewertung. Sehr viel unklarer ist die Situation in der Gastronomie.

Das Hamburger Abendblatt machte den Test und bat drei Experten, die Speisekarten einer kleinen Auswahl von Fischrestaurants und -imbissen ökologisch unter die Lupe zunehmen: Iris Menn von Greenpeace, Catherine Zucco vom WWF und Prof. Reinhold Hanel vom Institut für Fischereiökologie im Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut. Während die Vertreterinnen der Umweltverbände nur wenige der gelisteten Fischarten zum Verzehr empfehlen, ist die Einschätzung des Fischereibiologen Hanel deutlich positiver: "Auf den Speisekarten stehen vorwiegend regionale Gerichte und wenig Exoten. Das ist ein gutes Zeichen."

Manche Fische tauchen in der Gastronomie sehr häufig auf. Dazu gehört der Zuchtlachs . Catherine Zucco kritisiert: "In der Aquakultur werden sehr viele Fische in den Käfigen gehalten. Sie haben wenig Bewegungsfreiheit, und es werden - in unterschiedlichem Umfang - Pestizide und Antibiotika eingesetzt. Zudem verschmutzen Abfälle und Fischkot das Meer. Die Umweltstandards der Aquakulturen sind unterschiedlich anspruchsvoll, Schottland und Norwegen liegen im Mittelfeld."

Da Lachse Raubfische sind, müssen sie mit tierischem Eiweiß gefüttert werden. Das dafür eingesetzte Fischmehl und -öl verstärkt die Überfischung. Iris Menn rät deshalb vom Verzehr von Zuchtlachsen ab. Fischereiforscher Hanel sieht das weniger streng, empfiehlt jedoch Gastronomen und Verbrauchern, "öfter einmal Karpfen aus heimischer Zucht zu essen statt schottischen oder sonstigen Zuchtlachs, der über weite Wege transportiert wird".

Auch die (Kutter-)Scholle findet sich auf vielen Speisekarten. Iris Menn: "Die Schollenbestände sind nicht gesund. Aber noch problematischer ist die Fangmethode. Schollen werden mit Grundschleppnetzen gefangen, die am Meeresboden entlanggezogen werden, in der Nordsee meist mit schweren Baumkurren. Dabei gehen viele andere Bodenbewohner ins Netz, etwa Krebse, Seesterne, Muscheln, Jungfische. Der Beifanganteil der Schollenfischerei liegt bei 70 bis 80 Prozent." Die Nordseescholle werde nach Einschätzung des Internationalen Rats für Meeresforschung ICES nachhaltig gefischt, entgegnet Reinhold Hanel. Allerdings beziehen sich die Aussagen nur auf die Entwicklung des Schollenbestandes, nicht jedoch auf die Fangmethode.

Bei den Hering sgerichten monierten alle drei Experten die lückenhaften Angaben der Gastronomen zu den Fanggebieten. Die Heringe in Nord- und in der Westlichen Ostsee bekommen derzeit zu wenig Nachwuchs. "Stammen sie dagegen aus der Norwegischen See, kann man sie mit gutem Gewissen essen", so Catherine Zucco. Die Herkunftsbezeichnung "Nordostatlantik" ist jedoch zu ungenau, um den Unterschied erkennen zu können. Immerhin schneidet der Heringsfang mit Schleppnetzen im freien Meer ökologisch viel besser ab als die Fischerei am Meeresboden.

Genaue Herkunftsangaben fehlen auch beim Kabeljau . Iris Menn: "Die Bestände der Nordsee sind seit Jahrzehnten in schlechtem Zustand. Aber es gibt auch Kabeljau aus der Norwegischen See und aus der Barentssee. Den würde Greenpeace empfehlen, wenn er mit der Langleine gefangen wurde. Sie ist im Vergleich zu Schleppnetzen zielgenauer."

Alle drei Experten halten den Rotbarsch , den in unserem Check Stock's Fischrestaurant, Daniel Wischer und Gosch auf den Karten haben, für besonders kritisch: "Rotbarsche leben in der Tiefsee", erklärt Catherine Zucco, "sie wachsen sehr langsam, erreichen ein hohes Alter und pflanzen sich sehr langsam fort. Deshalb ist die Art empfindlich gegen Überfischung. Auch die Fangmethode ist problematisch: Die Grundschleppnetze zerstören zum Beispiel Kaltwasserkorallenriffe oder die Meeresfauna der Unterwasserberge."

Fischereiforscher Hanel verweist auf das ungenügende Wissen um die Biologie des Rotbarsches: "Allein die Unterscheidung der Arten und damit der bewirtschafteten Bestände ist wissenschaftlich umstritten." Die Tatsache, dass Daniel Wischer den Fisch als "Goldbarsch" anbietet, stieß einhellig auf Kritik. "Der Rotbarsch ist eine Art, die alle Umweltverbände kritisch sehen, vor dessen Genuss sie warnen. Die Verkaufsbezeichnung der Fischart sollte schon die korrekte Bezeichnung sein", fordert Iris Menn.

Die beiden großen Ketten Nordsee und Gosch sollten mit gutem Beispiel vorangehen, so Kollegin Zucco: "Das Unternehmen Nordsee hat 2008 angekündigt, dass es sich besonders verantwortungsvoll beim Einkauf verhalten und mehr Fisch aus nachhaltigen Quellen beziehen will. Das sieht man hier jetzt nicht. In der Praxis ist die Nachhaltigkeit noch nicht angekommen. Als große Restaurantkette könnte Nordsee wesentlich mehr tun. Auch Gosch ist ein großes Unternehmen, dessen Hauptgeschäft Fisch ist. Es müsste eigentlich bessere Herkunftsangaben machen können, als diejenigen, die uns vorliegen."

Für Iris Menn könnte ein Umdenken der Ketten Signalwirkung haben: "Gosch könnte die Botschaft einer nachhaltigen Fischerei wunderbar transportieren, wenn man überlegt, wie viele Leute in List auf Sylt am Hafen stehen und bei Gosch essen."