Forscher aus Kalifornien und Bonn haben erstmals die Körpertemperatur von pflanzenfressenden Dinosauriern bestimmt. Sie lag zwischen 36 und 38 Grad.

Bonn. Bewegten sich Dinosaurier überwiegend langsam und träge oder eher schnell? Das hängt entscheidend davon ab, ob die Riesenechsen wechselwarme oder gleichwarme Tiere waren. Forschern um Robert Eagle vom Caltech-Institut in Kalifornien und Thomas Tütken von der Universität Bonn ist es nun erstmals gelungen, die Körpertemperatur von zwei Sauropoden, riesigen pflanzenfressenden Dinosauriern, zu bestimmen. Durch Analysen des Zahnschmelzes der Tiere fanden die Forscher heraus, dass die Urzeit-Giganten etwa genauso warm waren wie der Mensch und viele Säugetiere heute. "Wir haben gewissermaßen ein Thermometer in ein Tier gesteckt, das vor 150 Millionen Jahren ausgestorben ist", sagt Robert Eagle, Erstautor der Studie, die heute in der Online-Ausgabe des Magazins "Science" veröffentlicht wird.

Dinosaurier sind lange als wechselwarme Tiere angesehen worden, weil sie wie Eidechsen oder Krokodile zu den Reptilien zählen. Die Körpertemperatur dieser Tiere entspricht meistens nahezu der Umgebungstemperatur. Ist es kalt, können sie sich nur langsam bewegen; je wärmer es wird, desto agiler werden sie. Dagegen halten gleichwarme Tiere wie Säugetiere oder Vögel auch bei Kälte ihre Körpertemperatur konstant, indem sie permanent Nahrung verbrennen.

Verfügten die Dinosaurier auch über eine solche innere Heizung? Knochen und Zähne - mehr ist von urzeitlichen Tieren wie Dinosauriern nicht übrig. Doch die Zusammensetzung und der Zustand der harten Komponenten haben Forschern schon vieles verraten: wovon sich die Riesenechsen ernährten, welche Feinde sie hatten, mit wem sie kämpften. Als bessere Quelle erwiesen sich aber die Zähne, denn "die ursprüngliche chemische Zusammensetzung des Zahnschmelzes ist deutlich besser erhalten als die von Knochen der Dinosaurier", sagt Koautor Thomas Tütken. Der Bonner Geochemiker hat maßgeblich die Methode mitentwickelt, mit der das Forscherteam den Zahnschmelz untersuchte.

Zahnschmelz besteht aus Kalziumphosphat, das einen kleinen Anteil an Karbonat enthält, einer Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff. Von beiden Elementen gibt es eine schwerere und eine leichtere Variante, sogenannte Isotope. Das schwere Isotop des Kohlenstoffs (13 C) und das des Sauerstoffs (18 O) sind allerdings nur zu einem extrem geringen Teil im Zahnschmelz enthalten - im Schnitt nur in 45 von einer Million Teilen. "Deshalb benötigten wir pro Messung etwas mehr als ein Zehntel Gramm Zahnschmelz, der bei Dinosaurierzähnen oft deutlich dünner als ein Millimeter ist", sagt Tütken.

Wie häufig 13 C und 18 O in Dinosaurierzähnen eine Verbindung eingingen, sei von der Temperatur abhängig gewesen, bei der der Schmelz im Körper entstand, erläutert Tütken. Je wärmer es bei der Bildung des Zahnschmelzes war, desto seltener gingen die beiden schwereren Isotope eine Bindung ein. "Diesen Zusammenhang nutzen wir für das Thermometer, mit dem wir die Körpertemperatur auf etwa zwei Grad genau bestimmen können", sagt Tütken.

Die Forscher untersuchten Zähne, die in den US-Bundesstaaten Wyoming und Oklahoma und in Tansania gefunden wurden und von zwei der größten Landtiere stammen, die je auf der Erde existierten: dem bis zu 20 Meter langen und 15 Tonnen schweren Camarasaurus und dem Brachiosaurus, der bis zu 23 Meter lang und 40 Tonnen schwer wurde. Diese pflanzenfressenden Riesenechsen lebten vor rund 150 Millionen Jahren in der Jurazeit (die letzten Dinosaurier starben vor 65 Millionen Jahren aus). Das Ergebnis der Untersuchung: Der Camarasaurus aus Amerika hatte eine Körpertemperatur von 35,7 Grad, der Brachiosaurus aus Tansania von 38,2 Grad.

In einer früheren Studie hatten die Forscher mit der gleichen Methode Mammuts auf den Zahn gefühlt. Die Isotopenmessung im Zahnschmelz eines vor 30 000 Jahren am Rheinufer gestorbenen Tieres ergab 39,1 Grad Celsius. Bei einem zweiten Tier, das damals in der Region der heutigen Nordsee lebte, bestimmten die Forscher eine Temperatur von 36,8 Grad. Eine Vergleichsmessung bei einem indischen Elefanten, dem engsten heute lebenden Verwandten des Mammuts, ergab eine Körpertemperatur von 36,9 Grad.

Etwa so warm wie Mammuts und heutige Säugetiere waren auch der Camarasaurus und der Brachiosaurus. Doch deshalb ist noch längst nicht sicher, dass Dinosaurier gleichwarme Tiere waren. Zwar gäben die Messdaten eindeutige Hinweise darauf, dass die Körpertemperatur der beiden Sauropoden deutlich höher und stabiler war als die Umgebungstemperatur, sagt Thomas Tütken. Allerdings könnte dies auch durch die enorme Größe der Riesenechsen zu erklären sein: Eine große Körpermasse hält die Temperatur sehr gut konstant.

Deshalb wollen die Forscher mit ihrem "Zahnthermometer" als Nächstes kleinere Dinosaurier untersuchen. Denn diese konnten Wärme wegen ihrer im Vergleich zum Körpervolumen großen Körperoberfläche nicht so gut speichern.