Vielen Menschen schmeckt alkoholfreies Bier nicht. Wie bekommt man Aroma hinein? Die TU Berlin glaubt, das Rezept gefunden zu haben.

Berlin/Hamburg. "Fade im Geschmack", "bittere Plörre" oder einfach nur "igitt" - die Urteile waren wenig schmeichelhaft. 17 alkoholfreie Biere hatten die Tester des Männermagazins "Men's Health" gekostet, geschmacklich überzeugend fanden sie allerdings nur wenige Sorten. Das scheint vielen Hobby-Biertrinkern ähnlich zu gehen: Der Marktanteil von alkoholfreien Biersorten liegt in Deutschland unter fünf Prozent.

Durch wissenschaftliche Expertise könnte sich die Situation nun verbessern: Wissenschaftler vom Bereich Brauwesen an der Technischen Universität (TU) Berlin haben ein Bier kreiert, das zwar nur 0,2 und 0,4 Volumenprozent Alkohol aufweist, dennoch "frisch und vollmundig" schmecken soll, mit einer "markanten Bitternote". Am 1. April soll es auf den Markt kommen, produziert von der Hamburger Brauerei Holsten, mit der die TU kooperiert.

Fast drei Jahre lang haben die TU-Forscher getüftelt, um ein prinzipielles Problem zu lösen: Die Aroma-Stoffe, die dem Bier seinen typischen Geschmack verleihen, entstehen nur während der alkoholischen Gärung, wenn Malzzucker durch Hefe zu Alkohol vergoren wird. Und der Alkohol fungiert als Geschmacksträger. Bei alkoholfreien Bieren wird die Gärung vorzeitig gestoppt. "Deshalb schmecken sie oft nach einem Zwischenprodukt der Bierproduktion, der Würze", sagt Professor Frank-Jürgen Methner, Leiter des Fachgebiets Brauwesen an der Berliner TU. Er hat mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Thomas Kunz und Studenten das Verfahren entwickelt, bei dem mit wenig Alkohol viel Aroma entstehen soll.

Zu den Details mag sich Methner wegen eines "Geheimhaltungsabkommens" mit Holsten allerdings nicht äußern, die Technologie sei jedoch nicht revolutionär, sie beruhe auf einem der herkömmlichen Verfahren zur alkoholfreien Bierherstellung. Das Geheimnis liegt wohl im Detail: Um ihr Bier schmackhaft zu machen, experimentierten die TU-Wissenschaftler bei der alkoholischen Gärung mit einer speziellen Kombination aus Hefestämmen und Milchsäurebakterien.

Weil Hefe nicht gleich Hefe sei und das "Aromaausbildungsvermögen" je nach Hefestamm stark schwanke, hätten sie über 300 verschiedene Stämme getestet, erzählt Methner. An wie vielen gebrauten Proben sie geschnuppert und wie viele sie verkostet haben, will er nicht beziffern können, nur so viel: "Es waren eine Menge." Wer jetzt allerdings an ein feuchtfröhliches Laborgelage denke, liege natürlich völlig falsch angesichts eines (fast) alkoholfreien Getränks, sagt Methner: "Es ging niemand betrunken vom Hof." Und davon mal abgesehen: "Sensorik ist eine sehr ernsthafte Sache."

Die Auftraggeber aus der Wirtschaft sind jedenfalls zufrieden mit dem Produkt: "Geschmacklich und olfaktorisch kann es sich mit einem vollwertigen Bier messen. Es riecht bierig und hopfig ohne die störenden Würzegerüche", sagt Olaf Rauschenbach, Leiter der Abteilung Qualitätssicherung der Holsten Brauerei AG in Hamburg. Freuen dürfte Holsten auch ein weiterer Fortschritt, den die TU-Forscher erreicht haben wollen: Mit den von ihnen verwendeten Hefepilzen und Milchsäurebakterien ende die alkoholische Gärung bereits nach drei bis vier Tagen auf natürliche Weise. Normal seien fünf bis sieben Tage.

Der Einsatzbereich des neuen alkoholfreien Bieres? Professor Methner sieht viele Gelegenheiten. Ideal sei das Getränk zum Beispiel für Konferenzen: "Warum immer Wasser und Apfelsaft? Es darf doch auch mal eine Alternative sein." Besonders für gesundheitsbewusste Menschen und sogar für Sportler sei das neue Bier geeignet, enthalte es doch "lebensnotwendige Vitamine, Mineralien, Aminosäuren und Pflanzenstoffe, die entzündungshemmend und krebsvorbeugend wirken", sagt Methner.

Nun werden die Kunden entscheiden. Dass Alkoholfreies gleich zu einem Siegeszug durch Konferenzsäle und Kneipen ansetzen wird, ist dennoch vorerst zweifelhaft; zu stark wirken womöglich noch die Tradition und das Beharrungsvermögen der Bierfraktion.

Die bierbegeisterten Studenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg, die seit dem Jahr 2003 ihre "Campusperle" brauen (damals noch im Würstchenkocher, heute im Sudhaus), haben sich jedenfalls noch nicht mit der Herstellung eines alkoholfreien Biers beschäftigt.

Doch auch sie tüfteln an geschmacklichen Verbesserungen: "Aktuell sind wir in den Vorbereitungen für eine eigene Hefezucht", sagt ihr Sprecher Markus Zeitler. "Außerdem bereiten wir den zweiten internationalen Brauwettbewerb für Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter vor, den wir im September in Berlin durchführen werden." Bei der ersten Runde waren ausschließlich alkoholhaltige "Vollbiere" am Start. Na dann, prost!