Viele Neugeborene haben eine Gelbsucht. Klingt sie nach drei Tagen nicht ab, kann eine seltene Fehlbildung die Ursache sein.

Aus dunklen Augen blickt Phil neugierig auf die Besucher und nuckelt an seinem Schnuller. "Er ist sein sehr fröhliches Kind und fängt jetzt an zu brabbeln", sagt seine Mutter Carolyn Delahon. Doch neben den lebhaften Bewegungen des kleinen Jungen fällt auch ins Auge, wie schmächtig er ist und wie unnatürlich gelb seine Hautfarbe. Phil ist erst drei Monate alt - und braucht dringend eine neue Leber.

Der kleine Junge leidet an einer seltenen angeborenen Fehlbildung, bei der die Gallengänge, über die die Galle aus der Leber in den Darm abfließt, komplett verschlossen sind, Mediziner sprechen von einer sogenannten Gallengangsatresie. Die Galle ist für die Entgiftung von verschiedenen Substanzen in der Leber zuständig und spielt eine wichtige Rolle für die Verdauung von bestimmten Nährstoffen im Darm. "Wenn die Galle nicht abfließen kann, staut sie sich in der Leber zurück und durch die Giftstoffe, die nicht mehr ausgeschieden werden, geht Lebergewebe zugrunde. Die Schädigung der Leber kann so massiv sein, dass die Kinder schon bei der Geburt eine Leberzirrhose haben. Und wenn keine Galle mehr in den Darm gelangt, nehmen die Kinder auch bestimmte Nährstoffe wie Fette nicht mehr auf, die Kinder wachsen und gedeihen nicht", erklärt Kinderarzt Prof. Rainer Ganschow aus dem Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Eppendorf, der dort für die Betreuung von Kindern nach Lebertransplantationen verantwortlich ist.

Die Erkrankung zeigt sich in der Regel in den ersten Tagen nach der Geburt dadurch, dass die Kinder eine zunehmende Gelbsucht bekommen.

"Die normale Gelbsucht bei Neugeborenen klingt nach drei Tagen ab. Wenn sie danach aber bestehen bleibt und immer mehr zunimmt, muss man an eine Gallengangsatresie denken", sagt Ganschow. Bei den Laboruntersuchungen finden sich dann typische Veränderungen im Blut, ebenso auf dem Ultraschallbild der Leber.

Wenn man die Gallengangsatresie nicht behandelt, nehmen die Kinder an Gewicht ab, die Gelbsucht wird immer stärker und sie leiden unter starkem Juckreiz. In ihrem Bauch sammelt sich Wasser, die giftigen Substanzen können zu einer Hirnschädigung führen und schließlich stirbt das Kind am Leberversagen.

Deswegen ist für diese Kinder eine Lebertransplantation lebensrettend, durch ein Stück Lebergewebe von einem Verwandten (Lebendspende) oder vom Spenderorgan eines Verstorbenen (Fremdspende). Von den 100 Kindern pro Jahr, die in Deutschland eine neue Leber bekommen, leidet etwa die Hälfte an einer Gallengangsatresie.

Auch bei Phil wurde nach einem geeigneten Verwandten für die Lebendspende gesucht. Aber niemand kam infrage. Zwei Verwandte hatten zwar die gleiche Blutgruppe, aber ihr linker Leberlappen, der in solchen Fällen entnommen wird und die kranke Leber des Kindes ersetzen soll, war für den kleinen Körper des Säuglings zu groß.

Um Zeit zu gewinnen, bis ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht, hatten die Kinderchirurgen versucht, bei dem Kind eine Operation durchzuführen, bei der eine Art Kurzschluss zwischen der Leber und dem Darm gelegt wird. Dabei wird eine Dünndarmschlinge mit der Leber verbunden, sodass die Gallenflüssigkeit unter Umgehung der Gallengänge direkt abfließen kann. Aber diese Operation war bei Phil leider nicht möglich.

"Jetzt können wir nur noch darauf warten, dass möglichst schnell ein geeignetes Spenderorgan über die Fremdspende gefunden wird", sagt Prof. Björn Nashan, Leiter der Klinik für Hepatobiliäre Chirurgie und Transplantation. Dieses Teilstück der Leber muss anatomisch passen: Der linke Leberlappen, der dafür benötigt wird, darf nicht zu groß und nicht zu klein sein. Kind und Spender müssen die gleiche Blutgruppe haben, weitere Gewebemerkmale müssen nicht übereinstimmen.

Spenderorgane werden über die zentrale Organisation Eurotransplant im niederländischen Leiden vermittelt.

Dort tritt ab dem 1. Dezember eine neue Regelung in Kraft, nach der Kindern auf der Warteliste ein weiterer Bonus eingeräumt wird, sodass sie auf eine bessere Position rücken. "Dadurch hoffen wir, dass wir Phil noch in diesem Jahr eine neue Leber transplantieren können", sagt Nashan.

Wenn das gelingt, könnte der kleine Junge nach seinem schwierigen Start ins Leben ein fast normales Leben führen. "95 Prozent der Kinder haben nach der Lebertransplantation ein völlig normales Leben, mit zwei Einschränkungen. Sie müssen ständig Medikamente nehmen, um die Abstoßungsreaktion ihres Immunsystems gegen das fremde Organ zu unterdrücken, und in gewissen Abständen zur Kontrolle zum Arzt gehen", erklärt Ganschow.

Bis dahin wird Phil liebevoll umsorgt und immer wieder mit Infusionen aufgepäppelt, damit sein kleiner Körper den Strapazen standhält. Doch den Juckreiz, der ihn immer wieder quält, kann kein Medikament stillen. Da bleibt nur, die kleinen Händchen durch Fäustlinge am Kratzen zu hindern, und viel mütterliche Fürsorge. Mutter Carolyn ist zuversichtlich und vertraut darauf, dass für ihren kleinen Sohn bald eine neue Leber gefunden wird und das bange Warten ein Ende hat.

Weitere Informationen: Die Informationsbroschüre "Die Lebertransplantation im Kindesalter" für Eltern und Patienten kann unter der E-Mail-Adresse kinder.ltx@hamburg.de angefordert werden.