Skepsis wegen des neuen “Wirkverstärkers“. Experten sagen: Die normale Grippe ist derzeit die viel gefährlichere Krankheit.

In etwa drei Wochen soll die größte Impfaktion, die Deutschland je erlebt hat, starten: der Schutz gegen die Schweinegrippe. Aber niemand weiß, wie viele Menschen sich wirklich impfen lassen - und wie riskant die Impfung ist.

Wer in diesen Tagen seinen Hausarzt fragt, ob er sich impfen lassen soll, erhält als Antwort oft ein Achselzucken. Denn inzwischen mehren sich auch unter den Medizinern die kritischen Stimmen. Zwar wird nicht offen zu einem Impf-Boykott aufgerufen. Doch hinter vorgehaltener Hand verweisen vor allem viele Praxisärzte auf jene Fragen, die auch die Experten letztlich nicht zufriedenstellend beantworten können: Ist der Impfstoff ausreichend auf mögliche Nebenwirkungen getestet? Ist die Impfung überhaupt erforderlich, wenn die Krankheitsverläufe weiterhin so harmlos bleiben wir bisher?

So wird hierzulande ein Impfstoff genutzt, der einen sogenannten Wirkverstärker ("ASO3") enthält, der bisher in keinem handelsüblichen Impfmittel verwendet worden ist. Löst dieser Zusatzstoff möglicherweise unkalkulierbare Nebenwirkungen aus? Warum wurde überhaupt ein Wirkverstärker eingesetzt?

Offensichtlich wurde der Zusatzstoff auch benötigt, um die politisch vorangetriebene Herstellung der großen Mengen Impfstoff weiter zu beschleunigen. Ebenso könnten auch wirtschaftliche Interessen damit verknüpft seien, vermutet der ärztliche Informationsdienst "Arznei-Telegramm". Von sieben Euro Kosten pro Dosis (plus Mehrwertsteuer) entfielen sechs Euro auf diesen Wirkverstärker, der es ermöglicht, die Antigen-Bestandteile im Impfstoff gering zu halten. "Überteuert und riskant", nennt der als kritisch bekannte Medizindienst deshalb den Impfstoff gegen die Schweinegrippe.



So weit gehen die meisten Mediziner nicht. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Bedenken über die Sicherheit des Impfstoffs zerstreut. Nur bei vier von 39 000 Geimpften in China seien Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Muskelkrämpfe aufgetreten. Komplikationen könne es immer geben, dennoch bleibe die Maßnahme "die wichtigste Waffe im Kampf gegen die Schweinegrippe".


In den USA ist die Waffe schon im Einsatz. Dort wird seit dieser Woche ein in der Zusammensetzung anderer Wirkstoff eingesetzt. Er wird nicht in den Muskel gespritzt (wie in Deutschland und Europa), sondern über ein Spray in die Nase gesprüht. "Im Prinzip ist es egal, wie der Wirkstoff in den Körper gelangt", sagt der Hamburger Grippe-Experte und Lungenfacharzt Dr. Martin Ehlers. Eine Impfung mit Nasenspray statt durch eine Spritze gilt als Impfmethode der Zukunft. Mit ihr könnte vor allem Kindern und ängstlichen Erwachsenen die Scheu vor einer Spritze genommen werden.

Die "normale" Grippe ist viel gefährlicher

Die mit der Schweinegrippe-Impfung verbundene Unsicherheit ist allerdings schnell verflogen, wenn das Thema zur "normalen", der saisonalen Grippe wechselt. "Sie ist mit mehreren Tausend Toten allein in Deutschland in jedem Winter wesentlich gefährlicher als derzeit die Schweinegrippe", sagt der Lungenfacharzt Ehlers. Vor allem chronisch Kranke und Ältere sollten sich jetzt wieder impfen lassen. Der Schutz halte sechs Monate, "und in Hamburg geht die saisonale Grippe meist erst im Januar richtig los". Sein Fazit: "Die normale Grippe ist im Moment die gefährlichere Krankheit."

Die normale Grippeimpfung könnte sogar einen gewissen Schutz auch vor der Schweinegrippe bieten. Darauf deutet eine Studie hin, die gestern von der Fachzeitschrift "British Medical Journal" veröffentlicht wurde. Die Autoren unter Leitung des mexikanischen Epidemieforschers José Luis Valdespino hatten festgestellt, dass von den gegen normale Grippe Geimpften weniger an Schweinegrippe erkrankten und, wenn es sie trotzdem traf, die Schweinegrippe bei ihnen seltener tödlich war.