Vom Anbau bis zur Entsorgung verfolgten Forscher den Weg von T-Shirts und Jacken. Verbraucher könnten die Emissionen senken.

Ein langärmliges weißes T-Shirt verursacht im Laufe seines "Lebens" einen Kohlendioxid-Ausstoß von etwa elf Kilogramm, das 50-fache seines Eigengewichts. Das zeigt ein Projekt des Beratungsunternehmens Systain, das im Auftrag des Otto-Konzerns den "CO2-Fußabdruck" von drei Textilien ermittelte. Neben dem sogenannten Longshirt wurden außerdem eine Damensweatjacke aus Baumwolle und eine Kinderstrickjacke aus Acrylfasern auf ihre Klimawirkungen gecheckt; beide lagen bei gut 13 Kilogramm CO2.

"Otto ist das erste Unternehmen, das eine wirklich umfassende CO2-Bilanz für einzelne Produkte erstellen ließ", lobt Dr. Rainer Grießhammer vom Öko-Institut, der die Studie fachlich überprüfte. "Es gibt zwar einzelne Hersteller, die bereits CO2-Bilanzen für Textilien machten, aber sie nutzten dafür nur allgemein zugängliche Durchschnittsdaten, etwa zu Emissionen von Färbereien, Nähereien und anderen Prozessschritten. Bei diesem Projekt besuchten die Systain-Mitarbeiter jeden Betrieb der Zulieferkette und erhoben die produktspezifischen Daten am Ort. Außerdem rechnet diese Studie die Gebrauchsphase mit ein."

Zwei große Posten bestimmen den CO2-Fußabdruck des Longshirts (100 Prozent Baumwolle, Größe 40-42): Die Herstellung trägt drei Kilogramm CO2 oder 28 Prozent zur Klimabelastung bei, die Gebrauchtphase sogar 3,3 Kilogramm CO2 (31 Prozent der Gesamtbelastung). Dagegen schlägt der Baumwollanbau nur mit zwölf Prozent zu Buche und verursacht damit weniger CO2 als die Abbildung des Longshirts im Versandkatalog, die verursacht 14 Prozent. Die restlichen 15 Prozent verteilen sich auf Transporte, Verpackungen und die spätere Entsorgung des aufgetragenen Shirts.

Sehr ähnliche Anteile ergeben sich für die Sweatjacke (Größe 40), die auch aus Baumwolle gefertigt worden ist. Sie schneidet etwas schlechter ab, weil sie schwerer ist und ihre Fuchsia-Farbe nur mit einem aufwendigen Färbeprozess zu erzielen ist.

Bei der Kinderjacke aus Acrylfasern (Größe 152) verhagelt dagegen der Rohstoff die Bilanz: Er macht gut 40 Prozent der Gesamtbelastung aus und lässt den Herstellungsprozess zum Hauptbelastungsfaktor werden. Das Jäckchen wird in China produziert, mit einem hohen Einsatz von Kohlestrom.

Vor allem bei den Baumwollprodukten zeigt sich der große Einfluss der Kundschaft auf die CO2-Bilanz. "Wir haben für die Gebrauchtphase angenommen, dass die Textilien 55-mal gewaschen werden", sagt Projektleiter Norbert Jungmichel von Systain Consulting, die ihren Hauptsitz in Hamburg hat. "Allein die Wahl der Waschtemperatur verändert die Bilanz deutlich. Wer mit 40 statt 60 Grad wäscht, reduziert die durch das Waschen bedingten Emissionen um 45 Prozent. Ebenso verursacht eine energieeffiziente Waschmaschine der Kategorie A++ etwa ein Drittel weniger Kohlendioxid als ein Durchschnittsgerät."

Der Einsatz von Bügeleisen und Trockner floss gemäß der durchschnittlichen deutschen Nutzungsquote in die Rechnung ein. Würde dagegen jedes Longshirt in den Trockner gesteckt und anschließend gebügelt, schösse der CO2-Ausstoß der Gebrauchsphase in die Höhe - von 3,3 auf 10,7 Kilogramm.

"Wir diskutieren derzeit mit Otto, wie wir unsere Kunden über diese Zusammenhänge informieren können", sagt Jungmichel. Von einer Kennzeichnung, die den CO2-Wert für die einzelnen Produkte angibt, hält Jungmichel nichts: "Die Datenerhebung ist viel zu aufwendig, um sie für Zehntausende von Produkten zu machen. Zudem unterliegen Textilien der Mode, das heißt, wir müssten ständig neue Bilanzen erstellen."

Beim Otto-Projekt war auch der Weg das Ziel. Jungmichel: "Wenn wir durch die Betriebe gegangen sind, haben wir unsere Partner auf Energieverschwendung hingewiesen, meist in den Bereichen Abwärme und Licht. Die Kooperationsbereitschaft der Zulieferer war generell groß." Sie ist auch nötig, um das Unternehmensziel der Otto-Gruppe, die Kohlendioxid-Emissionen des Unternehmens bis 2020 zu halbieren, zu erreichen.

Um die Klimabelastung zu senken, müsse sie erst einmal ermittelt werden, so Jungmichel, die CO2-Bilanzen leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Die anfallenden Emissionen durch Investitionen in fremde Klimaschutzprojekte zu kompensieren und auf diese Weise womöglich "klimaneutrale" Textilien anzubieten, halten beide Experten für schwierig. Rainer Grießhammer kann sich CO2-neutrale T-Shirts vorstellen, "wenn zunächst sauber bilanziert wird und dann das Unternehmen zuerst eigene Verbesserungen umsetzt, um den CO2-Ausstoß zu senken. Erst wenn das eigene Einsparpotenzial voll ausgeschöpft ist, sollten die restlichen Emissionen durch Projekte, die anerkannten Standards genügen, kompensiert werden."

Norbert Jungmichel ist noch skeptischer: "Der Begriff ,CO2-neutral' ist verwirrend und dient vor allem dazu, das eigene Gewissen zu beruhigen. Zudem ist die Bilanz von vielen Faktoren abhängig, auf die das Unternehmen wenig Einfluss hat, das zeigt auch unser Projekt." So könnten Wettbewerber etwa ihre CO2-Bilanz leicht schönrechnen, indem sie für ein Baumwoll-T-Shirt nur 30 statt 55 Waschgänge während der Gebrauchsphase ansetzen.

Dass Verbraucher eines Tages nach einem CO2-Wert einkaufen, hält der Umweltexperte ohnehin für unwahrscheinlich: "Wer die Wahl zwischen einem weißen und einen grauen T-Shirt hat, wird wohl nicht deshalb das weiße wählen, weil der CO2-Fußabdruck aufgrund der weniger aufwendigen Färbung etwas kleiner ist. Am Ende könnte sich das Verhältnis während des Gebrauchs auch noch umkehren. Schließlich wäscht man weiße T-Shirts meist häufiger als graue."