Fünfundsechzig Prozent aller Spenderorgane in China stammen aus den Todestrakten der Gefängnisse. Menschenrechtler sind schockiert.

Diese Bilanz lässt gruseln: Fünfundsechzig Prozent der Spenderorgane in China stammen aus den Todestrakten der Gefängnisse. Vermutungen darüber gab es seit Jahren. Jetzt herrscht Gewissheit, denn die staatliche Zeitung "China Daily" hat erstmals bestätigt, dass die meisten der landesweit transplantierten Organe hingerichteten Gefangenen entnommen werden.

Zitiert wurde in dem Blatt Huang Jiefu, der stellvertretende Gesundheitsminister, der kritisch anmerkte, es handele sich bei den zum Tode Verurteilten "nicht um eine angemessene Quelle". Allerdings hätten die Häftlinge zuvor ihr schriftliches Einverständnis dazu gegeben.

Aber was ist eine solche Erklärung wirklich wert? Für den Asienreferenten Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker ist die in China übliche Praxis eine "Leichenschändung, kein Kavaliersdelikt, sondern eine skandalöse Verletzung der Grundrechte".

Die Organisation in Göttingen bezieht sich auf Indizien, die darauf hindeuteten, dass nicht nur die Leichen hingerichteter Gefangener systematisch für den Organhandel missbraucht, sondern dass auch gezielt Gefangene "auf Bestellung" getötet worden seien. Das Ziel: lebenswichtige Organe wie Herz, Nieren oder Leber zu beschaffen. Die chinesische Regierung müsse Maßnahmen gegen eine solche Praxis ergreifen.

Um in Zukunft Missbrauch mit dem Handel von Organen zu verhindern, hätten das Rote Kreuz und das chinesische Gesundheitsministerium, so heißt es in dem Zeitungsbericht weiter, am Dienstag ein neues Organspendesystem eingeführt. Hier sollen mögliche Spender und Empfänger miteinander in Verbindung gebracht werden. Auch eine öffentliche Warteliste ist geplant, um die Transparenz zu verbessern. Konkrete Einzelheiten sind aber noch nicht bekannt.

Nach offiziellen Angaben warten 1,5 Millionen Chinesen auf ein Spenderorgan, doch werden jährlich nur 10 000 Transplantationen im Land vorgenommen.

Die meisten Chinesen haben traditionell Vorbehalte gegen eine Entnahme von Organen nach ihrem Tod, auch wenn dadurch andere Menschen gerettet werden können. Nach konfuzianischer Überlieferung soll der Körper eines Toten aus Achtung vor den Vorfahren unversehrt bleiben. So verweigern die meisten Chinesen eine Organspende. Der illegale Organhandel ist daher zu einem lukrativen Geschäft geworden.

Die chinesische Regierung hat bereits mehrere Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Organhandels ergriffen. So wurden unter anderem Spenden von lebenden Menschen verboten, die mit dem Empfänger nicht verwandt oder sonst wie gefühlsmäßig verbunden sind.

In China werden mehr Häftlinge als in irgendeinem anderen Land der Erde hingerichtet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schätzte die Zahl der Hingerichteten auf mindestens 1718 im vergangenen Jahr. Offizielle Zahlen liegen nicht vor. (cri, AP, dpa)