Rund 14 000 Experten diskutierten neue Erkenntnisse zu Rheumaerkrankungen auf dem europäischen Kongress in Kopenhagen.

Plötzliche Kopfschmerzen können auch durch Rheuma entstehen. Diese Erkrankung, die rheumatische Entzündung der Schläfenarterie, war auch Thema auf dem europäischen Rheumakongress in Kopenhagen. Dort trafen sich kürzlich 14 000 Experten, um die neuesten Entwicklungen in der Rheumatologie zu diskutieren. Mit dem Hamburger Rheumatologen Dr. Peer Aries sprach das Abendblatt über die wichtigsten Ergebnisse.

Die rheumatische Entzündung der Schläfenarterie, Arteriitis temporalis, trifft vor allem Menschen ab dem 50. Lebensjahr. Die Schläfenarterie ist druckschmerzhaft oder geschwollen, die Betroffenen können Schmerzen beim Kauen haben, fühlen sich krank, abgeschlagen, schwitzen nachts und nehmen an Gewicht ab. Am meisten wird befürchtet, dass die Augen in Mitleidenschaft gezogen werden. "Ist die Schläfenarterie entzündet, besteht das Risiko, dass die Entzündung auch die Arterien der Augen betrifft", so Dr. Peer Aries. Die Patienten bemerken das an plötzlichen Sehstörungen wie zum Beispiel Doppelbildern. Im Extremfall können sie sogar erblinden. Als Therapie der Wahl gilt immer noch Cortison. Meistens benötigen die Patienten anfänglich 40 bis 60 Milligramm am Tag. Unter dieser Therapie sollten die Schmerzen schlagartig rückläufig sein.

"Wir sind dabei in einer medizinischen Zwickmühle", so Aries. "Wir wissen zwar, dass die Erkrankung meistens ein bis zwei Jahre aktiv ist. Aber die höhere Cortisontherapie über diesen Zeitraum geht mit einem deutlich erhöhten Risiko für Infektionen einher, wie wir in Kopenhagen anhand einer neuen Studie eindrucksvoll demonstriert bekommen haben."

Deshalb wird intensiv nach Faktoren gesucht, die es ermöglichen vorherzusagen, ob ein Patient eine aggressive Verlaufsform der Erkrankung hat, die voraussichtlich einen längeren und höheren Einsatz von Cortison nötig macht. "Solche Patienten wollen wir frühzeitig erkennen und auf ein Ersatzmedikament für das Cortison einstellen, zum Beispiel auf das Methotrexat", sagt der Rheumatologe. Dieses ist bei der Arteriitis temporalis das einzige nachweislich effektive Ersatzmedikament, das aber erst nach sechs bis acht Wochen seine volle Wirkung entfaltet. Mit diesem Medikament schaffen es die Rheumatologen zumeist, selbst bei Patienten mit schweren Verlaufsformen das Cortison auf eine niedrigere Dosis zu reduzieren oder manchmal auch ganz zu ersetzen.

Faktoren, mit denen der Verlauf der Erkrankung besser vorhersagbar wird, spielen auch beim Gelenkrheuma, wie der rheumatoiden Arthritis, eine immer wichtigere Rolle. "Wir haben heute viele sehr gute und effektive Medikamente, wir müssen sie nur noch besser einsetzen." Noch immer müssen Patienten heute häufig mehrere Medikamente ausprobieren, bis sie das für sie beste Medikament mit guter Wirkung und ausreichender Verträglichkeit finden.

Anhand von Prognosefaktoren versuchen die Ärzte nun, nicht nur den Verlauf der Erkrankung vorherzusagen, sondern auch die Chance für ein Ansprechen auf die bestimmte Therapie im Vorfeld einzuschätzen. "Als Prognosefaktoren zählen wir heute zum Beispiel die Dauer bis zum Therapiebeginn, die Anzahl der entzündeten Gelenke oder verschiedene Laborwerte." In diesem Zusammenhang wurde auf dem Kongress erneut deutlich, "dass Rauchen unter bestimmten Voraussetzungen den Verlauf der Erkrankung signifikant verschlechtern kann", berichtet Aries.

Eine weitere Studie, die auf dem Kongress präsentiert wurde, untersuchte das Risiko für eine Herz-Kreislauferkrankung bei Rheumapatienten. Dabei zeigte sich, dass in der Zeit zwischen Auftreten der Rheumaerkrankung und der Diagnose das Risiko für einen Herzinfarkt nicht erhöht ist, sich aber in den ersten zehn Jahren ab Diagnosestellung verdoppelt. "Das liegt wahrscheinlich nicht nur an der Erkrankung, sondern auch an den Medikamenten, wie zum Beispiel dem Cortison, das nicht selten eine Erhöhung des Blutzuckers und der Blutfette zur Folge hat", erklärt der Rheumatologe.

Ein weiterer Schwerpunkt auf dem Kongress war die Gelenkentzündung bei der Schuppenflechte, die auch als Psoriasis bezeichnet wird. Bis zu 30 Prozent dieser Patienten haben das Risiko, zusätzlich zu ihrer Hauterkrankung noch eine sogenannte Psoriasis-Arthritis zu bekommen, eine Entzündung der Gelenke, der Wirbelsäule oder auch der Sehnenscheiden. Mittlerweile werden zunehmend Patienten mit Schuppenflechte mit einer noch relativ neuen Gruppe von Medikamenten behandelt, den sogenannten Biologica, die sehr gezielt in den Entzündungsprozess eingreifen. "Es hat sich gezeigt, dass diese Biologica nicht nur bei den Gelenkentzündungen sehr effektiv sind, sondern auch in der Behandlung der Psoriasis inzwischen einen wichtigen Stellenwert haben", sagt Aries. So wurden mehrere Biologica in einer aktuellen Analyse miteinander verglichen, die deutlich machte, welche Medikamente dieser Gruppe bei welchen Symptomen am besten wirken.

"Generell haben heute wir die Möglichkeit, sehr differenziert für jeden Patienten individuell die Medikamente zusammenzustellen, die für ihn im Moment am besten sind. Diese Kombination müssen wir im Laufe der Erkrankung jedoch auch immer wieder an den aktuellen Zustand des Patienten anpassen", betonte Aries.