Auf der Jahrestagung der Kommission geht es um Fangquoten und Schutzzonen für die Tiere. Eine Hamburger Expertin fordert, Buckelwale vor Grönland nicht zur Jagd freizugeben.

Seit Jahren lähmt ein politisches Patt zwischen Walschützern und Walfängern die Diskussion um das Schicksal der Giganten der Meere. Heute treffen sich beide Seiten zur Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira. Experten erwarten keine große Bewegung bei den festgefahrenen Verhandlungen. Aber im Detail könnte das einwöchige Treffen Weichen für einzelne Walarten stellen. So befürchten Walschützer, dass Dänemark beantragt, an Grönlands Küste in den nächsten fünf Jahren je zehn Buckelwale abschießen zu dürfen.

Buckelwale sind für ihre schönen Gesänge bekannt und an vielen Küsten beliebte Objekte des Waltourismus. Die bis zu 15 Meter langen und 30 Tonnen schweren Tiere sind im Bestand gefährdet und beeindrucken die Beobachter mit imposanten Sprüngen, tauchen aus dem Meer auf, um Ausschau zu halten, schlagen mit ihrer Fluke (Schwanzflosse) auf das Wasser oder recken ihre mehrere Meter langen Flipper (Brustflossen) vor die Kameras.

"Bislang jagt Grönland die ebenfalls seltenen Finnwale. Aber die schmecken nicht so gut. Buckelwale sind leichter zu erjagen und wohl auch schmackhafter. Aber sie sind noch stärker gefährdet als die Finnwale, deshalb dürfen sie nicht zur Jagd freigegeben werden", fordert die Hamburger Walschützerin Petra Deimer, die seit vielen Jahren für Deutschland im wissenschaftlichen Ausschuss der IWC mitarbeitet.

Grönländische Walfänger töten trotz des seit 1986 bestehenden kommerziellen Fangverbots jährlich etwa ein Dutzend Finn- und bis zu 200 Zwergwale. Dies geschieht im Rahmen einer Ausnahmeregelung der IWC, nach der Ureinwohner (indigene Völker), die traditionell an ihren Küsten Wale zur Selbstversorgung jagen, dies auch weiterhin tun können - auf Grönland ist dies das Eskimo-Volk der Inuit.

"Dänemark missbraucht das Recht der Naturvölker auf indigenen Walfang", kritisiert die internationale Walschutzorganisation WDCS. "Das Walfleisch dient nicht nur zur Eigenversorgung, es wird auch in Supermärkten verkauft. Außerdem rechnet Grönland bei der Ermittlung seines Walfleischbedarfs nicht nur den Bedarf der Ureinwohner, sondern die Gesamtbevölkerung Grönlands und sogar die Touristen mit ein."

Vermutlich werden die Stimmen der 23 EU-Staaten, die Mitglieder in der IWC sind, bei der Abstimmung über den erwarteten dänischen Antrag entscheidend sein, so die WDCS. Die EU-Umweltminister legten im März einen "gemeinsamen Standpunkt" zur IWC-Konferenz fest. Er beinhaltet die "absolute politische Priorität der Verbesserung des Walschutzes" - die Buckelwale vor Grönlands Küsten könnten noch einmal davonkommen.

In einem weiteren Punkt sind sich die EU-Minister einig: Sie lehnen den wissenschaftlichen Walfang Japans ab. Unter dem Deckmantel der Wissenschaft werden jährlich allein im Südpolarmeer viele Hundert Zwergwale getötet, in der Saison 2008/2009 waren es 679 (plus ein Finnwal). Regelmäßig beschließen die IWC-Delegierten Resolutionen gegen diese Art der Forschung, die noch dazu in einem Walschutzgebiet stattfindet.

Hier erweist sich die IWC als ebenso zahnlos wie gegenüber dem zweiten großen Walfängerland Norwegen. Es hat formal Einspruch gegen das allgemeine Walfangverbot eingelegt und ist deshalb nicht daran gebunden. 2008 erlegten norwegische Walfänger auf 27 Schiffen insgesamt 535 Zwergwale. Zudem hat Island die Waljagd wieder aufgenommen (in diesem Sommer stehen 250 Zwerg- und Finnwale auf der Abschussliste), und an der koreanischen Küste werden alljährlich um die 100 Zwergwale als Beifang der Fischerei angelandet.

Das Töten geht trotz Fangstopp weiter - um diese unhaltbare Situation zu überwinden, gründete die IWC vor Jahren eine Arbeitsgruppe, die den Weg zu einem nachhaltigen Walfang weisen soll, der die Bestände nicht übernutzt. "Die Mathematik, wie bestandserhaltende Fangquoten für einzelne, noch häufigere Arten zu berechnen sind, gibt es längst. Aber an den Berechnungen lässt sich herumtricksen. Zudem sind sich die Mitglieder nicht einmal darüber einig, dass Wale, die durch Fischernetze, Schiffskollisionen oder andere menschliche Einflüsse getötet wurden, in die Berechnungen einfließen müssen. Schließlich reduzieren auch diese Abgänge die Bestände", sagt Volker Homes, Artenschutzexperte beim WWF.

Die Verluste durch Beifang und Schiffskollisionen sind riesengroß: Die IWC schätzte bereits vor fünf Jahren, dass alljährlich mehr als 300 000 Waltiere (Wale, Delfine, Tümmler) in Fischernetzen qualvoll verenden, weil sie sich verheddern und nicht mehr zum Atmen an die Wasseroberfläche kommen.

Petra Deimer hält auch bei der Frage des Bestandsmanagements einen Kompromiss zwischen Walschützern und -fängern auf der ehemaligen Walfänger-Insel Madeira (zwischen 1942 und 1982 wurden dort 5885 Pottwale erlegt) für unwahrscheinlich. Ansonsten könnte sie sich mit einem nachhaltigen Walfang, der diesen Namen verdient, anfreunden - "wenn dadurch deutlich weniger Wale sterben müssen als heute, dann wäre das ein Weg".