Eine Perspektive, aber unterschiedliche Weltsichten - von einer Astrologin, einem Astronomen, einem Theologen und einem China-Experten.

Das Jahr 1609 markiert einen gewaltigen Umbruch. Der italienische Himmelsbeobachter Galileo Galilei und der deutsche Himmelsphysiker Johannes Kepler stießen die Tür auf zu einer neuen Astronomie - und einer neuen Weltsicht. Der Blick durch das Fernrohr und ihre Berechnungen ließen keinen Zweifel: Nicht unsere Erde ist der Mittelpunkt, sondern die Sonne. Das war der wohl radikalste Umbruch in der Geschichte der Wissenschaften - und die Faszination der Sterne hat dadurch noch gewonnen.

Das zeigte sich beim 52. Hamburger Wissenschaftsforum mit 200 Besuchern, eingeladen von Abendblatt und NDR 90,3 ins Planetarium Hamburg. Erst die Sterne hätten ihn inspiriert zu fragen: "Woher komme ich?", "Wohin gehen wir?", "Wer bist du?", "Was ist der Mensch?", sagte Prof. Jörg Dierken, Systematischer Theologe an der Uni Hamburg. "Wir erleben uns beim Blick zu den Sternen in der Spannung, ganz klein zu sein und zugleich als Teil des großen Ganzen. Diese Spannung gibt Anlass, im Buch der Natur zu lesen, nach Orientierung zu suchen."

"Sterne faszinieren", so Planetariums-Direktor Thomas Kraupe, "weil wir Sternenkinder sind." Der Kosmos ist um uns, aber auch in uns. Wir bestehen aus dem Material des Kosmos. Jedes Atom in uns wurde im Innern der Sterne zusammengeschweißt. "Wir ahnen das und diese Urahnung beflügelt uns, die Verbindung zu den Sternen zu suchen. Wir erleben dabei, dass es etwas gibt, was weit größer ist als wir." Tatsächlich hätten wir es ohne die Sterne vermutlich nicht sehr weit gebracht in unserer Kulturgeschichte. "Die Sterne wiesen den Seefahrern den Weg und ermöglichten Handelsrouten über die Weltmeere - und sie erlaubten unseren Vorfahren, sesshaft zu werden."

Denn jede sesshafte Kultur musste Äcker bestellen und in der Lage sein, am Bild der Sterne auch den Rhythmus für den Anbau zu erkennen. "Die Macht der Sterne verleiht uns die Herrschaft über die Zeit, wir können einen Kalender aufstellen. Somit war es erst die Beobachtung der Sterne, die unsere kulturelle Entwicklung ermöglichte", so Kraupe. "Auch in China haben die Sterne, vor allem die Sonne, eine zentrale Rolle gespielt", sagte Professor Hans Stumpfeldt, China-Experte an der Uni Hamburg. "Denn der chinesische Kaiser galt als Ebenbild der Sonne." Der Gedanke der modernen Astronomie, der Kosmos sei in uns, "ist der Grundgedanke der chinesischen Astrologie, die ganz anderen Parametern folgt als die westliche Astrologie. Sie geht sogar so weit, dass 'in uns' auch bedeutet, dass bestimmte Planeten unseren inneren Organen entsprechen." Ihn hätten die Sterne früh verzaubert. Als Junge habe er seine Mutter verloren. Eines Abends habe seine Großmutter auf einen funkelnden Stern gedeutet und gesagt: "Dort ist deine Mutter." "Was meinen Sie, wie oft ich in den Himmel geguckt habe?" Dort entdeckte er später den Hasen im Mond - einen Mann im Mond kennen Chinesen nicht.

Der Sternenhimmel hat Kristine Biehl nicht zu ihrem Beruf als Astrologin geführt. "Ich habe selber mal den Wert einer astrologischen Beratung erfahren, und war begeistert, was mir über meine Persönlichkeitsstruktur, meine Talente, meine Fähigkeiten gesagt werden konnte", erzählte die Wirtschaftswissenschaftlerin und Lehrerin.

"Astrologie, wenn man sie richtig betreibt, ist ein Weg der Selbsterkenntnis. Die Planeten sind nur eine Beobachtungsebene und für eine Vorhersage wäre die Ebene austauschbar. Ich weiß, dass die Priester im alten Ägypten den Vogelflug beobachtet oder das Fressverhalten heiliger Hühner oder die Eingeweide geopferter Tiere. Der Astrologe erstellt eine Art Orakel. Die Kunst, das Talent des Astrologen, ist, dieses Orakel zu deuten. Die Frage sei aber, wandte Dierken ein: "Können wir heute aus dem Vogelflug bestimmte Orakel entnehmen und darauf Entscheidungen für unser oder für das politische Leben stützen? Oder tun wir nicht besser daran, andere Informationsquellen zu beschaffen, weil es neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse über den Kosmos gibt?" Zumal wir wüssten, dass der Kosmos mehr sei als die sichtbaren Planeten und deren Lauf im Tierkreis, auf den sich die Astrologen allein beziehen, ergänzte Thomas Kraupe. Dabei sei doch zu erkennen, dass wir im stürmischen Umfeld eines Sternes, der Sonne, leben. "Ohne die Macht allein dieses Sterns gäbe es uns auf der Erde nicht. Ebenso wenig ohne gewaltige Sternexplosionen der Supernovae."

"Wir sollten uns klar machen, dass Astronomie und Astrologie einmal ein Fach waren, und dass sie auf irgendeine Weise Geschwister sind", warb Professor Stumpfeldt. Doch darauf mochten sich nicht alle Podiumsteilnehmer verständigen. So blieb als Konsens, dass der Kosmos größer ist als wir, dass wir Teil des Kosmos sind und wir uns in der Ordnung des Kosmos befinden. Unstrittig war auch, dass es zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen gehört, diesen Zusammenhang zu beschreiben und zu deuten. Der Kosmos hat den Menschen hervorgebracht.

"Heute", so Kraupe, "werfen wir unsere Gedanken als Bilder und Weltbilder hinaus in den Kosmos, werfen Gleichnisse an den Himmel, weil wir unsere Stellung im Weltall erkennen wollen. Die Sterne sind uns dabei treue Freunde geworden - sie waren schon vor uns da und werden auch nach uns da sein - ja vielleicht sind sie die besten Freunde, die wir haben?"

Das Forum im Radio: 6. Juni, 19.05-20.00 Uhr, NDR 90,3, Abendjournal Spezial