Der Verstorbene kann 36 Stunden im Haus bleiben. Diese Zeit sollten Angehörige nutzen, raten Psychologen.

Der Tod kam plötzlich: Eva P. verlor ihre 22 Jahre alte Tochter durch einen betrunkenen Autofahrer. Für Ernst S. war der Tod das Ende des Leidens seiner schwer kranken Frau. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, werden wir von Schmerz, Trauer, Leere und Einsamkeit übermannt. Plötzlich müssen auch wir der Endlichkeit unseres eigenen Lebens ins Auge sehen.

Sterben gehört zum Leben, aber den Umgang mit dem Tod haben wir Menschen heute verlernt. Weder die Schule noch das Leben bereiten uns darauf vor. In TV, Internet und Computerspielen ist der Tod stets präsent, mehr noch: Er ist zu Unterhaltung und Spiel pervertiert. Die Menschen leben heute länger, und mancher 50-Jährige hat noch nie in seinem Leben einen Toten gesehen. Bis zum 20. Jahrhundert war der Tod integraler Bestandteil des Lebens. So gab es mit der Aussteuer bereits das Sterbehemd.

"In der modernen Gesellschaft unterliegt der Tod einer starken medizinischen, rechtlichen und bürokratischen Kontrolle", sagt Professor Norbert Fischer, Dozent am Historischen Seminar der Uni Hamburg. "Diese Bürokratisierung hat den Menschen ihren Tod aus den Händen genommen." Deshalb fehle es an konkreter Erfahrung und Sprache im Umgang mit dem Tod. So wurden Sterben und Tod unbegreiflich. Früher wuschen Verwandte und Nachbarn den Verstorbenen und bahrten ihn zu Hause auf. Man nahm in der Gemeinschaft Abschied. Heute wird der Tote möglichst schnell aus dem Bereich der Lebenden entfernt. Fremde Menschen erweisen ihm die letzten Dienste. "Der Umgang mit den Toten hat sich zu einer Angelegenheit für Bestatter, Techniker und Friedhofsbürokraten entwickelt", sagt Fischer. So sei aus einem einst rätselhaften, viel gedeuteten Mythos ein praktisches, delegierbares Problem geworden.

Sich ganz bewusst Zeit zu lassen beim Abschiednehmen ist bereits wichtige Trauerarbeit. 36 Stunden darf der Verstorbene im Haus verbleiben. "Diese Zeit gilt es für den Abschied zu nutzen", sagt Kerstin Gernig, Geschäftsführerin des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. Gernig betont auch die Wichtigkeit des Friedhofs als öffentlichen Orts der Trauer, "zu dem die Angehörigen hingehen, aber auch wieder weggehen können."

Psychologen raten Hinterbliebenen dazu, bewusst Trauer zuzulassen, sich mit dem erlittenen Verlust auseinanderzusetzen und sich wieder auf Trauerrituale zu besinnen, denn sie können Orientierung geben. Beim gemeinsamen Kaffeetrinken nach der Bestattung erinnert man sich an den Toten. Es ist zugleich ein Zeichen, dass das Leben weitergeht. Kondolenzpost, ein mit Tinte geschriebener Brief, kann mit einfühlsamen Worten Trost spenden. "Sie haben ihre Bedeutung nicht verloren. Viele Eltern hüten diese Briefe wie einen Schatz", sagt Anja Wiese, Trauerbegleiterin vom Verein Verwaiste Eltern und Geschwister. Auch andere Betroffene können in Selbsthilfegruppen Unterstützung bieten, denn Bekannte und Freunde sind häufig hilflos im Umgang mit dem Trauernden. Völlig ungeeignet sind Sätze wie "Jetzt hast du aber genug geweint" oder "Dein Leben geht weiter". "Außenstehenden steht es nicht zu, sich zu der Dauer und der Form der Trauer zu äußern", sagt Psychologin Annette-Susanne Hecker.