Eine innere Uhr lenkt die Lebensvorgänge des Menschen. Wenn sie aus dem Takt gerät, spielt der Körper nicht mehr mit: Konzentrationsstörungen oder Erschöpfungszustände drohen. Ein Blick in unsere Steuerzentrale.

Der Igel geht in den Winterschlaf, Dachse und Eichhörnchen begeben sich in der dunklen Jahreszeit zur Ruhe, und auch der Mensch schläft im Winter etwas länger als im Sommer. Die Ursache für solche Phänomene: "In jedem Lebewesen ticken mindestens eine, wenn nicht sogar mehrere innere Uhren", sagt Dr. Holger Hein, Internist und Schlafmediziner aus Reinbek.

Sie steuern biologische Rhythmen und sorgen dafür, dass Menschen, Tiere und Pflanzen möglichst gut an die äußeren Lebensbedingungen angepasst sind. Als Beispiel nennt Hein die Blütezeit der Pflanzen: "Pflanzen blühen nur zu einer bestimmten Zeit, und zwar dann, wenn auch Insekten unterwegs sind, um die Pflanzen bestäuben zu können. Außerdem blühen alle Pflanzen einer Art zur gleichen Zeit, damit sie sich gegenseitig bestäuben können. Also müssen sie eine ähnlich laufende innere Uhr haben, damit sie einen möglichst guten Reproduktionserfolg erzielen."

Solche inneren Zeitgeber können im Jahres-, Monats-, Halbmonats-, Tages- oder gar Stundenrhythmus laufen und werden über unterschiedliche Mechanismen beeinflusst. Die oberste Steuerzentrale beim Menschen ist eine bestimmte Region im Gehirn. "Der Beginn des Tages wird über das Auge an den sogenannten Nucleus suprachiasmaticus im Gehirn gemeldet, der dann die innere Uhr auf den Tagesverlauf eintaktet. Er sorgt auch dafür, dass andere innere Zeitgeber im richtigen Takt laufen", erklärt Hein.

Denn es gibt auch innere Uhren, die unabhängig vom Licht laufen und die Tageslänge bestimmen. "So hat man bereits in den 60er-Jahren herausgefunden, dass eine selbstständige innere Uhr die Tageslänge beim Menschen auf etwa 25 Stunden einregelt", so Hein. Durch zusätzliche äußere Zeitgeber wie Licht, Uhrzeit und soziale Anforderungen sind die Lebensvorgänge im Körper auf 24 Stunden eingestellt.

Dieser Tagesrhythmus, unter Fachleuten circadianer Rhythmus genannt, betrifft nicht nur den Schlaf-Wach-Rhythmus, sondern zum Beispiel auch den Blutdruck, der über Nacht absinkt und erst morgens mit dem Aufstehen wieder ansteigt, oder die Körpertemperatur, die morgens niedriger ist als am späten Nachmittag.

Im Idealfall durchläuft der Mensch alle Schlafphasen in 90 Minuten

Auch die Hormone, die den Stoffwechsel in unserem Körper regeln, unterliegen Tagesschwankungen. "Der Nucleus suprachiasmaticus sitzt in der Nähe der Hypophyse. Diese Drüse im Gehirn ist die Steuerzentrale für die Hormone in unserem Körper. Querverbindungen zwischen diesen beiden Hirnregionen sorgen dafür, dass etwa die Konzentration des Cortisols, das in der Nebennierenrinde gebildet wird, über Nacht absinkt und gegen Morgen wieder ansteigt, als Vorbereitung für den Tag."

Auch die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut ist morgens am höchsten. Direkt vom Licht beeinflusst wird das "Schlafhormon" Melatonin: Wenn es dunkel ist, wird in der Zirbeldrüse im Gehirn Melatonin produziert, und der Mensch wird müde. Sobald es wieder hell wird, wird die Produktion gestoppt, und man wird wieder wacher.

Das Grundprinzip für den Mechanismus der inneren Uhr ist immer gleich: "Es gibt vier verschiedene Gene, die in Abhängigkeit voneinander zu verschiedenen Zeiten aktiv werden. Zwei Gene führen dazu, dass zwei Proteine gebildet werden, die sich zusammenlagern. Dieses neue Molekül bewirkt dann, dass die anderen beiden Gene aktiv werden, die ebenfalls Proteine bilden, die sich miteinander verbinden.

Diese beiden Gegenspieler bleiben im Gleichgewicht, indem sie die Produktion des anderen Eiweißes hemmen, wenn dieses einmal eine bestimmte Konzentration im Blut erreicht hat."

Auch während der 24 Stunden laufen innere Uhren im Stundenrhythmus: "Im Idealfall durchläuft der Mensch alle Schlafphasen, also Leicht-, Tief- und Traumschlaf, innerhalb von 90 Minuten, und das mehrmals in der Nacht", so Hein. Auch dabei spielen äußere Einflüsse eine Rolle: "Menschen, die im heißen Klima leben, haben im Spätsommer, wenn die Temperatur am höchsten ist, weniger Traumschlaf. Der Grund dafür ist, dass in diesen sogenannten REM-Phasen die Temperaturregulation im menschlichen Organismus nicht so gut funktioniert. Das heißt, man kann schwerer Wärme abgeben und leichter überhitzen. Deswegen hilft der Körper sich selbst, indem er die Traumschlafphasen in dieser Zeit verkürzt", so Hein.

Ein anderes Beispiel: "Kleinkinder, die gerade laufen lernen, träumen sehr viel. Denn der Schlaf dient nicht nur zur Erholung, sondern auch dazu, Lernprozesse - insbesondere körperliche - im Gedächtnis zu verankern. Das heißt: Während die Kinder laufen lernen, spielen sie im Traumschlaf diese körperlichen Bewegungen durch, üben sie sozusagen trocken ein, denn im Traumschlaf kann sich der Mensch normalerweise nicht bewegen. Nach dieser Zeit des Laufenlernens wird der Traumschlaf bei den Kleinkindern deutlich weniger", sagt der Schlafmediziner.

Wer mit dem falschen Bein aufsteht, soll erst mal abwarten

Wenn die inneren Uhren mal nicht im Gleichklang laufen, kann sich das auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen, zum Beispiel durch Schlafstörungen oder Befindlichkeitsstörungen wie etwa Konzentrationsmängel, morgendliche Anlaufschwierigkeiten, Blutdruckprobleme am Morgen, Müdigkeit oder Erschöpfung.

Wer also mal einen schlechten Tag hat oder das Gefühl, mit dem falschen Bein aufgestanden zu sein, sollte sich nicht allzu sehr beunruhigen und erst einmal abwarten, bis die innere Uhr wieder richtig tickt.

Jüngste Erkenntnisse zur inneren Uhr, zu Bewegungsstörungen im Schlaf und Schlafstörungen bei Kindern präsentieren namhafte deutsche Schlafforscher auf einer Fachtagung, die am 13. Januar in Reinbek stattfindet. Anlass ist die offizielle Eröffnung des Schlaflabors am Krankenhaus Reinbek St.-Adolf-Stift.