Der WWF stellt am Dienstag seinen „Living Planet Report 2012“ vor, eine Art Gesundheitscheck für die Erde. Darin mahnt er die Lebensweise der Industrienationen an. Macht die Menschheit so weiter, würde sie laut WWF im 2030 zwei und im 2050 knapp drei Planeten benötigen.

Berlin. Vor dem Weltumweltgipfel in Rio kritisieren Umweltschützer den unverminderten Raubbau an der Natur. Die Menschheit verbrauche 1,5-mal so viel an natürlichen Ressourcen wie sich jährlich erneuern, sagte der Vorstand des WWF Deutschlands, Eberhard Brandes, in Berlin. Der WWF stellt am Dienstag seinen „Living Planet Report 2012“ vor, eine Art Gesundheitscheck für die Erde. Der Gipfel findet vom 20. bis 22. Juni in Rio statt, 20 Jahre nach dem Millenniumsgipfel in der brasilianischen Metropole.

Der WWF misst in seiner Studie alle zwei Jahre die Veränderung der Biodiversität und des menschlichen Konsums. Dabei wird der „ökologische Fußabdruck“ ermittelt. Dieser weist die Fläche aus, die eine Gesellschaft pro Kopf in Anspruch nimmt, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Im Jahr 2008 erreichte die ökologische Überbelastung WWF 50 Prozent. Macht die Menschheit so weiter, würde sie laut WWF im 2030 zwei und im 2050 knapp drei Planeten benötigen, um dem Grundsatz der Nachhaltigkeit zu entsprechen. Die Verantwortung tragen die wohlhabenden Staaten: Würde jeder in der Welt so leben wie ein US-Bürger, so wäre die Biokapazität von vier Planeten notwendig. Die Deutschen haben etwa den doppelten Bedarf des Weltdurchschnitts, bei einem Indonesier hingegen liegt der Wert nur bei 0,7.

Die weltweite Artenvielfalt war im Jahr 2008 um fast ein Drittel kleiner als im 1970, heißt es im „Living Planet Index“. In diesem Zeitraum ging die Zahl der Arten in den Tropen um über 60 Prozent zurück, für gemäßigte Zonen ergab sich dagegen eine Zunahme von 30 Prozent. Das sei ein gutes Zeichen, es gebe jedoch keinen Grund für Jubel, mahnt der WWF. Denn das bedeute nicht, dass der Zustand in diesen Zonen besser sei, lediglich der Ausgangspunkt sei niedriger gewesen: Während in den gemäßigten Zonen die Naturzerstörung im 1970 ihren Höhepunkt erreichte, setzte sie in den Tropen zu diesem Zeitpunkt erst ein.

In ihrem Report ruft die Umweltorganisation unter anderem dazu, die Vernichtung von Wäldern bis 2020 zu stoppen, den Anteil erneuerbarer Energien im globalen Energiemix bis 2030 auf 40 Prozent zu steigern, Konsumgewohnheiten zu ändern sowie die Umweltkosten der Produktion in Bilanzen von Unternehmen und in die Preise einzubeziehen.

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Alle zwei Jahre beschreibt der WWF in seinem Report, wie es um die Lebensräume Meere, Flüsse und Wälder bestellt ist und untersucht dazu knapp 2700 Tierarten in über 9000 Populationen. Vor allem in tropischen Arealen sieht es somit schlecht aus – dort schrumpften die Tierpopulationen seit Beginn der Aufzeichnungen 1970 um 60 Prozent. So sind etwa die Flussdelfine in China eine aussterbende Art. Auch von frei lebenden Tigern gebe es weltweit nur noch 3500 Exemplare, schätzt der WWF. Dramatisch ebenfalls die Auswirkungen in den überfischten Meeren, wo nicht nur der Thunfisch und Kabeljau drastisch zurückgingen: Insgesamt sanken die Bestände dort seit 1970 um mehr als ein Fünftel, im Süßwasser sogar um 37 Prozent.

In allen gemäßigten Lebensräumen hingegen vergrößern sich die Bestände wieder um ein Drittel: „Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Biodiversität dort in einem besseren Zustand befindet als in den Tropen“, so der WWF. Vielmehr sei in Europa 1970 zu Beginn der Aufzeichnungen bereits der Höhepunkt der Naturzerstörung erreicht gewesen, der auf der südlichen Halbkugel dann erst einsetzte. „Zum anderen liegt es auch daran, dass Naturschutzmaßnahmen greifen“, sagte Brandes. So haben sich nach WWF-Angaben beispielsweise die Fischotter wieder ausgebreitet.

Der Biokapazität als Menge erneuerbarer Ressourcen, die unser Planet zur Verfügung stellt, steht dabei der ökologische Fußabdruck gegenüber – die Menge verbrauchter Ressourcen. Beides wird berechnet in globalen Hektar (Gha). Bei einer gerechten und naturverträglichen Verteilung stünden jedem Menschen weltweit 1,8 Gha zur Verfügung. Tatsächlich liegt der Durchschnittsverbrauch derzeit aber bei 2,7 Gha pro Person – also anderthalb mal so hoch. Tendenz steigend.

Die tiefsten ökologischen Fußabdrücke hinterlassen dabei die reichen Länder, angeführt von Qatar und Kuwait mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von fast zwölf und knapp zehn globalen Hektar. Deutschland liegt mit 4,6 Gha im Mittelfeld. Schlusslichter mit weniger als 0,5 Gha sind Afghanistan und Ost-Timor. (dapd/dpa)