Viele Patienten leiden, andere haben nur wenige Beschwerden.

Sie wird die "Krankheit der 1000 Gesichter" genannt, man könnte sie auch die "Krankheit der 1000 Rätsel" nennen. Die multiple Sklerose (MS) ist in Diagnostik und Therapie für Patienten und Therapeuten immer noch eine große Herausforderung. Um MS-Kranken in Hamburg zu helfen und das Wissen um die Krankheit zu erweitern, wurde 1995 im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) eine MS-Sprechstunde eingerichtet und 2003 das "Multiple Sklerose Netz Hamburg" gegründet, ein Zusammenschluss von Betroffenen und Fachleuten. "Jede Aktivität dient dem Ziel, die Lebensqualität für Menschen mit MS in Hamburg und Umgebung nachhaltig zu verbessern", sagt Privatdozent Dr. Christoph Heesen von der Neurologischen Klinik am UKE.

Die Zahl der MS-Kranken in Deutschland wird auf 120 000 bis 150 000 geschätzt. Jedes Jahr kommen etwa 3000 hinzu. Die MS beginnt meist im Alter um die 30, Jahre, ein zweiter Erkrankungsgipfel ist um die 50. Es erkranken drei- bis viermal mehr Frauen als Männer.

Multiple Sklerose ist eine entzündliche chronische Erkrankung, eine sogenannte Autoimmunerkrankung. Abwehrzellen des Patienten richten sich gegen das eigene Gewebe. So werden die isolierenden Myelinhüllen der Nervenfasern zerstört und durch Narbengewebe ersetzt. Es kommt zu einer Verhärtung ("Sklerosierung"), das behindert die Weiterleitung von Nervensignalen. Dr. Heesen verweist auf neuere Erkenntnisse, wonach nicht nur die Isolationsschicht der Nervenfasern, sondern auch die Nervenzellen angegriffen werden.

Je nachdem, wo sich die Entzündung abspielt, können die Beschwerden sehr unterschiedlich sein: Koordinationsstörungen oder Missempfindungen in Armen oder Beinen, Lähmungen, Augenprobleme wie Doppelbilder oder verschwommenes Sehen, Beschwerden beim Schlucken und beim Wasserlassen, Verstopfung und Inkontinenz, Sexualprobleme, Depression, Konzentrationsstörung. Aber es gibt auch immer wieder gutartige Verläufe mit einem relativ normalen Alltag. "Die MS ist besser als ihr Ruf", heißt es in einer Schrift des MS-Netzes Hamburg.

Die Diagnose ist schwierig. "Wenn eine Reihe von Kriterien erfüllt ist, nennen wir die Krankheit MS", so Heesen. Dabei spielen Art und Häufigkeit der Schübe eine Rolle sowie Befunde der Kernspintomografie und der Untersuchung des Nervenwassers.

Die Krankheit ist nicht heilbar, jedoch kann man Zahl, Dauer und Intensität der Schübe günstig beeinflussen. Bei der Schubtherapie kommt der anti-entzündlichen Behandlung, vor allem mit Kortison, die entscheidende Aufgabe zu. Der Antikörper Natalizumab kann das Einwandern der das Myelin zerstörenden Zellen verhindern. Die Basistherapie für die Zeit zwischen den Schüben setzt auf Substanzen, die auf das Immunsystem wirken, wie Interferon-Beta oder Immunglobuline, bei schweren Verläufen auch Immunsuppressiva.

Dem Patienten kommt bei der Therapie eine zentrale Aufgabe zu: Beim "Selbstmanagement", so Heesen, lernt der Kranke, sich die Spritzen zu geben oder die Medikamente einzunehmen. Zudem ist wichtig, dass er sich möglichst viel bewegt, sich ausgewogen und fettarm ernährt sowie Reha-Möglichkeiten nutzt, mit allen Chancen körperlicher, neurologischer und psychischer Wiederherstellung.

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