Das 1. Internationale Musikfest Hamburg steht vor der Tür. Ein Überblick über fünf Wochen feinster Musik

Hamburg bekommt ein neues, großes Musikfestival! Am 9. Mai geht das 1. Internationale Musikfest Hamburg an den Start. Nun hatte es in den letzten Jahrzehnten schon zwei Musikfeste gegeben – und keines hielt sich allzu lange. Doch jetzt soll alles besser, nachhaltiger und vor allem eine Nummer größer werden als bisher. Demonstrativ steht daher das Wort „International“ im Titel dieses Festivals. „Eine neue hanseatische Tradition“ wolle man begründen, schreibt Hauptsponsor Klaus-Michael Kühne in seinem Geleitwort zum Musik-Großereignis. Und Kultursenatorin Barbara Kisseler ist optimistisch, dass das Internationale Musikfest sich als „fehlender Baustein in die städtische Festivallandschaft einreihen“ werde.

Tatsächlich ist Generalintendant Christoph Lieben-Seutter gelungen, was noch keiner vor ihm schaffte: Er holte neben den Elbphilharmonie Konzerten auch alle anderen großen Player des hiesigen Musiklebens mit ins Festivalboot – den NDR, die Philharmoniker, die Symphoniker, das Ensemble Resonanz, Karsten Jahnke, Pro Arte, FontenayClassics, Kampnagel, Elbjazz und selbst das Uebel & Gefährlich. Entsprechend vielfältig ist das Programm der fünf Musikfest-Wochen (9. Mai bis 15. Juni); von erlesener Hoch- bis zu entspannter Clubkultur reicht das in sechs Sparten unterteilte Musikangebot.

In der Sparte „Orchester“ sind neben den Hamburger Klangkörpern Gastspiele des Concertgebouworkest Amsterdam, der Münchner Philharmoniker, des Festspielorchesters Göttingen, der Camerata Salzburg und der Academy of St. Martin in the Fields zu hören. Unter der Rubrik „Oper konzertant“ finden sich die Namen großer Sänger wie Michelle DeYoung, Michaela Kaune oder Erwin Schrott. Darüber hinaus gibt es Festivalsparten für Zeitgenössisches, Pop, Jazz und Weltmusik sowie eine Schubertiade.

Im Mittelpunkt der Schubertiade steht der Artist-in-Residence des 1. Internationalen Musikfests, Matthias Goerne. Der wird mit seinen Klavierpartnern Christoph Eschenbach und Piotr Anderszewski Schuberts große Liederzyklen „Die schöne Müllerin“, „Winterreise“ und „Schwanengesang“ aufführen. Darum herum gruppieren sich vier weitere Schubert-lastige Konzerte mit Renaud und Gautier Capuçon, Tanja Becker-Bender, dem Artemis Quartet und der Klavierpoetin Maria João Pires.

Als Leitfaden, der durch die mehr als 50 Veranstaltungen des Musikfests führt, haben die Organisatoren das Thema „Verführung“ gewählt. Zum einen, um die Hamburger ganz generell zur „wunderbaren Welt der Musik zu verführen“, wie Christoph Lieben-Seutter es ausdrückt. Zum anderen lassen sich zumindest einige der stilistisch so unterschiedlichen Konzerte auf die Schnur dieses thematischen Zusammenhanges fädeln. So stellt Anoushka Shankar, die Tochter des legendären indischen Sitar-Virtuosen Ravi Shankar, am 22. Mai in der Laeiszhalle ihr neuestes Programm „Traces of You“ vor. Von drei Formen der Liebe sei ihre Musik inspiriert, berichtet die Sitar-Spielerin: der Liebe zu ihrem Mann, ihrem Vater und ihrem Sohn.

„Die wahre Musik ist die Sprache des Herzens“, so schrieb es 1722 Jean-Philippe Rameau in seinem „Traktat über die Harmonie“. Damit ist Rameau als Gewährsmann für ein Musikfestival zum Thema Verführung quasi unerlässlich. Und so findet sich auf dem Programm des Ensembles Resonanz unter anderem die Suite aus Rameaus Ballett „Pygmalion“. Das handelt von einem antiken Bildhauer, der sich seine Idealfrau aus Elfenbein schnitzte und die kühle Schönheit so lange bewunderte und liebkoste, bis die Göttin der Liebe sich seiner erbarmte und seine Statue zum Leben erweckte.

Das „reichhaltige Musikleben“ der Hansestadt zu feiern und ihm „verstärkt Aufmerksamkeit zukommen lassen“, sei das Ziel des 1. Internationalen Musikfests Hamburg, so hat es dessen Leiter Christoph Lieben-Seutter bekundet. Ein Umstand, der bei dieser Gelegenheit mit ans Licht kommt, ist das enorm differenzierte Musikvermittlungs- und Educationangebot, das es inzwischen in Hamburg gibt. Weil fast alle Kooperationspartner zu diesem Thema etwas beizutragen haben, wird das Musikfest flankiert von zahlreichen Konzerteinführungen, Probenbesuchen, Workshops und Seminaren für alle Altersklassen. Unter dem Stichwort „Musiküberfall“ soll das Musikfest sogar in die ganze Stadt getragen werden.

Das charmanteste Angebot ist aber sicher das Format „Unter vier Augen“; hier spielt ein Musiker speziell für nur einen Hörer. Im Séparée mit seinem Lieblingsstar, wer ließe sich davon nicht verführen?