Auf der Detroit Motor Show dominieren große, starke und sportliche Modelle nahezu aller Hersteller – als es hätte das Thema Spritsparen nie gegeben.

Detroit. Detroit ist wieder da. Die US-Autokonzerne haben sich von der Krise ein Stück weit erholt, die Wirtschaftsprognosen sind rosig, und selbst die zuletzt arg angegraute Cobo-Hall erstrahlt nach einem 300-Millionen-Dollar-Facelift in neuem Glanz: Die Stadt mag bankrott sein, aber als Motor City blüht sie auf und findet auf der Auto Show demonstrativ zurück zu alter Größe.

Das gilt aber nicht nur für das Selbstbewusstsein der Gastgeber und die spektakulären Shows zur Enthüllung der Neuheiten. Das gilt auch für die Autos selbst. Denn die Zeiten, in denen man in Detroit an jeder Ecke über einen Kleinwagen oder das Ladekabel eines E-Autos stolperte, sind vorbei. Unter den riesigen Motorhauben mancher Pick-ups entdeckt man zwar überraschend kleine Diesel. Doch neue Elektroautos sucht man vergebens, und über Hybride spricht heute fast keiner.

Es sind die dicken Dinger, die in diesem Jahr den Ton angeben – allen voran der neue Ford F-150. Jener gewaltige Pick-up, der seit über 30 Jahren die Zulassungsstatistik in Amerika anführt. Und als wäre das noch nicht genug „American Icon“, wird seine Weltpremiere flankiert vom ersten Messeauftritt des neuen Ford Mustang, von der Sportversion der Corvette, die als Z06 jetzt auf 630 PS kommt, von einer giftgrünen Viper auf dem Stand der Chrysler Group und einem ganzen Dutzend neuer Geländewagen und Pick-ups auf dem Areal von General Motors.

Die großen Modelle wie den Chevrolet Tahoe und den Cadillac Escalade kennt man zwar schon von der Messe in Los Angeles, aber die etwas kleineren Ableger wie der Chevrolet Colorado sind nagelneu – und nur für die Amerikaner kleine Autos. Bei uns würden diese Fünf-Meter-Pritschenwagen trotzdem noch jedes Parkhaus sprengen. Waren sonst wenigstens die Importeure für das grüne Gewissen verantwortlich, halten auch sie sich diesmal zurück und drücken durch die Bank auf die Tube: Das beste Beispiel ist die spektakuläre Toyota-Studie FT-1, die aussieht wie ein Formel-1-Renner mit Straßenzulassung.

Der rote Feger stiehlt der Brennstoffzellen-Studie am anderen Ende des riesigen Toyota-Standes die Schau und liegt voll im Trend. Denn auch überall sonst lassen die Hersteller die Muskeln spielen: Kia mit einem wunderschönen kleinen Sportwagen-Konzept namens GT4 Stinger, Hyundai mit der neuen, stattlichen Genesis-Limousine für die Serie und Nissan mit einer nicht minder repräsentativen und sportlichen Limousinen-Studie. Die beiden Edel-Japaner Infiniti und Lexus warten mit Sportversionen ihrer Mittelklassebaureihen auf. Bei der Nissan-Schwester Infiniti ist das die Limousine Q50, die zum „Eau Rouge“-Konzept wird. Und beim Toyota-Ableger ist es das Coupé RC-F, das mit über 450 PS zum Jahresende gegen den BMW M4 antreten will.

Die deutschen Hersteller sind übrigens keinen Deut besser. Zwar singen sie alle das Hohelied der Effizienz, sparen bei ihren Generationswechseln mal eben ein paar Zentner ein, zeigen ein paar nebensächliche Sparmodelle und etikettieren Studien wie den knackigen, 408 PS starken Audi Allroad Shooting Brake als e-quattro mit Plug-in-Technik. Ein bisschen Sportcoupé, ein wenig Geländewagen, die Prise Offroad-Kombi – all diese Fahrzeuggattungen mischt Audi bei der Studie zusammen. So soll sie Ausblick auf den im Sommer startenden nächsten TT ebenso geben wie auf den kleinen, für 2016 erwarteten Geländewagen Q1.

Doch im Grunde regiert auch bei den Deutschen die Lust auf Leistung. Nicht umsonst sieht die neue C-Klasse verdächtig nach neuer S-Klasse aus und wird dazu begleitet von einem GLA 45 AMG mit 360 PS sowie einem S 600 mit einem neuen Zwölfzylinder. Aus gutem Grund sprechen bei Porsche alle nur vom neuen, bis zu 400 PS starken und knapp 300 km/h schnellen 911 Targa. Im Mai kommt das Halb-Dach-Cabrio mit der umlaufenden Heckscheibe ohne C-Säule, das auf den ersten Targa von 1965 zurückgeht, ausschließlich als Allradler für mindestens 109 338 Euro in den Handel. Und nicht von ungefähr sind es bei BMW und Mini ebenfalls Sportversionen, die das Rampenlicht bündeln: Die Konzernmutter zeigt M3 und M4 mit je 431 PS, und die britische Tochter macht Lust auf den neuen Mini John Cooper Works, ebenfalls ein Kraftprotz.

Auch Volkswagen mischt bei der PS-Parade mit – selbst wenn die Niedersachsener als einzige deutsche Marke in den USA mitten im Aufbruch einen Absturz erlebt haben und deswegen durchaus ein bisschen betreten drein schauen könnten. Doch VW-Chef Martin Winterkorn strahlt mit seinem Kollegen Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender bei Daimler, tapfer um die Wette. Die Wolfsburger Manager enthüllen Neuheiten wie den witzigen und vergleichsweise seriennahen Offroad-Beetle mit Beinamen Dune oder den Golf R, der demnächst auch nach Amerika kommt. Und der Chef persönlich hat buchstäblich Großes zu verkünden: Das Mid-Size-SUV, das angeblich weniger kosten wird als ein Touareg, aber deutlich mehr Platz bietet, wird tatsächlich gebaut und soll 2016 auf den Markt kommen. Mit einer Länge von über fünf Metern wird es zum größten Geländewagen bei VW. Damit passt der neue Volkswagen fürs Grobe perfekt zum inoffiziellen Motto der Detroit Motor Show 2014: Mit neuen Größen zurück zu alter Größe.