Aufgrund der heraufziehenden Krise hält sich die Branche beim Pariser Automobilsalon mit Experimenten zurück und setzt auf bewährte Konzepte.

Bloß keine Experimente! Wer auf dem Pariser Automobilsalon in diesem Jahr nach Innovationen sucht, wird bitter enttäuscht: Bewährte Konzepte, begehrlich verpackt - das ist der große Trend, mit dem sich die Branche gegen die heraufziehende Krise wappnet. Keine visionären Studien und wegweisenden Antriebskonzepte sind es, die auf der Messe um Aufmerksamkeit buhlen. Sondern Brot-und-Butter-Autos, die man schon heute oder morgen kaufen kann.

Natürlich gehören zu einer Motorshow auch ein paar Traumwagen wie der McLaren P1, der wohl um die 1000 PS haben und knapp 400 km/h erreichen wird. Oder der elektrische Mercedes SLS, der in vier Sekunden auf Tempo 100 sprintet und mit 416 500 Euro zum teuersten Modell der Schwaben wird. Aber ansonsten behalten selbst die Sportwagen eine gewisse Bodenhaftung, wie zum Beispiel der Jaguar F-Type zeigt. Der Erbe des legendären E-Type gehört zwar zu den schönsten Neuheiten des Salons. Doch obwohl er bis zu 495 PS hat und im besten Fall 300 km/h erreicht, ist er mit einem Grundpreis von weniger als 75 000 Euro nicht völlig abgehoben.

Doch schon der F-Type ist ein Exot gegenüber den anderen Stars der Messe: Die kommen vor allem aus dem VW-Konzern und rollen über den Golf-Platz. Denn die Deutschen, die wie immer fast eine ganze Halle okkupieren, fahren nicht nur den neuen Golf samt der Sparvariante Blue-Motion mit 3,2 Liter Verbrauch und dem neuen GTI mit bis zu 230 PS und erstmals 250 km/h Spitze auf. Auf den Ständen daneben drehen sich noch der Audi A3 als Sportback und als S3 sowie der feurige Vetter Seat Leon.

Aber der VW-Konzern ist in der Kompaktklasse längst nicht mehr alleine. Vor allem die Asiaten machen Druck: Toyota kontert mit einem nagelneuen Auris, den es natürlich vom Start weg auch wieder als Hybrid und zum ersten Mal auch als Kombi gibt. Und Hyundai und Kia machen i30 und Cee'd fit: Nach Fünftürer und Kombi stellen beide Schwestermarken nun auch noch einen schnittigen Dreitürer auf die Bühne, der den neuen Golf ziemlich brav und bieder aussehen lässt. Und als wäre das noch nicht genug, zielt Kia mit der Neuauflage des Carens auch noch auf den VW-Dauerbrenner Touran. Wer der Kompaktklasse entwachsen ist, findet in Paris auch eine Reihe neuer Mittelklasse-Modelle: Ford zum Beispiel lockt neben dem neuen Fiesta mit der nächsten Generation des Mondeo, und Mazda stellt dem neuen Sechser schon wenige Wochen nach der Premiere in Moskau einen Kombi zur Seite. Und wer es gerne etwas kleiner mag, findet im Adam den vielleicht pfiffigsten Kleinwagen, den Opel seit dem Laubfrosch gebaut hat.

Wie vorsichtig sich die Automobilindustrie in die Zukunft tastet, zeigt auch der Blick in die Nischen. Vor allem die Geländewagen, immerhin das weltweit wachstumsträchtigste Segment des Marktes, zeugen von einer gewissen Vernunft und Zurückhaltung. Zwar feiert in Paris auch der neue Range Rover Premiere. Doch gehört die Bühne vor allem den Schrumpf-SUV: Peugeot 2008, Ford EcoSport, Chevrolet Trax sind kleine Kraxler, die kurz vor dem Serienstart stehen. Und auch Audi lässt keinen Zweifel daran, dass die Studie Crosslane Coupé bald als ebenso kompakter wie kesser Q2 in Serie geht.

Ausgesprochen blass wirken in Paris diesmal nur die Franzosen. Während sie ihr Heimspiel in den vergangenen Jahren immer für einen grandiosen Auftritt mit Dutzenden von neuen Modellen genutzt haben, lassen sie sich dieses Jahr völlig an die Wand spielen: Citroën hat kaum mehr zu bieten als ein Rolldach-Cabrio auf Basis des DS3, bei Peugeot gibt es nur eine alte China-Studie und die Serienfassung des 208 GTI. Einzig Renault lässt sich nicht ganz unterbuttern und bietet mit dem neuen Clio als Fünftürer und Kombi sowie den Dacia-Neuheiten Sandero und Logan einen ordentlichen Auftritt.

Was die Heimspieler an visionärer Strahlkraft vermissen lassen, liefern dafür ein paar ausländische Marken. Zwar muss man schon lange suchen, bis man ein Dutzend Studien zusammen hat. Aber die wenigen Ausblicke ins Morgen haben dafür fast alle einen sehr konkreten Serienbezug. Der Smart Forstars und der Peugeot Onyx sind zwar nur Fingerübungen der Designer und sollen über eklatante Lücken in der Produktplanung hinwegtäuschen. Doch egal ob Lexus LF CC, Porsche Panamera Sport Turismo oder BMW Active Tourer. Was sich heute noch als Studie im Rampenlicht dreht, wird in ein, zwei Jahren als neues Mittelklasse-Coupé, als potenter Luxuskombi oder als erster Van von BMW bei den Händlern stehen. Denn Experimente mit offenem Ausgang können sich die Hersteller in Tagen wie diesen nicht leisten.