Neuer F12 Berlinetta aus Maranello begeistert nicht nur Italiener. Der Zwölfzylinder mit 740 PS fährt sich so leicht wie ein gewöhnlicher Fiat.

Da dürften sogar die Herren Alonso und Massa anerkennend mit der Zunge schnalzen: Wer rechtzeitig 268 400 Euro für den neuen F12 Berlinetta nach Maranello überwiesen hat, der kann sich auf die jetzt beginnende Auslieferung des stärksten Serienmodells in der Werksgeschichte freuen - und bekommt einen 6,3 Liter großen Zwölfzylinder, der mit 740 PS etwa auf einem Niveau mit dem Dienstwagen der Formel-1-Piloten liegt. Während deren millionenschwerer Monoposto allerdings null Komfort bietet und von Amateuren wahrscheinlich nicht einmal aus der Box gefahren werden könnte, ist der Luxusflitzer so leicht zu beherrschen wie ein gewöhnlicher Fiat - wenn der Fahrer einen hinreichend soliden Charakter hat.

Denn obwohl der Nachfolger des 599 GTB der heißeste Hengst im Stall von Maranello ist, gibt er sich auf den ersten Metern zahm und wohlerzogen. Nur kurz brüllt der Zwölfzylinder beim Anlassen auf. Mit dem kleinen Zeh bringt man den Wagen in Fahrt, und mit dem kleinen Finger hält man ihn auf Kurs - mehr braucht es nicht, um diese rote Rakete durch den Stadtverkehr von Maranello zu bugsieren. Im kurzen Stau räkelt man sich bequem in den weichen Ledersesseln und wundert sich, dass der F12 trotz der in jeder Dimension um ein paar Zentimeter gekappten Abmessungen so viel Platz bietet. Selbst der Kofferraum fasst schließlich 300 Liter und kann bei Bedarf auf 500 Liter erweitert werden.

Beim Ampelstopp lässt man den Blick durch ein aufgeräumtes Cockpit mit viel Leder schweifen - bis er am prominent in die Mitte gerückten Drehzahlmesser hängen bleibt: Fast 9000 Touren verspricht die Skala und lässt den heißen Ritt erahnen, der gleich beginnen wird. Es braucht nicht mehr als einen Hauch mehr Druck auf dem Gaspedal, dann lässt der F12 alle Zurückhaltung fahren und beweist jenseits des Ortschilds eindrucksvoll, warum ihn Firmenchef Luca de Montezemolo den "besten Ferrari aller Zeiten" nennt: Von jetzt auf sofort wechselt der Zwölfzylinder die Tonart. Während von vorn zwei Soundpipes die Ansauggeräusche in den Innenraum leiten und von hinten die vier Endrohre posaunen, schnellt die rote Nadel nach oben.

Die Doppelkupplung garniert den Sprint mit kleinen Leistungsschüben bei jedem Schaltwechsel, und der viel zu kleine Digital-Tacho zählt schneller hoch, als das Auge überhaupt schauen kann. Kaum hat man den Blick wieder fixiert, zeigt er schon mehr als 200 - und der Vortrieb will einfach nicht abreißen. Selbst weit jenseits von 250 km/h hat der Motor noch so viel Dampf, dass man den Italienern die mehr als 340 km/h Höchstgeschwindigkeit auch glaubt. So brachial der Motor auch tobt, so brav bleibt dabei das Auto.

Fünf Zentimeter kürzer, sechs Zentimeter flacher und 70 Kilo leichter als der F599 ist das Auto geworden. Die Karosserie aus Aluminium ist spürbar steifer, der Schwerpunkt tiefer und die Gewichtsverteilung trotz des Frontmotors ein wenig hecklastig. Das Adaptive Fahrwerk spricht noch schneller an, und die Karbon-Keramikbremsen haben noch mehr Biss. Dazu noch die ebenso dezente wie effiziente Aerodynamik, die pubertäre Schweller und Spoiler durch Formel-1-Finessen wie die Aero-Bridges oberhalb der Radläufe oder die Kamm-Falten im breiten Heck ersetzt: So lässt sich der F12 durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen. Keine Kurve ist dem Ferrari zu krumm, keine Straße zu wellig und keine Schikane zu eng. Lange, bevor das Auto an die Grenzen kommt, hat der Fahrer seine eigenen schon überschritten.

Solange man die Finger brav vom Manettino lässt und sich nicht aus dem obligatorischen Sportprogramm hinauswagt, lässt sich der F12 auf einer Landstraße selbst weit jenseits der Legalität noch einfacher fahren als ein Fiat Punto mit offizieller Richtgeschwindigkeit. Sogar im Race-Modus, wenn das Fahrwerk knüppelhart wird, die Doppelkupplung durchs Getriebe prügelt und der Motor aufbrüllt, huscht dem geneigten Fahrer noch ein breites Lächeln über die Lippen.

Jetzt hat der Ferrari zwar plötzlich so gar nichts mehr mit dem Luxusliner gemein, mit dem man ihn bis eben noch hätte verwechseln können. Doch spürt man mehr Adrenalin als Angst. Immer und immer wieder tritt man aufs Gas und hofft, dass diese Fahrt bloß nie zu Ende geht. Nur die Traktionskontrolle und erst recht das ESP sollte man - zumindest auf öffentlichen Straßen - jetzt besser nicht auch noch ausschalten. Sonst könnte das ein ziemlich kurzer und obendrein verdammt teurer Tanz werden.

Zwar ist der F12 stärker, schneller und schärfer als jeder Ferrari vor ihm. Doch auch an den Italienern geht der Geist der Zeit nicht spurlos vorüber. "Nicht dass es unsere Kunden ernsthaft interessieren würde", leitet Pressesprecherin Joanne Marshall ihre kurze Randbemerkung ein, "aber das Auto ist ganz nebenbei auch noch 30 Prozent sparsamer geworden." 15 Liter verbraucht der F12 Berlinetta jetzt auf dem Prüfstand und macht sich damit gemein mit einer Klasse von potenten Alltagssportwagen, die er in allen anderen Disziplinen weit hinter sich lässt. Denn außer dem Lamborghini Aventador und natürlich dem Bugatti Veyron kann ihm kein anderer Seriensportwagen das Wasser reichen. Zumindest im Augenblick.

Obwohl die Produktion des F12 gerade erst begonnen hat, vom fest eingeplanten Open-Air-Modell noch gar nicht gesprochen wurde und die Warteliste frühestens in ein, zwei Jahren abgearbeitet ist, läuft sich in Maranello bereits ein noch heißerer Hengst warm. Vermutlich im kommenden Frühjahr auf dem Genfer Salon zeigen die Italiener den Nachfolger des legendären Enzo und stürzen die Rote Diva damit eiskalt von ihrem Thron.