Bei der optimierten Abgasreinigung werden die gefährlichen Stickoxide verringert. Mehrkosten belaufen sich voraussichtlich auf 1000 Euro.

Hamburg. Alle reden vom Hybridauto - aber Mercedes hält am Diesel fest. Bluetec heißt das Zauberwort, das den Selbstzünder fit für die Zukunft machen soll. Ab Dezember gibt es den E 300 Bluetec - in den USA bereits seit 2006 auf dem Markt - auch hierzulande zu kaufen. Eine erste Testfahrt mit dem Saubermann.

Auf der ganzen Welt räumen Mercedes-Diesel Preise ab. Nur in Deutschland wird gemeckert, da gilt vielen nur der Hybridantrieb als Lösung aller Abgasprobleme. Dabei ist der Diesel gar nicht so schlecht. Er verbraucht extrem wenig und spart so auch am CO2, nur seine Abgase sind giftiger als beim Benziner. Und genau deshalb macht Mercedes jetzt Blau. Konkret: Mit Bluetec gehen sie den gefährlichen Stickoxiden (NOx) an den Kragen. Dabei werden - vereinfacht gesagt - die bereits vorgereinigten Abgase mit Hilfe von Ammoniak im nachgeschalteten Katalysator in unschädlichen Stickstoff und Wasser umgewandelt.

Zum Jahresende sollen die ersten E 300 Bluetec bei den deutschen Händlern stehen. Äußerliches Kennzeichen: Auf dem Kofferdeckel klebt rechts ein verchromtes "Bluetec". Sonst deutet absolut nichts auf die neue Abgasreinigung hin. Weiter gesucht im Innenraum: Fehlanzeige. Instrumente, Bedienhebel - nichts unterscheidet ihn von einem normalen E 320 CDI, der natürlich weiterhin im Modellprogramm bleibt.

Der Blick unter die Haube: Alles wie gehabt, eine große Plastikplatte tarnt die Technik. Aber darunter ist auch alles gleich. Der Stickoxid-Speicherkat entzieht sich den Blicken des Betrachters. Nach dem Anlassen brummelt der V6-Motor verhalten, nur noch spitze Ohren erkennen am Verbrennungsgeräusch Rudolf Diesels Erfindung. Kaum gibt man Gas, saugt eine vorzügliche Dämmung allen Lärm auf. Der E 300 hat satte 211 PS unter der Haube. In 7,8 Sekunden steht der Tacho auf 100 km/h, und erst bei Tempo 244 müsste Bluetec seinen normalen Bruder vorbeiziehen lassen. Denn der 320 CDI schafft 250 km/h, ist von null bis 100 ganze 0,2 Sekunden schneller.

Spannend wird es beim Verbrauch: Im Test der Zeitschrift "Auto Bild" hat der E 320 CDI 8,1 Liter konsumiert, beim Bluetec sind es 8,8 Liter pro 100 Kilometer. Aber das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Denn der Testwagen ist ein Vorserien-Exemplar mit amerikanischer Abstimmung. Für Deutschland bekommt er eine längere Hinterachsübersetzung. Damit soll der saubere Diesel den ohnehin schon guten Wert des 320 CDI (NOx = 0,267g/km) weiter unterbieten.

Wenn es also nur minimale Unterschiede zwischen E 300 und E 320 gibt, was passierte dann mit dem V6 bei seiner Wandlung zum Bluetec-Aggregat? Gerhard Doll, Motorenentwickler bei Mercedes, erklärt: "Der Motor wurde neu abgestimmt. Andere Injektoren, kleinere Düsen und geringere Verdichtung sollen bereits das Entstehen von Stickoxid verringern, kosten etwas Leistung." Statt 224 PS im E 320 bringt es der E 300 auf 211 PS. Also ganze 13 PS weniger, die man nicht wirklich vermisst.

Wichtiger ist momentan noch der Kraftstoff. Bluetec ist nur dann optimal sauber, wenn entschwefelter Diesel eingespritzt wird. Außer in Deutschland sprudelt der verlässlich erst in Skandinavien, den Beneluxstaaten, Polen, Österreich, der Schweiz und Ungarn. In allen anderen Ländern soll er bis 2009 eingeführt werden. Bis dahin sollten Bluetec-Fahrer in kritischen Gebieten nur Premiumdiesel (V-Power/Ultimate) tanken. Sollten auch die teuren Sorten mal nicht verfügbar sein, hat Gerhard Doll Trost parat: "Das System regeneriert sich auch dann, wenn ein- bis zweimal stärker verschwefelter Diesel getankt wurde."

Bemerken Fahrer und Passagiere etwas davon, wenn sich die Speicherkats der Stickoxide entledigen? Nein! Wie bei allen Abgasreinigern war nichts zu spüren. Kein Wunder, alle ein bis zwei Minuten schaltet die Einspritzung für drei bis fünf Sekunden auf fett. In dieser Phase entsteht im Speicherkat Ammoniak, das weiteren Stickoxiden den Garaus macht.

Wie genau das kleine Chemiewerk arbeitet, will Mercedes aber noch nicht verraten, denn dieser E 300 Bluetec ist erst der Anfang. Noch kommt er mit seiner kleinen Ammoniakfabrik zurecht, unterbietet damit locker die derzeit gültige Euro-4-Regelung. Bei den Rußpartikeln um vier Fünftel, beim Stickoxid um ein gutes Viertel. Damit erreicht der Wagen sogar heute schon die ab 2011 geltenden Euro-5-Werte, die dann alle neu auf den Markt kommenden Modellreihen erfüllen müssen. Nur die größeren 320-Varianten (wie etwa die Mercedes ML-Modelle) brauchen für eine optimale Säuberung einen kleinen Zusatztank, der mit dem Harnstoff "AdBlue" gefüllt werden muss. Der E 300 würde mit diesem aufwendigeren System sogar schon die Abgasnorm Euro 6 für 2015 erreichen. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg. Und der E 300 Bluetec ist dafür bestens gerüstet. Mit einem überzeugenden Antriebssystem, das neben einem Hybrid durchaus bestehen kann. 1000 Euro will Mercedes für die Extra-Reinigung verlangen.

Fazit: Der Bluetec-Diesel erfüllt heute schon die Abgasvorschriften von morgen. Deshalb der Appell an alle Autohersteller: Wartet nicht auf den Gesetzgeber, setzt die Sauber-Technik schnell in der Großserie ein. Ein E 300 reicht nicht aus. Bringt Bluetec für alle Diesel!