Verändertes Denken verbindet Genuss und Ethik. Hamburger Caterer müssen sich nicht nur auf Vegetarier und Veganer einstellen.

Geschmorte Steinchampignons mit Balsamicovinaigrette, Streifen vom roten Paprika mit frischem Rosmarin und glacierte Möhrenscheiben mit Blütenhonig und Ingwer – ein leckerer Auszug aus der Speisekarte des Hamburger Caterers Tafelfreuden. Als Günter Leisgang vor knapp 20 Jahren mit seinem ökologischen Partyservice an den Start ging, hatte er noch nicht mit „Bio“ geworben: „Ich wollte einfach die beste Qualität von Lebensmitteln und Zutaten verwenden. Wenn ich den Kunden hinterher gesagt habe, das war übrigens alles Bio, dann haben die oft gestaunt, dass es trotzdem so super geschmeckt hat.“

Inzwischen wissen immer mehr Verbraucher, dass Bio mehr ist als Körner, Sprossen und Grünkern, und verlangen ausdrücklich danach. Der Umsatz von Tafelfreuden ist in den vergangenen fünf Jahren nach eigenen Angaben jährlich um zehn bis 15 Prozent gestiegen. Leisgang: „Vor allem junge Familien mit kleinen Kindern achten auf bewusste Ernährung. Aber auch immer mehr Firmen ordern Bio-Büfetts.“ Gehörten früher eher Privatleute zu seinen Auftraggebern, sind heute etwa die Hälfte seiner Kunden Geschäftsleute und Firmen, darunter Greenpeace, Erdkorn, der BUND, aber auch der ADAC und der Zigarettenhersteller BAT.

Die Einstellung zum Essen ändert sich, die Ansprüche der Verbraucher an Lebensmittel sind gestiegen, ergab eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Für jeden Vierten spielen demnach Nachhaltigkeitskriterien beim Lebensmittelkonsum eine entscheidende Rolle, und das darf dann auch etwas mehr kosten. Dafür sind die Konsumenten jedoch nicht bereit, auf Genuss zu verzichten. Essen ist zunehmend auch Mittel zur Selbstinszenierung und Ausdruck eines anspruchsvollen Lebensstils. Somit wird die Kiste mit der Aufschrift „Bio“ extra schon mal nicht weggeräumt, wenn die Gäste kommen. Bewusster Konsum könne damit als Verbindung von Genuss, Erlebnis und Ethik verstanden werden, so die Autoren der Studie.

Moralisch-ethische Kaufkriterien seien für viele Verbraucher wichtiger geworden und die Nachfrage nach Fair-Trade-Produkten, Bio-Waren und Produkten aus ökologischer Tierhaltung gestiegen. Oft wird weitgehend auf Fleisch verzichtet, oder es soll genau erkennbar sein, woher es kommt. Sieben Millionen Vegetarier gibt es bereits in Deutschland, etwa 800.000 Menschen ernähren sich vegan, verzichten also ganz auf tierische Produkte. Nach einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa bemühen sich 52 Prozent der Deutschen, weniger Fleisch zu essen, und knapp zwölf Prozent sind Teilzeitvegetarier, sogenannte „Flexitarier“, die nur selten Fleisch essen.

Die Grenzen zwischen den einzelnen Ernährungsphilosophien verschwimmen jedoch. Hamburg sei genau der richtige Markt für diese Zielgruppe, findet der Geschäftsführer von Green Delicious Bio-Catering, Michael Viehe. Auch er setzt auf den Trend zum bewussten Lifestyle und bietet unter anderem Veranstaltungen wie „Vegetarische Weihnacht“ und „Green Weddings“ an. In Berlin habe seine Idee nicht funktioniert. „Das hat einfach auch viel mit Kaufkraft zu tun.“ Anders als Leisgang, der sein Bio-Label nicht so herauskehren will, kennt Mitbewerber Viehe kein Understatement: „Bio ist Trend, Bio ist sexy, Bio hat Stil“, findet der 38-Jährige und offeriert nicht weniger als „Glück auf Tellern“.

Seit fünf Jahren ist Viehe in der Hansestadt. Inzwischen seien 70 Prozent seiner Auftraggeber Firmen. Green Delicious habe die Traummaße für sinnlichen und gesunden Genuss entdeckt – 80/80/150. „Das Essen ist mindestens zu 80 Prozent Bio. Gemüse und Obst sind zu 80 Prozent saisonal und werden aus einem Umkreis von maximal 150 Kilometern angeliefert“, erläutert Viehe. Dazu achte er auf fairen Handel, verzichte auf Geschmacksverstärker und nutze recycelbares Geschirr.

Siegel wie Demeter und Bioland zeigen, dass die Anbieter mit regionalen Waren arbeiten. Das EU-Bio-Siegel sei ebenfalls ein guter Hinweis für Kunden, heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Allerdings sei das Angebot in der Hansestadt noch immer viel zu klein, bedauert Ernährungsexpertin Silke Schwartau. „Die Nachfrage ist da, aber es gibt noch riesige Lücken im Markt.“ Es gebe überdies noch zu wenig Restaurants, die Bio anbieten. Bei Gerichten werde häufig damit geworben, dass es zu einem bestimmten Prozentsatz Bio sei. „Der Kunde sollte erfahren können, was an dem Menü genau Bio ist und was nicht.“ Convenience-Produkte oder Tiefkühlware finde man bei den Anbietern eher selten, eine frische Zubereitung gehöre zum Gesamtkonzept. Schwartau: „Das sieht und schmeckt man auch, ob etwas frisch und selbst gemacht ist.“

Billig ist Bio auf jeden Fall nicht zu haben. Trotz des gestiegenen Bewusstseins und des Anspruchs an Lebensmittel – beim Preis gebe es nach wie vor deutliche Schmerzgrenzen. Leisgang: „Eine Bio-Putenbrust kostet mich das Viereinhalbfache. Das kann ich so nicht an den Kunden weitergeben.“ Das funktioniere dann nur mit einer guten Mischkalkulation.

Viele Restaurants und Caterer, die nicht ausdrücklich damit werben, bieten auf Anfrage ebenfalls Bio, vegetarische oder vegane Büfetts an. „Häufig wollen Kunden eine Mischung. Da soll es zum Beispiel unbedingt die Bio-Wurst sein. Woher Beilagen und Getränke kommen, ist dann wiederum egal“, hat Heinz Knickrehm von Bio-Snack beobachtet. Den nach eigenen Angaben ersten zertifizierten Bio-Imbiss Norddeutschlands findet man vor allem auf Hamburger Wochenmärkten. Das Angebot des ersten Tages habe sich bis heute bewährt: Bio-Grillbratwürste, Bio-Pommes und vegetarische Gerichte, „frei von Geschmacksverstärkern und chemischen Bindemitteln“, wie Knickrehm betont. Buchen kann man ihn für Firmenveranstaltungen oder für Privatpartys – jedoch nur mit seinem gesamten Wagen. Günter Leisgang von Tafelfreuden ist das Bio-Label für seine Werbung nicht so wichtig. Für ihn ist es eher Ausdruck einer grundsätzlichen Lebenseinstellung. „Ich will vor allem mit guten Produkten arbeiten. Wäre ich Kfz-Mechaniker, würde ich mir auch den besten Schraubenzieher holen.“