Sie können Entzündungen, schwere Koliken oder Gelbsucht auslösen. In Hamburg werden pro Jahr rund 3800 Gallenblasen operativ entfernt.

Zuerst dachte sie an einen Herzinfarkt, weil die Schmerzen in der Nacht so plötzlich und heftig waren. „Ich hatte das Gefühl, dass die Schmerzen rund um den Brustkorb strahlten und sich von dort in den Bauch ausbreiteten“, sagt Bettina Morik über die Nacht im Oktober 2012. Die Rettungshelfer gaben Entwarnung. Das EKG zur Überprüfung des Herzens war in Ordnung. Trotzdem nahmen sie die damals 60-Jährige mit in die Asklepios Klinik Altona. Die Ärztin in der Notaufnahme tippte auf Probleme mit der Gallenblase. Ein Ultraschall und eine Untersuchung im Magnetresonanztomografen bestätigten: Steine in der Gallenblase und im Gallengang, die eine Entzündung und die schweren Koliken ausgelöst hatten. Bettina Morik erhielt Antibiotika und Schmerzmittel. „Alle waren sich einig und wollten mich zur Behandlung dabehalten. Aber mir ging es plötzlich wieder blendend.“ Dies ist nicht untypisch: Die Koliken bei Gallensteinen kommen oft in Wellen und verschwinden häufig nach einer bis mehreren Stunden.

Mit Prof. Friedrich Hagenmüller, Chefarzt der Gastroenterologie, einigte sich Morik, die Ergebnisse der Blutwerte abzuwarten. „Ist der Abfluss der Galle durch einen Stein gestört, steigen bestimmte Leberwerte im Blut an. Liegt eine Gallenblasenentzündung vor, sind auch die Entzündungswerte auffällig“, sagt Hagenmüller. Es wurde klar: Die Steine müssen schnell raus aus dem Gang – und die Gallenblase später auch.

Etwa 15 bis 20 Prozent aller Deutschen haben wohl Gallensteine, doch nur ein Teil der Betroffenen bekommt Probleme. Beschwerden machen sie dann, wenn sie den Gallengang verstopfen. Durch einen Rückstau des Gallensaftes kann es zu einer Gelbsucht kommen. Weil der Gallengang mit dem Ausgang der Bauchspeicheldrüse in den Darm mündet, kann sich dieses Organ entzünden – eine gefährliche Komplikation. Auch Entzündungen der Gallenblase mit Fieber kommen vor, im Extremfall kann das Hohlorgan reißen und eine Blutvergiftung die Folge sein.

Internisten und Chirurgen arbeiten bei der Behandlung eng zusammen

Im Jahr 2011 entfernten Chirurgen etwa 3800 Gallenblasen in Hamburg. Die Cholezystektomie gehört zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Bei der Behandlung von Gallensteinen arbeiten Internisten und Operateure eng zusammen. Das Entfernen von Steinen aus den Gallengängen liegt dabei in der Regel in der Hand von Gastroenterologen. Bei einer ERC (endoskopisch-retrograde Cholangiografie) schläft der Patient. Der Arzt führt ein Endoskop durch Mund, Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm an die Stelle der Gallengangmündung.

„Wir machen einen kleinen Schnitt von etwa einem Zentimeter in die Gallengangmündung und fischen mit einem Drahtkörbchen die Steine heraus“, erklärt Hagenmüller. Dies gelinge in etwa 90 Prozent der Fälle. „Ist der Stein zu groß, dann können wir ihn mit den Drähten von speziellen Körbchen zerkleinern. In schwierigen Fällen gibt es die Möglichkeit, die Steine mit Laser oder elektrisch erzeugten Stoßwellen zu zertrümmern, das ist aber selten notwendig.“ Dabei müssen die Steine gar nicht so groß sein, um Beschwerden zu machen. „Oft sind sogar die kleineren besonders fies.“

Mögliche Komplikationen einer ERC seien eine Bauchspeicheldrüsenentzündung oder eine Blutung aus der Mündung des Gallengangs. Auch die Wand des Gangs oder des Zwölffingerdarms könne verletzt werden. Weil aber die meisten Steine in der Gallenblase entstehen, kommen an dieser Stelle die Chirurgen ins Spiel.

Die Empfehlung lautet: Patienten mit problematischen Steinen sollten sich die Gallenblase entfernen lassen, sonst ist die Wahrscheinlichkeit neuerlicher Koliken sehr hoch. Das Organ, das dem Darm bei der Verdauung hilft, ist nicht lebensnotwendig. Die Frage ist nur, wann operiert werden sollte. „Es gibt Kliniken, die machen das am selben Tag, an dem auch die ERC erfolgt. Davon halte ich nichts“, sagte Hagenmüller. „Mindestens einen Tag sollte man abwarten, um sicher zu sein, dass keine Komplikationen aufgetreten sind.“ Generell ist der Operationstermin bei einer akut entzündeten Gallenblase Gegenstand von Diskussionen. „Laut Lehrmeinung sollte man das Organ innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten von Symptomen entfernen“, sagt Prof. Wolfgang Schwenk, Chefarzt der Chirurgie an der Asklepios Klinik Altona. Eine andere Möglichkeit sei, sechs Wochen später zu operieren, wenn die Beschwerden vollständig abgeklungen seien. Den optimalen Zeitpunkt soll eine Studie ermitteln.

Bei Bettina Morik entschlossen sich die Ärzte, nach der ERC einige Wochen mit der Operation abzuwarten. „Wir mussten auch leider eine Extraschleife drehen, denn beim Entfernen des Steins hatte es einen kleinen Einriss des Gallengangs gegeben, eine vergleichsweise seltene Komplikation“, sagt Hagenmüller. Mithilfe eines Kunststoffröhrchens dichtete der Gastroenterologe die Stelle ab, nach rund zwei Wochen wurde dieser Stent entfernt, und der Riss war verheilt.

Nur noch selten ist bei einem Eingriff ein großer Bauchschnitt notwendig

Als OP-Verfahren wählten die Chirurgen einen laparoskopischen Eingriff. Dabei werden in Vollnarkose drei oder vier kleine Einschnitte in die Bauchdecke gemacht und feine Instrumente eingeführt. Diese Methode ist mehr als 20 Jahre bekannt und nun Standard. Auf 1000 dieser Eingriffe entfielen 2010 immerhin 25 Komplikationen, darunter eine Durchtrennung des Gallengangs.

„Nur noch selten ist ein großer Bauchschnitt nötig, beispielsweise bei Verwachsungen im Bauchraum nach vorangegangenen Operationen“, sagt Chirurg Schwenk. Selten, etwa drei- oder viermal im Jahr, operiert das Team in Altona mit dem sogenannten Single-Port-Verfahren. „Durch einen etwa 2,5 Zentimeter großen Schnitt im Nabel werden alle Instrumente in den Bauch eingeführt, der Boom dieser Methode ist jedoch überschritten, es kann zum Beispiel vermehrt zu Narbenbrüchen kommen“, sagt Schwenk. Er könne außer einem kosmetischen keine weiteren Vorteile erkennen.

Bettina Morik verließ wenige Tage nach ihrer Operation die Klinik. Zwei Wochen später überraschte sie ihre Kollegen bei der Arbeit. „Am Anfang war ich skeptisch, ob ich ohne Gallenblase leben kann. Aber ich ernähre mich tatsächlich nicht anders als sonst.“ Als „Souvenir“ erhielt sie ein Döschen mit einer Vielzahl kleinster Gallensteine.