Neue Pipeline vom Kaspischen Meer und Solarkraftwerke in Nordafrika sollen Energieversorgung in der EU sicherer und weniger klimaschädlich machen.

Hamburg. Europa schafft sich neue Importwege zur Energieversorgung. Fünf Staaten unterzeichneten gestern in der türkischen Hauptstadt Ankara ein Abkommen zum Bau einer 3300 Kilometer langen Pipeline mit dem Projektnamen Nabucco: die Türkei, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Österreich. Auf Unternehmensseite ist unter anderen der Energiekonzern RWE beteiligt.

In München wiederum gründete gestern eine Gruppe von zwölf Unternehmen - darunter Siemens, E.on, RWE und die HSH Nordbank - die Initiative Desertec, die in den kommenden Jahrzehnten große Solarkraftwerke in Nordafrika bauen will. Ein Teil des Stroms soll von dort nach Europa fließen. Die Kosten für Desertec werden auf 400 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 40 Jahren geschätzt.

Schon von 2014 an könnte durch die Nabucco-Pipeline Erdgas aus den Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres nach Europa transportiert werden. Hauptziel des sieben bis neun Milliarden Euro teuren Großprojekts ist es aus europäischer Sicht, die Zahl der Bezugswege zu erhöhen und so Europas Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen zu verringern. "Nabucco kann die Beziehungen zwischen unseren Völkern zementieren", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, auch mit Blick auf die engere Anbindung der Türkei an Europa durch das Projekt, das nach der berühmten Verdi-Oper benannt wurde: Sie handelt vom Streben des jüdischen Volkes nach Freiheit aus babylonischer Gefangenschaft.

Die 27 EU-Mitgliedstaaten importieren bereits mehr als die Hälfte ihres Erdgases von außerhalb Europas. Dieser Anteil wird steigen, weil die Eigenförderung in Europa sinkt. Damit droht eine weiter wachsende Abhängigkeit von Russland, dem Land mit den weltgrößten Gasreserven. Deutschland bezieht bereits mehr als ein Drittel, die EU mehr als Viertel des Gesamtbedarfs aus russischer Förderung. Eine Anbindung an die Nabucco-Pipeline brächte Europa allerdings in der Energieversorgung deutlich näher an eine Reihe anderer autoritär regierter Staaten wie Aserbaidschan, Turkmenistan oder Kasachstan heran. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warb gestern zudem für die Einbindung Irans in das Projekt. Das Land hat die zweitgrößten Gasreserven der Welt.