Wenn seine Gegner im Ring nicht mehr können, ist das für Vitali Klitschko (36) ein gutes Zeichen. Dann hat der k-.o.-erprobte und auch psychisch starke Box-Schwergewichtler leichtes Spiel. Doch seit Wochen und Monaten zeigen sich drei Millionen Bürger seiner Heimatstadt Kiew erschöpft.

Hamburg/Kiew. Wenn seine Gegner im Ring nicht mehr können, ist das für Vitali Klitschko (36) ein gutes Zeichen. Dann hat der k-.o.-erprobte und auch psychisch starke Box-Schwergewichtler leichtes Spiel. Doch seit Wochen und Monaten zeigen sich drei Millionen Bürger seiner Heimatstadt Kiew erschöpft. "Die Menschen hier sind müde", sagte Klitschko gegenüber dem Abendblatt. Das macht den ehemaligen Weltmeister nachdenklich.

An diesem Sonntag will der Abgeordnete der Stadtversammlung sich im zweiten Anlauf nach 2006 zum Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt wählen lassen. "20 Prozent der Leute sind unentschieden. Ich bin aber optimistisch."

Die orange Revolution in der Ukraine hat viele frustriert zurückgelassen. Die Hoffnungen auf wirtschaftliche Prosperität und ein Eindämmen der Korruption erfüllten sich nicht. Erst gab es vorgezogene Parlamentswahlen, nun eine außerplanmäßige Bürgermeisterwahl in Kiew.

Bürgermeister Leonid Tschernowezki, der Klitschko vor zwei Jahren besiegte, musste seinen Posten wegen der Vorwürfe von Vetternwirtschaft und aufgrund dubioser Immobiliengeschäfte räumen. "Es gibt mehr als 70 Kandidaten", sagte Klitschko, "die Leute sind verwirrt."

Er ist angetreten, die Korruption in der pulsierenden Stadt am Dnjepr zu bekämpfen. Dazu hat er sich den Erfinder der Null-Toleranz-Politik an seine Seite geholt: den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani. Sie kannten sich bereits persönlich. Vitali Klitschko hat in Los Angeles gelebt, wie sein Bruder Wladimir in New York geboxt und hat in Hamburg einen weiteren Wohnsitz für seine Frau und die drei Kinder. Dass der Sohn eines früheren sowjetischen Luftwaffenoffiziers kosmopolitisch ist, zeigt seine Biografie.

"Giuliani hat mir versprochen, sein Team und seine Erfahrung ein Jahr lang einzubringen, wenn ich Bürgermeister werde", sagte Klitschko dem Abendblatt. Die Wirtschaft will er ankurbeln helfen, das marode Gesundheitssystem auf feste Füße stellen.

Bei Klitschkos großen Kämpfen tauchte lange Jahre ein kleinwüchsiger Mann auf, der sich ihm an den Hals warf. "Er ist ein Mensch von Politiker", pflegte Vitali Klitschko im kleinen Kreis zu sagen und deutete zwei Dinge an: Für Popularität tut der alles. Und: Er ist schwer zu ertragen. Der Mann, der auch schon die deutsche Boxweltmeisterin Regina Halmich beleidigte ("Frauen gehören in die Küche und ins Bett"), heißt Alexander Omeltschenko. Er war mal Bürgermeister von Kiew. Einer seiner Nachfolger könnte am Sonntag Vitali Klitschko werden. "Meine Chancen stehen 50:50."