Sarkozy favorisiert Tony Blair. Andere wollen lieber Jean-Claude Juncker. Im Gespräch ist aber auch Angela Merkel.

Hamburg. Wer wird Europas neue Spitzenämter besetzen? Im Vertrag von Lissabon, der die Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union (EU) demokratischer und transparenter machen soll, sind ein EU-Außenminister und ein hauptamtlicher EU-Ratspräsident vorgesehen. Der Reformvertrag tritt zwar erst zum 1. Januar 2009 in Kraft, aber schon jetzt wird bei den Personalfragen heftig gepokert. Zumal von Juli an Frankreich turnusgemäß die Ratspräsidentschaft von Slowenien übernimmt und die EU dem umtriebigen Präsidenten Nicolas Sarkozy nicht die Meinungsführerschaft überlassen möchte.

Der Posten des Außenministers bündelt künftig die bisherigen Funktionen des EU-Außenbeauftragten und des EU-Außenkommissars. Er trägt den Titel "Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik". In Brüssel gilt als sicher, dass der spanische Sozialist und bisherige EU-Außenbeauftragte Javier Solana als Erster diesen Posten einnehmen wird.

Anders ist die Lage beim neuen ständigen Ratspräsidenten, der mehr Kontinuität in die europäische Arbeit bringen soll. Er soll zweieinhalb Jahre den Europäischen Rat leiten und wird neben dem Präsidenten der EU-Kommission ein neues "Gesicht" der EU sein. Infrage kommt dafür nur ein früherer EU-Regierungschef.

Soll diese Person eher nach innen wirken und die Arbeit der EU-Staats- und Regierungschefs koordinieren, aber auch repräsentieren und gleichzeitig auf keinen Fall den Chefs die Schau stehlen? Soll der EU-Ratschef Gegenspieler oder Partner des EU-Kommissionspräsidenten sein? Nach dieser Jobbeschreibung richtet sich, wer für die Aufgabe infrage kommt.

"Eine Person der Ausgleichs" verlangt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf Tony Blair, den machtbewussten Ex-Premier der Briten und Irak-Krieg-Befürworter, trifft dies kaum zu. Der Labour-Mann wird von Sarkozy favorisiert. "Aber wir wollen keinen Solisten, sondern einen Team Player", heißt es auch in Brüssel.

Da die kleinen EU-Länder ohnehin latent eine Dominanz der Großen befürchten, wird wohl auch der erste EU-Ratspräsident eher aus einem kleinen Land kommen. Den meisten EU-Chefs fällt da als Idealbesetzung der christdemokratische Luxemburger EU-Altmeister Jean-Claude Juncker ein. Der Ministerpräsident (seit 1995) und Finanzminister (seit 1989) seines Landes sollte 2004 schon EU-Kommissionspräsident werden, blieb aber lieber in Luxemburg. "Juncker ist erfahren und kennt alle Fallstricke", sagt ein deutscher Diplomat in Brüssel. "Aber er wird nur Schwächere neben sich dulden und dann mit EU-Kommissionspräsident Barroso aneinandergeraten. Die beiden können nicht miteinander."

Der Portugiese Jose Manuel Barroso möchte im nächsten Jahr seine Amtszeit um fünf Jahre verlängern. Bei seiner Berufung 2004 war der Christdemokrat noch "Merkels Mann in Brüssel". Jetzt ist die Freundschaft der beiden merklich abgekühlt. Die EU-Kommission hat unter Barrosos Führung Klimaschutzziele vereinbart, die am Industriestandort Deutschland problematisch sind. Deshalb baut der Portugiese jetzt auf gute Beziehungen zu Sarkozy.

Kleines Land, ehrlicher Makler - diese Attribute passen auch auf den dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen. Der Rechtsliberale regiert seit November 2001 und hat auch schon verlauten lassen, dass er sich einen EU-Job in Brüssel vorstellen könnte. Im Dezember 2002 leitete Rasmussen in Kopenhagen mit Umsicht und Erfolg den EU-Gipfel, der die Erweiterung der Union zum 1. Mai 2004 besiegelte. Dänemark gilt zwar als euro-skeptisches Land, aber der Premier möchte diesen Eindruck wettmachen.

Und Angela Merkel? Sie genießt nach der deutschen Präsidentschaft Anfang 2007 in der EU höchsten Respekt und käme nach Meinung von Brüsseler Insidern für alle drei EU-Führungsposten infrage. Vielleicht hat die CDU-Chefin und Kanzlerin ja im nächsten Jahr sogar selbst den Wunsch nach einem Tapetenwechsel . . .