PARIS. Bittere Nachricht für Jacques Chirac: Ein halbes Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt hat die Justiz ein Ermittlungsverfahren gegen den französischen Expräsidenten eingeleitet - ein beispielloser Vorgang in der jüngeren Geschichte des Landes. Chirac werde Unterschlagung öffentlicher Mittel während seiner Zeit als Pariser Bürgermeister vorgeworfen, sagte sein Anwalt Jean Veil. Zuvor war Chirac im Justizpalast vier Stunden lang von Ermittlungsrichterin Xavière Simeoni vernommen worden.

Für den Altpräsidenten, der in gut einer Woche seinen 75. Geburtstag feiert und sich seit der Amtsübergabe an Nicolas Sarkozy im Mai weitgehend ins Privatleben zurückgezogen hat, ist das Verfahren ein herber Schlag. In einem Beitrag für die Zeitung "Le Monde" verteidigte er sich gegen "übertriebene, teils karikaturistische" Anschuldigungen im Zusammenhang mit der Rathausaffäre und beteuerte, er habe stets im Dienste der Pariser Bürger gehandelt. "Niemand hat sich persönlich bereichert."

In dem Skandal geht es um die Anstellung zahlreicher Personen in Chiracs Bürgermeisterbüro in der Zeit von 1977 bis 1995. Sie wurden vom Rathaus bezahlt, obwohl sie nicht für die Stadt arbeiteten. Unter den Nutznießern der "Gefälligkeitsjobs" waren die Frau eines Exministers und der Chauffeur eines Gewerkschaftsbosses. Mindestens einen der Verträge soll Chirac persönlich unterzeichnet haben. Insgesamt 21 Personen sind in diesem Zusammenhang im Fadenkreuz der Justiz. Chirac konnte wegen seiner Immunität als Präsident bis Juni 2007 nicht juristisch belangt werden.