Die künftige Regierung in Warschau steht für Kurswechsel in der Innen- und Außenpolitik.

WARSCHAU. Nach dem klaren Wahlsieg in Polen hat die liberalkonservative Bürgerplattform einen grundlegenden Kurswechsel in der Innen- und Außenpolitik angekündigt. "Wir werden Polen in das Herz Europas zurückführen", erklärte Bronislaw Komorowski, Stellvertreter von Parteichef Donald Tusk, gestern in Warschau. Die Ankündigungen sorgten vor allem in Brüssel und Berlin für Erleichterung, wo die bisherige nationalkonservative Regierung unter Führung der Kaczynski-Zwillinge als schwieriger und sprunghafter Verhandlungspartner galt.

EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering lobte den Erfolg der Liberalen als gutes Signal für Europa. "Man freut sich immer, wenn engagierte Europäer an der Spitze einer neuen Regierung stehen werden", sagte der CDU-Politiker in Berlin. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte, er erwarte eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Polens neuer Führung.

Die sogenannte "Vierte Republik" der Kaczynski-Zwillinge, das war für viele Polen ein Symbol für gnadenlose Abrechnung mit politischen Gegnern und zweifelhaften Methoden, bei denen die mächtige Anti-Korruptions-Behörde CBA missliebigen Politikern und Unternehmern Fallen stellte. Noch im November wollen die Liberalen einen parlamentarischen Ausschuss einsetzen, der diese Vorgänge untersucht.

Die Regierung Kaczynski hat Polen polarisiert. Das zeigten gestern auch die Reaktionen der Medien "Yes! Yes! Yes!", lautete die Schlagzeile von "Newsweek Polska". "Das Polen der Hoffnung ist gegen das Polen der Ressentiments aufgestanden", kommentierte die linksliberale "Gazeta Wyborcza" mit Blick auf Kaczynski, der historische Konflikte mit Deutschen und Russen sowie die Abrechnung mit dem Kommunismus zum Bestandteil seiner Politik gemacht hatte.

Die Bürgerplattform will nun die von den Konservativen abgebremste Einführung des Euro wieder beschleunigen und bis in fünf oder sechs Jahren ermöglichen. Um die nötigen Kernzahlen bei Verschuldung und Haushaltsdefizit zu erreichen, sollen eine Reihe von Wirtschaftsreformen vorangetrieben werden. Dazu zählt die in Osteuropa beliebte "Flat-Tax" zur steuerlichen Entlastung und weitere Privatisierungen in dem ehemals kommunistischen Land. Polen ist die größte Volkswirtschaft unter den EU-Neumitgliedern.

Neben der Hinwendung zur Europa haben die Liberalen eine Abkehr vom engen Bündnis der Konservativen mit den USA angekündigt. Sie wollen den in Polen unpopulären Irak-Einsatz zügig beenden.

Für ihr ehrgeiziges Programm strebt die Partei nun ein breites Bündnis mit anderen oppositionellen Kräften an. "Wir müssen mit allen, die Recht und Gerechtigkeit an der Regierung loshaben wollten, ein möglichst breites Bündnis bilden", sagte Komorowski dem polnischen Rundfunksender Tok FM. Erste Koalitionsgespräche sollen noch in dieser Woche geführt werden. Am 10. November soll dann die neue Regierung stehen.

Dem vorläufigen Endergebnis der Wahlen nach haben die Liberalen 41,4 Prozent der Stimmen und damit einen Anteil von 209 Abgeordneten erreicht.

Damit vergrößert sich ihre Fraktion um mehr als 70 Vertreter. Als potenzieller Koalitionspartner steht die Bauernpartei bereit, die 8,9 Prozent der Stimmen erhielt und mit 31 Abgeordneten einzieht. Ein Bündnis aus den beiden Gruppierungen käme in dem 460-köpfigen Parlament auf eine Mehrheit von 240 Stimmen.

Parteichef Waldemar Pawlak mahnte, die Koalitionsverhandlungen jetzt nicht überstürzt zu führen. "Wir sollten uns Zeit nehmen, um sie später nicht mit Querelen zu verlieren", sagte er im Rundfunk.