Kommentar

Für den großen Europäer Helmut Schmidt war die Aussöhnung mit Polen ebenso wichtig wie jene mit Frankreich. Mit Recht: In Polen errichteten die Nazis Auschwitz und Treblinka, mit dem Angriff der Wehrmacht auf Polen begann der Zweite Weltkrieg.

Doch die zart keimende freundschaftliche Nachbarschaft beiderseits der Oder-Neiße, erst möglich geworden mit den Fall des Eisernen Vorhangs, erlitt in letzter Zeit erhebliche Eintrübungen durch den anti-europäischen und betont anti-deutschen Kurs der Kaczynski-Zwillings-Achse. Polen hat in der EU alle Rechte einer mittleren Macht mit 39 Millionen Einwohnern. Die Zwillinge jedoch, getrieben von nationalem Ehrgeiz, setzten alles daran, eine unverhältnismäßige Parität mit den großen Staaten, namentlich Deutschland, zu erzwingen. Dem bedeutendsten Mitglied an der Ostflanke der EU drohte die Isolation in der Union.

Mit dem Sieg der Partei des Liberalen Donald Tusk ist nun zumindest eine Milderung im polnisch-deutschen Umgangston zu erwarten. Die Kaczynski-Ära ist indessen noch lange nicht vorbei: Der Präsident kann die neue Politik eines Regierungschefs Tusk jederzeit mit seinem Veto behindern. Zwar hat sich Tusk noch in der Schlußrunde des Wahlkampfes vom Image des allzu weichen Intellektuellen etwas befreien können. Doch die Herausforderung, im Abwehrkampf gegen die anhaltend virulente Kaczynski-Seilschaft eine liberale und pro-europäische Politik zu gestalten, muss der deutsch sprechende Danziger, dessen Verwandte im KZ Neuengamme einsaßen, erst noch bestehen.

Ein weiteres Ergebnis der Wahl kann aber jetzt schon als klarer Erfolg gewertet werden: Die Rekordwahlbeteiligung ist ein beeindruckendes Reifezeugnis für die junge Demokratie in Polen.