Es war nur eine von vielen Scheidungen in Hamburg. Doch die Folgen beschäftigen die Regierungen in Berlin und Warschau. Wojciech Pomorski wollte mit seinen Kindern nur polnisch sprechen, das Jugendamt war dagegen. Polens Medien geißelten deutschen “Assimilierungszwang“. Nun muss Kanzlerin Merkel die Wogen glätten.

Hamburg. Dieser Aktenberg wiegt mindestens zehn Kilo. So schwer kann ein Leben sein, wenn es fein säuberlich auf Tausenden, eng bedruckten Papierseiten abgeheftet ist. Es ist die Geschichte des Polen Wojciech Pomorski, der mit seinen Kindern polnisch sprechen wollte, was ihm vom deutschen Staat verboten wurde. Es ist eine Geschichte, in der es nicht nur um eine verlorene Liebe und verletzten Nationalstolz geht, sondern vor allem um das schwierige Verhältnis zwischen Polen und Deutschen.

Hamburg-Niendorf, in einer normalen Wohnsiedlung. "Kommen Sie herein", sagt Pomorski. Der 36-Jährige trägt dunklen Anzug und weißes Hemd. Die Haare akkurat geschnitten, der Blick offen und erwartungsvoll. Der Klang seiner Stimme und die Farbe seines Akzents erinnern an den polnischen Boxer Dariusz Michalczewski, der einst für Deutschland kämpfte.

Pomorski kämpft für Polen. Während ihn hierzulande kaum jemand kennt, ist er jenseits der Oder ein Nationalheld. Einer, der es den Deutschen endlich zeigt und sich nichts gefallen lässt. So jedenfalls berichten polnische Medien.

Wojciech Pomorski bittet auf die Couch. Auf dem Tisch mit der gelben Decke steht feines Porzellan, es gibt Kaffee und Pralinen. An den Wänden hängen Gemälde, in den Regalen liegt die polnische Nationalflagge. Ende der 80er-Jahre kam Pomorski nach Deutschland, schlug sich als Putzkraft und Vertriebsleiter durch, gab Nachhilfeunterricht.

Eigentlich ist es die Geschichte einer gescheiterten Ehe. Am 9. Juli 2003 packt Pomorskis deutsche Ehefrau Tanja die Koffer und zieht mit den gemeinsamen Töchtern Justyna Maria (heute 9) und Iwona Polonia (heute 7) aus der Wohnung aus. "In unserer Ehe gab es Schwierigkeiten, wir kommen aus zwei Völkern mit zwei unterschiedlichen Kulturen", räumt Pomorski ein. Seine Frau kommt zunächst im Frauenhaus und später bei ihren Eltern in Bergedorf unter. Für Pomorski bricht eine Welt zusammen.

Ende Oktober 2003 trifft sich das Ehepaar vor dem Familiengericht Pinneberg wieder. Beide einigen sich darauf, dass Pomorski seine Töchter unter Aufsicht einer neutralen Person treffen darf. Das Jugendamt Bergedorf soll die Treffen organisieren. Am 26. November 2003 soll die erste Begegnung stattfinden. Doch was sich nach einem Routinevorgang anhört, entwickelt sich zum Albtraum.

Wojciech Pomorski, studierter Germanist mit doppelter Staatsbürgerschaft, besteht darauf, mit seinen zweisprachig aufgewachsenen Töchtern polnisch zu sprechen. Zwischendurch könne man auf Deutsch wechseln, damit sich die Betreuerin nicht ausgeschlossen fühlt. Doch das Jugendamt beharrt auf Deutsch, ebenso die Mutter. Der "betreute Umgang" soll helfen, dass Vater und Töchter wieder zueinanderfinden. Um zu verhindern, dass mit den Kindern Dinge besprochen werden, die die Beziehung zur Mutter negativ beeinflussen könnten, muss die Begleitperson jedoch verstehen, was besprochen wird.

Wojciech Pomorski sagt: "Für mich war undenkbar, dass man jemand anderem eine Sprache aufzwingen kann." Er fühlt sich gedemütigt. "Sie haben mich erpresst: entweder polnisch oder die Kinder." Das Treffen platzt und Pomorskis Kampf um seine polnische Identität beginnt.

Er schaltet einen Anwalt ein, schreibt unzählige Dienstaufsichtsbeschwerden. Jetzt stellt sich das Jugendamt stur, lehnt einen Dolmetscher ab und schreibt einen folgenschweren Brief: "Aus pädagogisch-fachlicher Sicht ist anzumerken, dass es im Interesse der Kinder nicht nachvollziehbar ist, dass die Zeit des begleiteten Umgangs in polnischer Sprache erfolgen soll." Die Kinder würden schließlich in Deutschland aufwachsen.

Pomorski schaltet die polnischen Medien ein, die sich auf den Fall stürzen. Die internationale Presse springt ebenfalls an. Der polnische Konsul besucht den Bezirksamtsleiter. Der Druck wächst. Im Oktober 2004 wird der betreute Umgang auf Polnisch schließlich genehmigt. Zu spät: Noch bevor es zu einem Treffen zwischen Pomorski und seinen Töchtern kommt, zieht die Mutter mit den Mädchen nach Wien.

Darf ein Vater tatsächlich nicht mehr frei entscheiden, in welcher Sprache er mit seinen Kindern kommunizieren möchte? Hätte das Jugendamt ähnlich gehandelt, wenn Pomorski kein Pole, sondern Franzose gewesen wäre? Doch auch Wojciech Pomorski ist kein einfacher Gegner. Warum ist es ihm, der ein geschliffenes Deutsch spricht wichtiger, mit seinen Töchtern polnisch zu sprechen, als sie überhaupt zu sehen?

Seit Jahren kämpft Pomorski dafür, dass die Polen als Minderheit anerkannt werden. "Wir wollen, dass die Verpflichtungen aus dem deutsch-polnischen Vertrag erfüllt werden", sagt er. Vor sieben Jahren gründete er den Verein "Neuer Bund Polen in Deutschland - 2000 e. V.", im Februar 2007 den "Polnischen Verband Eltern Gegen Diskriminierung der Kinder in Deutschland e. V.".

Pomorski hat die Stadt Hamburg auf 15 000 Euro Schmerzensgeld verklagt und eine schriftliche Entschuldigung verlangt. Nach eigener Aussage führt er derzeit 14 Prozesse. Wie er sich finanziert, verrät er nicht.

Er trifft sich mit der polnischen Außenministerin Anna Fotyga. Fotyga, Vertraute des Präsidenten Lech Kaczynski, prangert anschließend die deutsche "Assimilierungspolitik" an. Nirgendwo sei die Lage für Polen so schwierig wie in Deutschland. Inzwischen beschäftigt der Fall auch die Europäische Union. Pomorski hat Beschwerde beim Petitionsausschuss in Brüssel eingelegt. Er wirft den deutschen Behörden vor, seine Grundrechte zu verletzen und seine kulturelle und sprachliche Identität zu missachten. Dem Ausschuss liegen weitere Petitionen vor. Angeblich würden die Jugendämter polnische Kinder germanisieren. In ein paar Tagen wird der Ausschuss entscheiden. Seine Kinder hat Pomorski zuletzt im November 2006 gesehen. Die Ehe wurde 2005 geschieden.