Kommentar

Polen ist ein großes stolzes Land." Diese Devise gab der damalige Ministerpräsident Leszek Miller im Dezember 2003 aus, als in der EU über eine Verfassung gestritten wurde und das Demnächst-Mitgliedsland Polen sich wenig kompromissbereit zeigte. Gegen gesundes Selbstbewusstsein eines Staates ist nichts einzuwenden. Nur wenn es in übertriebenen Nationalismus ausartet und andere Staaten brüskiert, wird's problematisch. Polen hat da in jüngster Zeit kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen.

Das deutsch-polnische Verhältnis ist ziemlich belastet, und Angela Merkels Reise zum Nachbarn wird nicht einfach. Die Bundeskanzlerin kommt als deutsche Regierungschefin und derzeitige EU-Ratspräsidentin. Sie braucht die Unterstützung der regierenden Kaczynski-Zwillinge für die EU-Verfassung, muss den Unmut der EU über Stationierungspläne zum US-Raketenschild artikulieren. Gleichzeitig hat sie Vorstöße und Äußerungen aus deutschen Vertriebenen-Organisationen zu kritisieren.

Polen, in seiner Geschichte immer wieder geteilt und besetzt, fürchtet - trotz Mitgliedschaft in EU und Nato - nach wie vor, zum Spielball anderer Mächte zu werden. Merkel kann diese Angst vielleicht wegen ihrer Ost-West-Biografie mildern. Aber sie sollte der polnischen Führung ebenso klarmachen, dass Bündnisse Rechte und Pflichten vorsehen: Konsultationen und Kompromisse statt überzogener, egoistischer Forderungen.

Und wenig hilfreich ist auch, wenn Außenministerin Anna Fogyta das Scheitern einer deutsch-polnischen Ehe in Hamburg mit zweifellos tragischen Konsequenzen für Kinder und Eltern als Beispiel der deutschen Bevormundung gegenüber Polen nennt. Privates sollte privat bleiben und nicht politisch instrumentalisiert werden.