Stockholm. Ein halbes Jahr nach dem schweren Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark prasseln immer mehr Vorwürfe wegen Sicherheitsmängeln auf den Kraftwerksbetreiber Vattenfall nieder.

In einer internen Analyse fassten Mitarbeiter aus dem Kraftwerk selbst die Hintergründe für das Versagen von Notstromaggregaten am 25. Juli 2006 in bedrohlich klingenden Sätzen zusammen: "Leider kann man den Störfall als Höhepunkt eines langfristigen Verfalls der Sicherheitskultur sehen." "Ich kann verstehen, dass die Leute nach so einem Bericht Angst bekommen", räumte auch Vattenfalls Chef für die heimische Stromproduktion, Göran Lundgren, ein. Aber der vom TV-Sender SVT enthüllte interne Bericht sei halt nur einer von vielen gewesen, und im Übrigen habe man ja schon ein Drittel eines "60-Punkte-Programms" für bessere Sicherheit umgesetzt.

Bisher hatte der Betreiber des 1980 in Dienst gestellten Siedewasserreaktors 150 Kilometer nördlich von Stockholm Vorwürfe in Sachen Sicherheit zurückgewiesen. Nun gab Lundgren im Rundfunk zu, man "habe nicht immer alle Sicherheitsfragen so behandelt, wie es sein sollte".

Dass im Sommer zwei Notstromaggregate nicht wie vorgesehen ansprangen und für die Nachkühlung des Reaktors sorgten, hielten Kritiker für so ernst, dass sie von der akuten Gefahr einer gerade noch verhinderten Kernschmelze wie 1986 in Tschernobyl sprachen. Diese vom früheren Forsmark-Konstrukteur Lars-Olöv Höglund verbreitete Auffassung taten Vattenfall und die staatliche schwedische Strahlenaufsicht SKI übereinstimmend als völlig unmöglichen Unfug ab. In einem SVT-Dokumentarfilm aber erklärte SKI-Chef Kjell Olsson vor der Kamera einer filmenden Schülergruppe nach Schluss des offiziellen Interviews: "Es hätte eine Kernschmelze geben können. Sicher. Rein technisch gesehen hat er (Höglund) recht." Das sei total aus dem Zusammenhang gerissen, hieß es später von SKI.

Es passte ins Bild, dass Forsmark-Mitarbeiter in ihrem internen Bericht als Beispiel für den "Verfall der Sicherheitskultur" auf drei positive Alkoholproben bei 25 zufällig kontrollierten Beschäftigten verwiesen. "Schlimmer kann es kaum mehr kommen", sagte der Vorsitzende des staatlichen Ausschusses für Reaktorsicherheit, Björn Karlsson, in der Zeitung "Dagens Nyheter".

Die Grünen im Stockholmer Reichstag verlangen eine unabhängige, internationale Untersuchungskommission zur schwedischen Reaktorsicherheit. "Es gibt bei den Verantwortlichen hier eine ausgeprägte Arroganz in Sachen Sicherheit", sagte Parteisprecherin Maria Wetterstrand.