Neue Studie: Wenn die Mittelmeer-Länder nicht ihre Wasserverschwendung beenden, gibt es dort bald eine neue Sahara. Daß die Regenmengen abnehmen, läßt sich so rasch nicht ändern. Aber daß allein Spaniens Golfplätze mehr schlucken als die Millionenstadt Madrid . . .

Hamburg. Aus dem Stausee nahe der ostspanischen Stadt Huesca ragt der seit langem überflutete Kirchturm wieder hervor. In portugiesischen Rinnsalen, die einmal Flüsse waren, sammeln sie eimerweise verendete Fische ein. Und über vielen Wäldern der iberischen Halbinsel sind Löschflugzeuge rund um die Uhr im Einsatz, um die verheerenden Brände unter Kontrolle zu kriegen. Die Krisenzeichen sind unübersehbar - und sie zeugen von weit Schlimmerem als nur einem heißen und trockenen Sommer.

Was Wissenschaftler seit Jahren kommen sehen und mit anschwellender Eindringlichkeit voraussagen, war nie so augenfällig wie in diesen Wochen wieder: Der Süden Europas, zumal große Teile der Mittelmeer-Anrainer, droht zu versteppen. Eine Schere öffnet sich auf gefährliche Weise: Wegen der Klimaerwärmung lassen die Niederschläge spürbar nach, zugleich aber steigt der Wasserverbrauch für Landwirtschaft und Tourismus dramatisch. Die Europäische Umweltagentur spricht von "Wasserstress" in diesen Ländern, von dem fast ein Fünftel der europäischen Bevölkerung betroffen sei.

Und gerade rechtzeitig zur aktuellen Hitzeperiode, unter der fast ganz Europa stöhnt, hat die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) eine neue Studie vorgestellt: "Dürren im Mittelmeerraum". Sie zeigt einmal mehr, daß die aufziehende Katastrophe vom Menschen zu einem Teil indirekt (Klimaerwärmung), zu einem beträchtlichen Teil aber auch direkt (Wasserverschwendung) verursacht ist. Ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt?

Bäume speichern Feuchtigkeit und wirken Versteppung entgegen. Jedoch: In einem einzigen Jahr verlieren die Mittelmeerstaaten bis zu 8000 Quadratkilometer Wald, in nur zwei Jahren würde damit laut WWF-Studie eine Fläche von der Größe Schleswig-Holsteins zu Asche. Und: "In Spanien werden 47 Prozent aller Brände absichtlich gelegt", berichtet Felix Romero vom WWF in Madrid. Ein abgefackelter Wald läßt sich leichter in Bauland umwandeln, das viel Geld bringt - zumal in Küstennähe, wo sich nicht nur immer mehr Spanier, sondern auch Rentner aus Deutschland ansiedeln.

Zugleich verringern sich auf Grund steigender Temperaturen vor allem im Süden Italiens und Spaniens sowie auf der griechischen Halbinsel Peloponnes die Niederschläge kontinuierlich, und das nicht erst seit einigen Jahren. Im Laufe des 20. Jahrhunderts nahm die Zahl der Regentage in Italien um zwölf Prozent ab und fielen im Einzugsgebiet einiger europäischer Mittelmeerflüsse sogar 20 Prozent weniger Niederschlag. Und der Trend dürfte anhalten: Bereits bis 2025 soll es in den Mittelmeerländern 0,7 bis 1,6 Grad Celsius wärmer sein als heute, in einigen Regionen werden es sogar fünf Grad mehr.

Der Wasserverbrauch indes hat sich zwischen 1950 und dem Jahr 2000 in den Mittelmeerländern verdoppelt: auf mittlerweile unvorstellbare 290 Milliarden Kubikmeter im Jahr. Bedingt durch diesen "Wasserstress" sinken zwangsläufig die Grundwasserspiegel. Je tiefer aber der Grundwasserspiegel, umso eher vertrocknet die Vegetation und verschlimmern sich die Waldbrände.

"Da bessere Klimabedingungen mit stärkeren Niederschlägen und niedrigeren Temperaturen in den nächsten Jahren kaum zu erwarten sind, muß das Problem Dürre und Waldbrände also von der anderen Seite her angepackt werden", sagt WWF-Wasserspezialist Martin Geiger. Größter Wasserverbraucher am Mittelmeer ist die Landwirtschaft: Zwei Drittel des verfügbaren Süßwassers landen auf Feldern und in Gewächshäusern.

Ein typisches Beispiel ist die Provinz Huelva, in der im zeitigen Frühjahr die ersten Erdbeeren reifen, die später lange vor der Saison im eigenen Land in Mitteleuropa verkauft werden. "Da ungefähr die Hälfte der Huelva-Erdbeeren nach Deutschland exportiert wird, trägt der Verbraucher hierzulande also ebenfalls dazu bei, daß dort die Pegel der Flüsse sinken, weil die Plantagen mit ihrem Wasser feucht gehalten werden", erklärt Geiger Zusammenhänge, die leicht übersehen werden. Neben der Entnahme von Flußwasser senkt auch die Ausbeutung von Brunnen den Grundwasserspiegel. "Eine halbe Million dieser Brunnen wurden allein in Spanien illegal gebohrt, die meisten von ihnen, um Felder zu bewässern", beklagt Geiger.

Ein besonders krasses Beispiel ist auch die Region Murcia im Südosten Spaniens, wo sich saftig grüne Wiesen von der wüstenähnlichen Umgebung abheben. Der Wasserverbrauch dort übersteigt das eigene Wasservorkommen um das Doppelte. Die Differenz wird aus unterirdischen, oft geheimen Reserven entzogen. Man lebe dort buchstäblich auf Pump, sagt die Ökologin Julia Maria Fernandez. "Es ist, als ob eine Familie 2000 Euro im Monat verdient, aber 4000 Euro ausgibt."

Sinkende Grundwasserspiegel und Flußpegel in Huelva erhöhen aber nicht nur die Waldbrandgefahr, sondern verändern auch die Natur gravierend, weil weniger Süßwasser in das riesige Feuchtgebiet fließt, das als Nationalpark Cota Doñana vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten das Überleben sichert. Meerwasser dringt unterirdisch vor, der Salzgehalt steigt und verschlechtert die Überlebenschancen für die Arten dort rapide.

Nach Ansicht des WWF-Fachmannes ließe sich der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft relativ einfach reduzieren. So werden viele Felder heute noch berieselt, wobei ein großer Teil des Wassers verdunstet, ohne überhaupt im Boden anzukommen. Eine moderne Tröpfchenbewässerung dagegen verbraucht 30 bis 40 Prozent weniger Wasser und läßt die Ernte trotzdem nicht schlechter ausfallen. Da allein in Spanien mit 36 000 Quadratkilometern eine Fläche von der Größe Baden-Württembergs bewässert wird, ließe sich mit dem Einsatz besserer Bewässerungstechnik ein großer Spareffekt erzielen.

Kräftige Subventionen von der Europäischen Union in Brüssel haben viele Bauern vor allem in Spanien dazu gebracht, ihre althergebrachten Oliven- und Zitrushaine zu roden, die meist nur mit dem Regen aus dem Winterhalbjahr durchs Jahr kamen. An ihrer Stelle wachsen nun Mais, Zuckerrüben oder Futterpflanzen, die auch im Sommer bewässert werden müssen. "Auch dadurch steigt der Verbrauch, sinkt der Grundwasserspiegel und wächst die Gefahr von Dürren und Waldbränden", sagt Martin Geiger. Umweltschützer fordern schon lange, daß die EU ihre Agrarpolitik auch und vor allem in diesem Punkt radikal ändert.

Der Tourismus und das Freizeitverhalten tun ein übriges. Beispiel Golfplätze: 276 gibt es heute in Spanien, weitere 150 sind geplant. Jeder einzelne dieser Plätze aber schluckt in etwa soviel Trinkwasser wie eine komplette 15 000 Einwohner zählende Kleinstadt. Zusammengerechnet verbraucht das spanische Golfgrün also mehr Wasser als die Hauptstadt Madrid mit ihren 3,1 Millionen Einwohnern.

Ähnliches gilt für die Hotelanlagen der Touristen-Hochburgen: Würden statt der üblichen, stark bewässerten Rasenflächen einheimische Pflanzen wie Agaven die Außenanlagen zieren, könnte jede Menge Wasser gespart werden. Tauschen dann noch die Besitzer von Hotels und Privathäusern Duschköpfe und Wasserhähne gegen Sparmodelle aus, lassen sich Wasserverbrauch und Waldbrandgefahr weiter senken.

Vielleicht hilft auch eine Preiserhöhung, denn mit durchschnittlich 1,10 Euro pro Kubikmeter ist das Trinkwasser in Spanien so billig wie in kaum einem anderen europäischen Land. In Deutschlands muß man bis zum Vierfachen bezahlen.

"Spanien braucht eine Wasserwende", mahnt der WWF. Und Wasserspezialist Martin Geiger warnt: "Wenn wir nicht aufpassen, haben wir bald eine neue Sahara-Wüste am Mittelmeer."