Siebenbürgen: Sechs statt 20 Prozent Arbeitslose, Anreize für Investoren, 300 Firmengründungen. Bürgermeister Johannis setzte beim Aufbau der zerfallenen Stadt Sibiu auf einfache Methoden: Sauberkeit und wenig Bürokratie.

Hamburg. "Was ist der Unterschied zwischen Gott und einem Lehrer? Der liebe Gott weiß alles, der Lehrer weiß alles besser". Der 46jährige Klaus Werner Johannis lacht und das aus gutem Grund. Der ehemalige Physiklehrer gilt als Shootingstar der rumänischen Kommunalpolitik. Unter ihm als Bürgermeister wurde das zerfallene Städtchen Sibiu, wie das deutsche Hermannstadt heute heißt, zu einer der pulsierendsten Metropolen Rumäniens. Weil Johannis dabei so geschickt sein Image als fleißiger Deutscher nutzte und auf einfache Methoden beim Aufbau der Stadt setzte, bezeichnen ihn die Rumänen mittlerweile als "deutschen Kennedy" aus Siebenbürgen.

Trifft man Johannis persönlich, hat er wenig mit dem amerikanischen Idol gemein. In seinem grauen Anzug mit hellblauer Krawatte wirkt er eher spröde und steif. Läuft man jedoch durch Hermannstadt sieht man das außergewöhnliche Werk dieses Mannes.

Mehr als 800 Jahre war Hermannstadt das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Siebenbürger Sachsen. Doch unter dem Ceausescu-Regime zerfielen die mittelalterlichen Häuser, ging es mit der Wirtschaft bergab. Seit 1980 wurden keine staatlichen Wohnungen mehr gebaut. In vielen Schulen gab es nicht einmal eine Heizung.

Mittlerweile ist fast jedes Haus in der Altstadt saniert. Wohnungen wurden gebaut, Schulen modernisiert. 2007 ist Hermannstadt gemeinsam mit Luxemburg Kulturhauptstadt Europas. Im kommenden Jahr entscheidet die Unesco über die Aufnahme der Stadt in die Liste des Weltkulturerbes. "Eine Stadt ist wie ein Unternehmen. Entweder es geht nach oben oder nach unten. Momentan sind wir vorn", sagt Johannis.

Seit fünf Jahren ist er Bürgermeister von Hermannstadt. Das ist ungewöhnlich. Denn Johannis gehört der deutschen Minderheit an. Von den rund 170 000 Einwohnern Hermannstadts sind gerade noch 2000 deutsch. Aus Angst, völlig aus dem öffentlichen Bewußtsein zu verschwinden, trat das Deutsche Forum, die Interessenvertretung der deutschen Minderheit, im Jahr 2000 bei den Stadtratswahlen an. Klaus Johannis, der über keinerlei politische Erfahrung verfügt, wird Spitzenkandidat. "Für uns war das eine reine PR-Sache", sagt Johannis. Doch die Rumänen sind von den etablierten Parteien enttäuscht. Johannis gewinnt und wird Bürgermeister. "Das war eine Protestwahl", erinnert er sich. Vier Jahre später ist davon keine Rede mehr. Johannis wird mit fast 90 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Das Deutsche Forum erringt 16 der 23 Plätze im Stadtradt und wird so zur Mehrheit.

Für die Rumänen verkörpert der verheiratete Johannis die typisch deutschen Tugenden: Er gilt als zuverlässig, ordentlich und integer. "Mach es deutsch", sagen die Rumänen auch, wenn etwas besonders gut werden soll. Johannis glaubt: "Die Menschen wählen immer Bilder. Optimal ist es natürlich, wenn der Mensch dem Bild entspricht." Ist das bei ihm der Fall? "Ich denke schon", sagt er. Doch er gibt zu: "Ich nutze mein Image politisch aus, solange es geht".

Johannis ergreift seine Chance und verhilft der Stadt zu einem wirtschaftlichen Aufschwung mit scheinbar einfachen Methoden. In der ersten Woche seiner Amtszeit erhöht er die Zahl der Straßenreiniger von 30 auf 100, denn "für potentielle Investoren muß die Stadt reinlich sein". Er reduziert die Bürokratie, indem er dafür sorgt, daß Investoren leichter Genehmigungen erhalten. "Man kann sich mit Experten ein halbes Jahr lang einschließen und einen klugen Plan erarbeiten. Doch dafür haben wir kein Geld und keine Zeit", sagt er.

Johannis schafft es, deutsche Unternehmen von Hermannstadt zu überzeugen. Dabei hilft ihm die deutsche Vergangenheit. "Wir liegen mitten in Rumänien, viele Bürger sprechen deutsch, wir haben sechs Universitäten und gut ausgebildete Arbeitskräfte", sagt Johannis. "Die Firmen brauchen keine Arbeitskräfte mitzubringen."

Der Automobilzulieferer Continental investiert 20 Millionen Euro in den Bau einer Fertigungshalle, Siemens eröffnet eine Niederlassung und stellt Hunderte Arbeitskräfte ein, der österreichische Verpackungsspezialist Greiner folgt. Zehn Callcenter, vorwiegend deutsche Firmen, siedeln sich an. "In den letzten Jahren sind 300 neue Firmen ins Handelsregister eingetragen worden", sagt Johannis. Die Arbeitslosenquote sinkt von 20 auf sechs Prozent. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Hermannstädter steigt von 120 auf 150 Euro. Damit liegt die Kleinstadt zwar noch unter dem rumänischen Bruttoeinkommen von 170 Euro, schiebt sich aber im landesweiten Vergleich auf Platz drei, hinter Bukarest und Temeswar.

Für die Altstadtsanierung stellt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 5, 5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) schult einheimische Architekten. Die europäische Union stiftet Gelder für den Ausbau des Verkehrsnetzes.

Politischen Gegenwind aus Bukarest muß Klaus Johannis vorerst nicht befürchten. Hermannstadt ist auf Grund der guten deutschen Beziehungen in einer privilegierten Situation. Rumäniens Staatschef Traian Basescu bot Klaus Johannis den Posten des Erziehungsministers an. "Man hat mich immer wieder gefragt, ob ich nicht in die große Politik gehen will", sagt Johannis. Doch noch lehnt er ab. Über die Gründe schweigt er.

Bei einem Thema wird Johannis einsilbrig: Korruption. "Das ist eines der heikelsten Probleme des Landes", sagt er und wehrt sofort ab: "In Hermannstadt gibt es keine Korruption." Klaus Johannis weiß, daß Korruption wichtige Investoren wie Siemens abschrecken könnte. Noch 2004 zählte die Organisation Transparency International die rumänischen Machthaber zu den korruptesten in Europa. Auch die Europäische Union macht einen Beitritt Rumäniens zur EU davon abhängig, wie gut das Land die Korruption in den Griff bekommt. "Wenn sie Korruption bekämpfen wollen, müssen sie oben anfangen", sagt Klaus Johannis. "Man braucht einen Chef, der nicht korrupt ist." Statt über Korruption redet der Bürgermeister lieber über die Zukunft. Der Tourismus müsse angekurbelt werden, und es fehle an einer guten Infrastruktur. "Wir haben zuwenig Hotels und Fremdenführer. Außerdem muß sich die Mentalität der Leute ändern", sagt Johannis. So sei es derzeit nicht möglich, in den Hotels Veranstaltungstickets per E-Mail zu buchen. "Die Hotelketten sperren sich dagegen", sagt Johannis.

Und wie steht es um seine eigene Zukunft? Ehrgeizig ist er: "Wenn man unten ist, hat man kleine Ansprüche. Ist man oben, wachsen die Ansprüche", sagt Johannis. "Doch ich sehe mich in fünf Jahren genau da, wo ich jetzt bin, denn wann hat man schon mal die Chance, Bürgermeister von Hermannstadt zu sein."