Rom. Wer übt im Vatikan die Macht aus, während der Papst verstummt, fragt die Weltöffentlichkeit immer lauter. Die einen sagen, es seien vier Kardinäle, darunter Joseph Ratzinger. Die anderen nennen den Privatsekretär von Johannes Paul II., den polnischen Erzbischof Stanislaw Dziwisz. Der Papst selbst halte die Zügel in Händen, heißt es im Vatikan dennoch offiziell.

Unauffällig, aber darum umso wirksamer filtert Privatsekretär Dziwisz die Nachrichten, die von außen zum Papst dringen. Wer Zugang zum kranken Kirchenoberhaupt bekommt und wer nicht, entscheidet der langjährige Vertraute, der Karol Wojtyla seit 1966 nicht von der Seite weicht. Rund um die Uhr begleitet der 65jährige den Tagesablauf des Papstes, vom ersten Morgengruß bis zum Einschlafen.

Dziwisz saß beim Attentat von 1981 neben dem Pontifex Maximus im Wagen. In seinen Armen wurde der von zwei Schüssen schwer verletzte Papst ins Krankenhaus gefahren.

Vor allem in den letzten Jahren, seitdem der schlechte Gesundheitszustand die Aktivitäten des Kirchenoberhaupts einschränkt, wuchs die diskrete Macht des Sekretärs. Daran kommen mittlerweile auch so mächtige Vatikanvertreter wie Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano nicht vorbei. Der Konflikt zwischen ihm und Dziwisz gipfelte vor wenigen Tagen in dem Gerücht, Sodano werde bald in seinem Amt abgelöst und in den Ruhestand geschickt.

Während die Kardinäle Joseph Ratzinger, Angelo Sodano, Camillo Ruini und Giovanni Battista Re den Vatikan nach außen vertreten, hat Dziwisz kein kirchenrechtlich bedeutendes Amt inne. Beim letzten Konsistorium wurde sein Name als möglicher Kandidat für die Kardinalswürde gehandelt. Als der Papst einen Purpurträger "in pectore" ernannte, dessen Namen er geheimhielt, vermuteten Vatikanexperten, es müsse sich um Dziwisz handeln. Der Papst wolle sich für die langjährigen Dienste seines engsten Freundes mit dem Kardinalshut und einem polnischen Erzbistum bedanken.

Statt dessen behielt der 84jährige seinen polnischen Privatsekretär bei sich. Wie kein anderer weist Dziwisz Berichte über Krankheiten des Papstes zurück. "Einige Journalisten, die in den letzten Jahren viel über den Gesundheitszustand des Papstes gesprochen und geschrieben haben, sind bereits im Himmel", sagte er einmal nach einem angeblichen Interview mit Kardinal Ratzinger in einer deutschen Zeitschrift. Doch auch Dziwisz bittet mittlerweile um Gebete für den kranken Pontifex.