Kommentar

Mit Wladimir Putin an der Staatsspitze schien Russland nach dem sowjetischen Totalschaden und dem Chaos der Jelzin-Ära aus dem Gröbsten heraus: im Inneren stabil, außenpolitisch auf Kooperationskurs. In vorauseilendem Vertrauen sind so in den ausländischen Regierungszentralen alle Warnzeichen übersehen worden, die traditionell totalitäre Systeme auszeichnen: die Knebelung der Medien, die Gleichschaltung im Parlament, sogar für den Tschetschenienkrieg gab es einen Freibrief. Erst das jüngste Moskauer Macht-Manöver hat den Westen alarmiert. Vordergründig geht es dabei um die Betrugs-Anklage gegen den auf dubiose Art und Weise zum Öl-Milliardär avancierten, politisch ambitionierten Yukos-Konzernchef Chodorkowski. Tatsächlich aber hat der entscheidende Sturm der autoritären Geheimdienstfraktion des ehemaligen KGB-Mannes Putin auf die letzten Bastionen der oppositionellen Liberalen begonnen: in der Wirtschaft und im Kreml. So musste nun der mächtige Kreml-Stabschef Woloschin, einst Verbindungsmann zu den Industriebossen (Oligarchen), seinen Hut nehmen. Und die Oligarchen dürften nach der Beschlagnahme der Yukos-Aktien wissen, was ihnen blüht, wenn sie Putin in die Quere kommen: Verstaatlichung ihrer Unternehmen. Die Stalin-Masche also. In der westlichen Wertegemeinschaft ist für derlei Methoden kein Platz. Nur: Wer sagt das endlich Freund Putin?