Zehn Punkte, 13 Monate Zeit: Minister Peter Altmaier kommt mit vielen Ideen, aber ohne Plan gegen steigende Strompreise aus dem Urlaub.

Berlin. Peter Altmaier erweckt nicht den Eindruck, als habe er in seinem Urlaub an etwas anderes gedacht als an die Arbeit. Zumindest in der jetzigen Regierung ist es noch nicht vorgekommen, dass ein Minister aus den Ferien kommt und als erste Amtshandlung ein ambitioniertes Zehn-Punkte-Arbeitsprogramm vorlegt, das er in 13 Monaten abarbeiten will. Im September 2013 muss der CDU-Bundesumweltminister sich und seine Behörde an dem Programm messen lassen. Dann, wenn die Bundestagswahl ansteht, möchte wenigstens er gehalten haben, was er versprochen hat.

"Mit neuer Energie" so auch der Titel seines Vorhabenkatalogs, sei er aus den Ferien zurückgekehrt, sagt der Saarländer. Sein Leitmotiv spielt zugleich auf das dringendste Problem seiner restlichen Amtszeit an: den Ausbau der erneuerbaren Energien - und dessen Bezahlbarkeit. Altmaier ist nicht entgangen, dass die Spekulationen über den künftigen Preis für die Umlage für den Ausbau der erneuerbare Energien von prominenter Seite vorangetrieben wurden: Sein Parteifreund, EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger fordert eine Deckelung der Umlage, damit Verbraucher nicht weitere Preisschocks durch ihre Stromrechnungen erfahren müssen. Das mag populär klingen, Altmaier selbst schließt sich dem Vorstoß aber nicht an. Er möge keine Schnellschüsse, sagt er gleich mehrmals.

Das Eisen des Strompreises ist ihm deutlich zu heiß, um selbst eine Idee zu präsentieren. Er sei aber offen für Vorschläge von den Ministerpräsidenten, denn ohne die Länder und Kommunen will er keine Gesetzentwürfe zur Änderung am Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) erarbeiten. Er will lieber Ende September einen "Verfahrensvorschlag" für eine Reform der teuren Ökoenergie-Förderung vorlegen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler dürfte dies kaum gefallen. Der FDP-Chef hatte wiederholt vor einer Explosion der Strompreise gewarnt und daher eine komplette Reform der Förderung des Ökostroms verlangt.

Im Oktober, wenn die neue Ökostromumlage bekannt gegeben wird, rechnet Altmaier mit einer "munteren Debatte" über die Bezahlbarkeit des Stroms. Zumindest stellt er klar: Mittelfristig müsse die Förderung auslaufen, damit die Energiewende bezahlbar bleibe. Entscheidungen könnten allerdings erst nach der Bundestagswahl von einer neuen Regierung getroffen werden.

Die Opposition ist enttäuscht. Die Linkspartei schlägt einen "sozialen Härtefallfonds für die Energiewende" vor. Linke-Fraktionsvize Ulrich Maurer erklärte im Abendblatt, dass aus dem Fonds zum Beispiel unbürokratische Nothilfe in Haushalte fließen könne, die von Stromabschaltungen bedroht sind. "Jeder bedrohte Haushalt könnte bis zu 300 Euro zinslosen Kredit bekommen, um ausstehende Stromrechnungen zu bezahlen." Der Bundeshaushalt gebe das ohne Mehrausgaben her, weil der Energieeffizienzfonds ohnehin nicht ausgeschöpft sei, sagte Maurer weiter. Er begründete die Forderung seiner Partei nach einem Härtefallfonds mit einer Benachteiligung ärmerer Bevölkerungsschichten. "Die Kosten der Energiewende werden durch politische Entscheidungen auf die sozial Schwachen abgewälzt. Und wenn die nicht zahlen können, wird der Strom abgestellt", sagte der Fraktionsvize. "Das ist sozialer Sprengstoff. Die Politik ist in der Pflicht, etwas für die Härtefälle zu tun."

Anstatt der aktiven Strompreissenkung greift Altmaier in seinem ersten der zehn Punkte lieber die Energieeffizienz auf. Privaten Haushalten, insbesondere auch einkommensschwachen, solle durch kostenlose Energieberatung geholfen werden, Einsparmöglichkeiten zu realisieren, schreibt der Minister in seinem Papier. "Nach zurückhaltenden Schätzungen können hier über 30 Prozent Strom gespart werden", heißt es. Das sei keine neue Idee, lässt Rösler daraufhin ausrichten. Es gebe bereits unter anderem über die Verbraucherzentralen umfassende Energieberatungsprogramme, bei denen einkommensschwache Haushalte von den Kosten befreit seien. Diese würden von der Bundesregierung gefördert. Es sind Unstimmigkeiten und Zurechtweisungen wie diese, die das Klima der federführenden Energieminister im Kabinett prägen. Angesichts des fulminanten Altmaier-Auftritts will Rösler offenbar klarstellen, dass der umtriebige und reformfreudige Umweltminister nicht zwingend die besseren Ideen hat.

Dafür hat Altmaier noch genügend andere: In seinen weiteren Punkten des Plans will er dem Klimaschutz "neuen Schwung" verleihen, den Naturschutz "voranbringen" und die Wertstofftonne einführen. Damit dürfte er kaum auf Widerstände stoßen. Auch nicht damit, dass er den Schutz vor elektromagnetischen Feldern verbessern, die Diskussion über unkonventionelle Erdgasvorkommen (Fracking) verantwortlich gestalten, mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz will und neben einer Kooperation aller Energiewende-Staaten ein neues umweltpolitisches Schwerpunktprogramm erarbeiten will.

Doch ein Punkt, der dritte in der Liste der zehn, hat es wieder in sich: "Nukleare Entsorgung im Konsens regeln". Bis Ende September soll das von Röttgen erfolglos angestrebte Endlagersuchgesetz nach Altmaiers Willen vorlegt und dann Ende des Jahres auch verabschiedet werden. Darin soll die Erkundung möglicher Endlagerstandorte einschließlich des niedersächsischen Standortes Gorleben geregelt werden. Auch ein Asse-Gesetz soll es spätestens bis Ostern 2013 geben, damit rechtliche Hemmnisse für eine sichere Stilllegung der maroden Schachtanlage beseitigt werden könnten und die Rückholung der Atomabfälle festgeschrieben werde. Wie beim Endlager will Altmaier auch bei der Asse fraktions- und parteiübergreifend einen Konsens erlangen.

Was die Schließung und den Rückbau der Kernkraftwerke anbetrifft, bleibt der Umweltminister vage. Hier wolle er Gespräche führen. Doch gerade diesen Aspekt hätte Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) gern konkretisiert. "Altmaiers Aussagen sind sehr dürftig und unzureichend", sagte Habeck dem Abendblatt. "Dabei liegt das, was getan werden muss, offen auf dem Tisch. Das Atomgesetz hat Lücken und muss geändert werden." Der "sichere Einschluss" als Stilllegungsvariante müsse verschwinden. "Die Anlage würde beim sicheren Einschluss über viele Jahrzehnte im Prinzip so erhalten werden, wie sie ist, wenn auch ohne Brennelemente. Das ist politisch und fachlich nicht akzeptabel", so der Nord-Minister.

Außerdem müsse man über das Atomgesetz den Betreibern Fristen setzen können, bis zu denen sie ihre Stilllegungsanträge einreichen müssen, verlangte der Grüne. "Sonst halten die uns hin. Altmaiers Ansatz, erste Gespräche mit Betroffenen zu führen, reicht nicht."