Verteidigungsminister Thomas de Maizière wirbt für den Einsatz von unbemannten Flugsystemen. Gegner fürchten gezielte Tötungen.

Berlin. Was den Einsatz von Drohnen angeht, ist die Bundeswehr ein Nachzügler. Die Zahl dieser unbemannten Flugsysteme, im Fachjargon Unmanned Aerial System (UAS) genannt, ist in den vergangenen zehn Jahren drastisch angestiegen. Vor allem die Drohnen der USA haben im Irak oder in Afghanistan Hunderttausende Flugstunden absolviert. Ihre Aufgaben: Aufklärung und Bekämpfung des Gegners.

Der Weltmarkt für diese militärischen Flugsysteme wird beherrscht von amerikanischen und israelischen Firmen. Als die Deutschen im Rahmen ihrer Mission im Norden Afghanistans bemerkten, dass Drohnen in einem Krieg ganz nützlich sein können, mussten sie feststellen: Die heimische Industrie hat kein taugliches Gerät im Angebot. Also wurden im Jahr 2010 drei Systeme von den Israelis geleast. Über 10 000 Flugstunden hat die "Heron I", eine unbewaffnete Drohne zur Luftaufklärung, seitdem für die Bundeswehr absolviert. Sie gilt den Militärs längst als unersetzlich.

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Die logische Folge: Seit geraumer Zeit prüft die Bundesregierung, ob sich nicht auch Deutschland bewaffnete Flugsysteme zulegen soll. Das Parlament wurde in die Überlegungen einbezogen: Im Mai dieses Jahres erhielt der Verteidigungsausschuss des Bundestages ein Gutachten des hauseigenen Büros für Technikfolgenabschätzung mit einer Bestandsaufnahme über Chancen und Risiken des Einsatzes von Kampfdrohnen. Erst vor zwei Wochen allerdings sickerten die Planspiele an die breite Öffentlichkeit durch. Seitdem wird eine mehr oder weniger kenntnisreiche Diskussion darüber geführt, ob auch die Bundeswehr bewaffnete Drohnen erhalten soll - und wenn ja, welche. Im Groben sind CDU und SPD eher dafür, FDP und Grüne geben sich abwartend, die Linke ist strikt dagegen.

Erstmals meldet sich nun der Verteidigungsminister zu Wort - um "diese Debatte einmal ganz grundsätzlich vom Kopf auf die Füße" zu stellen. Der Sache nach, sagte Thomas de Maizière (CDU) der "Welt", sei eine Drohne doch nichts anderes als ein Flugzeug ohne Pilot: "Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme das nicht dürfen? Das erschließt sich mir nicht." Aus Sicht des obersten Befehlshabers der Bundeswehr spricht eine ganze Reihe von Gründen für den Einsatz von bewaffneten Drohnen. Erstens habe die Bundeswehr auch in anderen Bereichen längst unbemannte Systeme im Einsatz. "Seit fast 30 Jahren sucht die Marine mit sogenannten Seehunden Minen. Die sind ferngesteuert und unbemannt. Wir haben weiter Roboter im Einsatz, die auf dem Boden aufklären und beispielsweise zur Entschärfung von Sprengsätzen auch schießen können. Und letztlich sind Torpedos oder Raketen, die sich ihr Ziel selbst suchen, ebenfalls unbemannte Waffen", sagt der Minister. Drohnen seien also qualitativ nichts Neues.

Weiter sei es nach dem Völkerrecht geboten, in einem militärischen Einsatz unbeteiligte Dritte wie Zivilisten nicht zu treffen. "Die neuen Waffen haben da einen großen Vorteil: Sie sind zielgenauer. Und je besser man zielen kann, desto weniger Schäden gibt es", sagte de Maizière. Schließlich könnten bewaffnete Drohnen dabei helfen, die eigenen Soldaten im Einsatz bestmöglich zu schützen. "Wenn ich eine unbemannte Drohne in den Einsatz schicke statt eines bemannten Fugzeugs, dann dient das auch dem Schutz unserer Soldaten", so der Minister. "Und ich kann mit Drohnen auch andere, zum Beispiel Panzerfahrer oder Pioniere, aus der Luft schützen."

Für die Gegner dieser Systeme sind Kampfdrohnen dagegen Teufelszeug. Sie würden in der Praxis "für kaltblütige Hinrichtungen" genutzt, sagte die Linken-Abgeordnete Inge Höger. Sie verweist auf die gezielten Tötungen von mutmaßlichen Terroristen durch die Amerikaner im Norden Pakistans - ohne völkerrechtliche Grundlage, ohne Prozesse, angeordnet von Geheimdiensten. De Maizière sagt, man müsse über diese "sehr spezielle Form des Einsatzes" von Drohnen tatsächlich diskutieren. Nur lasse diese Vorgehensweise der Amerikaner keine Rückschlüsse auf das Waffensystem an sich zu: "Das ist intellektuell eine verkürzte Debatte."

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Generell sei der Einsatz einer bewaffneten Drohne nichts anderes als die Betätigung eines Pistolenabzugs oder das Abfeuern eines Torpedos. "Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten", meint der Christdemokrat. Davon zu trennen sei die Frage, wer diese Waffe wann und wie einsetze. Darüber müsse debattiert werden. So hält der Minister es für geboten, "dass diejenigen, die unbemannte Systeme bedienen, möglichst in der Nähe des Einsatzortes sind". Dadurch werde die innere Bindung der Piloten zu dem Geschehen vor Ort sichergestellt. Allerdings sei eine Präsenz vor Ort nicht immer praktikabel.

Die Planungen laufen nun darauf hinaus, dass sich die Bundeswehr bis 2014/15 weiterhin mit einem Leasingmodell behilft. "Ab 2014/15 brauchen wir eigene unbemannte Luftfahrzeuge, die sofort verfügbar und einsetzbar sind. Da sind wir in Vorüberlegungen, etwas zu kaufen", so der Minister. Dabei gebe es auf dem Weltmarkt fast ausschließlich bewaffnete Drohnen im Angebot. In einem dritten Schritt schließlich müsse Europa eigene Produkte beschaffen. Gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien arbeite man daran, "eine europäische Drohne zu entwickeln, die hoffentlich in den Jahren nach 2020 auch einsatzfähig verfügbar ist", so der Minister.